Ratlos in Belgrad: Stefan Ruthenbeck. (Foto: GBK)

Die Physik des Niederschlags: Der Effzeh auf der Nulllinie

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In der Physik definiert man den Begriff “Impuls” als Produkt aus Kraft und Dauer eines Stoßes. Nimmt man den Trainerwechsel beim 1. FC Köln als Beispiel, dann bewegt sich das sich aus dieser Gleichung ergebende Ergebnis an der Nulllinie. Wenn der Effzeh Pech hat, sogar darunter. Das wird sich am Sonntag zeigen.

Köln – Schon vor dem 0:1 des 1. FC Köln bei Roter Stern Belgrad wurde man das Gefühl nicht los, dass es selten einen schlechteren Zeitpunkt für einen Trainerwechsel gegeben hat als nach dem 2:2 der Geissböcke auf Schalke. Dass Peter Stöger ausgerechnet nach dieser Partie – obwohl es schon vorher festgestanden hatte – gehen musste, glich einem Treppenwitz.

Ruthenbeck schon jetzt nur noch ein Verwalter

Um auch hier für das richtige Verständnis zu sorgen: Ein Treppenwitz steht für einen eigentlich gar nicht so falschen Gedanken, der allerdings im genau falschen Moment – nämlich zu spät – geäußert wird und damit seine Wirkung verfehlt. Beim 1. FC Köln hat sich dieser Treppenwitz in einer Niederlage und dem Ausscheiden aus der Europa League manifestiert. Um es eindeutig zu sagen: Mit Peter Stöger an der Seitenlinie hätte es nicht schlechter laufen können. Wahrscheinlich sogar besser, weil die Mannschaft nach dem kleinen Erfolgserlebnis auf Schalke daran geglaubt hätte.

Doch die FC-Bosse verstanden es einmal mehr in dieser Saison den falschesten aller Momente zu wählen, um der Mannschaft noch einmal einen Stoß in den Rücken zu versetzen. Denn was, um Himmels Willen, hätte Stefan Ruthenbeck in den letzten Tagen anders machen können als ein Verwalten des Unglücks? Das hätte Peter Stöger ebenso hinbekommen – und wenigstens hätte dann die Chemie zwischen Mannschaft und Trainer noch gestimmt. Aktuell, das wissen alle in der Kabine und am Geißbockheim, besteht zwischen Interimscoach und Spielern nichts anderes als eine höfliche, pflichtbewusste Zweckbeziehung, die in elf Tagen wieder beendet sein wird. Nicht mehr, aber vielleicht sogar weniger, weil Ruthenbeck nicht den Respekt der Spieler genießt, den Stöger und sein Trainerteam gehabt hätte.

Haben die FC-Bosse den Stecker gezogen?

Ausgerechnet vor der so wichtigen Woche mit den Spielen in Belgrad und gegen Freiburg haben die FC-Bosse der Mannschaft also möglicherweise endgültig den Stecker gezogen. Auf Schalke hatte man noch gesehen, was selbst eine völlig dezimierte und verunsicherte Mannschaft auf die Beine stellen kann, wenn sie auf die Ansagen ihres Trainers hört. In Belgrad aber erinnerte die Leistung an die allerschlechtesten Auftritte unter Stöger. Der erhoffte “Impuls”, von dem Präsident Werner Spinner und Geschäftsführer Alexander Wehrle nach dem Trainerwechsel gesprochen hatten, verglühte auf dem Rasen gleich neben den Feuerwerkskörpern, die aus dem Gästeblock abgeschossen wurden.

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Haben die Verantwortlichen die Spieler verloren?

Noch einmal zurück zur Definition des Begriffs “Impuls”: In der Physik kennt man auch den sogenannten “Impulsstrom”, also die Richtung, in die sich ein Impuls entwickeln kann. Dieser kann positiv, er kann aber auch negativ sein. Natürlich hatten sie beim 1. FC Köln gehofft, dass die Stöger-Demission und die Ruthenbeck-Installation sich positiv auswirken würden. Ob die Verantwortlichen überhaupt in Betracht gezogen haben, dass es auch negativ ausgehen könnte?

Oftmals werden Trainerwechsel vorgenommen, um das Gefühl einer “Befreiung” bei den Spielern zu erzeugen. Doch kaum jemand in der Kabine musste von Stöger “befreit” werden. Natürlich gab es einige Profis, die unzufrieden waren und sich verloren gefühlt haben. Der Österreicher wusste längst nicht mehr alle Profis gänzlich hinter sich. Aber vor allem herrschte zuletzt Resignation aufgrund der anhaltenden Verletztenmisere. Es gab keine Hoffnungsträger mehr. Selbst Ruthenbeck musste nach dem Aus in der Europa League zugeben, dass es für ihn nur darum gehen kann, auf mentaler Ebene die Spieler neu anzusprechen. Ein paar Dinge hatte er zwar auch auf dem Platz umgestellt, beispielsweise die Abläufe bei Ecken. Aber dass er ernsthaft davon sprach, es müssten sich jetzt schnell neue Automatismen finden, klang wie ein schlechter Witz. Mit vier Spielen in elf Tagen gibt es nicht einmal genügend Trainingseinheiten, um neue Dinge einzustudieren, geschweige denn sie zu automatisieren.

Schubumkehr statt Impuls: Nur die Spieler können jetzt noch helfen

Das wissen natürlich auch die Spieler. Und so könnte genau das eingetreten sein, was die Bosse so lange an Stöger hatte festhalten lassen: dass der Abschied von Stöger dazu geführt hat, dass die Verantwortlichen Teile der Mannschaft verloren haben. Genau diese Angst hatte Spinner, Wehrle und die restliche Führungsriege über Wochen erstarren lassen. Hätten sie nach Klatschen wie dem 0:3 gegen Hoffenheim oder dem 0:2 gegen Hertha gehandelt, wäre es nachvollziehbar gewesen. Auch für die Mannschaft. Nach dem 2:2 auf Schalke gehandelt zu haben, könnte aber statt eines positiven Impulses eine Schubumkehr bewirkt haben, die zum endgültigen Totalschaden aller Betriebssysteme in der Mannschaft geführt hat.

Diesen Totalschaden kann nicht einmal Ruthenbeck abwenden. Das kann nur die Mannschaft selbst – intern und mithilfe der wenigen Führungsspieler, die noch verblieben, fit und einsatzbereit sind. Diese Spieler müssen sich nun für das Spiel gegen den SC Freiburg zusammenraufen und intern klar machen: Stöger ist weg, und egal wer jetzt der Trainer ist, es geht nur darum, die eigene Würde und Ehre wiederherzustellen. Ruthenbeck ist nur der Verwalter des Chaos, die Gestaltung auf dem Rasen müssen die Spieler übernehmen. Entweder sie schaffen es gegen Freiburg von ganz alleine, oder 1. FC Köln ist reif für einen anderen physikalischen Impuls: jenen der sich aufeinander zu bewegenden Kräfte einer Schrottpresse.

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