Rafael Czichos auf St. Pauli. (Foto: GBK)

“Das darf uns gegen Teams mit hoher Qualität nicht passieren”

[nextpage title=”Herr Czichos, was bedeutet eigentlich Restverteidigung?”]

Rafael Czichos sagt: “Man hat mir nachgesagt, dass es für höhere Ligen nicht reicht.” Diesen Kritikern beweist der Innenverteidiger des 1. FC Köln nun das Gegenteil. In kürzester Zeit ist der 28-Jährige zum Abwehrchef der Geissböcke aufgestiegen. Der GEISSBLOG.KOELN traf den Neuzugang.

Das Interview führte Marc L. Merten

GBK: Herr Czichos, sind Sie mit dem Saisonstart zufrieden?

RAFAEL CZICHOS: Wir hätten in der einen oder anderen Situation souveräner auftreten können. Wir hatten Phasen, in denen wir uns mit eigenen Fehlern selbst Probleme bereitet haben. Der Punktverlust gegen Union war unnötig. Aber zehn Punkte aus vier Spielen plus das Weiterkommen im Pokal – da kann man nicht meckern.

Aktionen, die eigentlich nicht gut sind, gelingen trotzdem

Sie kennen das neue Spielsystem bereits aus Kiel. Wenn Sie den Finger in die Wunde legen: Wo hakt es noch?

Jeder Spieler hat es verinnerlicht, das glaube ich schon. Aber wir machen natürlich noch Fehler, wir sind noch nicht bei 100 Prozent. Andererseits ist da die Qualität der Mannschaft. Das Niveau der einzelnen Spieler ist so hoch, dass wir das ein oder andere Problem darüber ausgleichen können. Aktionen, die eigentlich nicht gut sind, gelingen trotzdem, weil sich Spieler im Eins gegen Eins aus Situationen befreien können, in die sich selbst reingebracht haben.

Das Motto scheint zu lauten: Mehr Tore schießen als kassieren. Fühlt es sich für Sie schon so an wie in Kiel?

Als ich in Hamburg irgendwann gesehen habe, es steht 4:3, habe ich mich tatsächlich an letztes Jahr erinnert. Es scheint der gleiche Fußball zu sein, aber wir wollen nicht jedes Spiel drei Gegentore kassieren, auch, wenn wir fünf schießen. Wir wollen immer ohne Gegentor bleiben.

Was bisher nur einmal geklappt hat. Woran liegt das?

Wir müssen nicht nur die Defensive stellen, wenn der Gegner den Ball hat, sondern mit der kompletten Mannschaft Druck aufbauen. Denn wir wollen nicht in Konter geraten. Das darf uns vor allem gegen Mannschaften mit hoher Qualität nicht passieren. Der Trainer erklärt uns in jeder Videoanalyse, wie wichtig die Restverteidigung ist. Daran müssen wir ansetzen.

Man merkt, dass Jorge aus der spanischen Schule kommt

Können Sie erklären, was Markus Anfang mit Restverteidigung meint?

Im Falle eines Ballverlusts sollten wir so stehen, dass wir auf die angreifende Mannschaft sofort wieder Zugriff haben. Ich darf mich als Verteidiger nicht zurücklehnen und einfach nur zugucken, wie wir angreifen, sondern muss immer im Blick behalten, wo der gegnerische Stürmer ist. Wir müssen sofort dran sein, wenn der Ball geklärt wird. Das ist schwierig: Wenn ich mich fragen muss „Oh, wo ist mein Gegenspieler?“, ist das meist die halbe Sekunde, die ich zu spät bin.

Sie haben alle fünf Spiele gemacht, zwei davon mit Lasse Sobiech neben sich, drei mit Jorge Meré. Wie unterscheiden sich die beiden?

Lasse ist in unserer Mannschaft der aggressivste Verteidiger. Er fliegt in jeden Zweikampf und sucht bewusst den Körperkontakt. Jorge ist mehr der Spieler, der das mit Auge macht und übers Stellungsspiel kommt. In der Spieleröffnung haben beide viel Ruhe. Da merkt man schon, dass Jorge aus der spanischen Schule kommt, wo es ums Kicken geht, um viele Pässe, um das überlegte Spiel von hinten heraus.

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Man hat mir nachgesagt, dass es für höhere Ligen nicht reicht

Kommen wir zu Ihnen persönlich: Sie wurden schon häufiger mit 28 Jahren als Spätstarter bezeichnet. Wie denken Sie darüber?

Ich bin einen anderen Weg gegangen als wohl 90 Prozent der heutigen Fußballer. Ich bin stolz da zu sein, wo mich vor acht Jahren wohl niemand gesehen hätte. Man hat mir nachgesagt, dass es für höhere Ligen nicht reicht. Das ist für mich die Motivation, denjenigen das Gegenteil zu beweisen.

Armin Veh sagte, ihn wundere es, dass Sie niemand schon früher gescoutet hätte.

Jeder Schritt, den ich zum jeweiligen Zeitpunkt gegangen bin, war der richtige – und der höchste Schritt, den ich hätte gehen können. Ich habe mich überall durchgesetzt und hoffe, dass ich das auch hier schaffe – trotz meines schon hohen Alters. (lacht) Ich habe nie strategisch gedacht: erst Regionalliga, dann Dritte Liga, dann Jahr Zweite Liga, dann Bundesliga. Für mich war immer das Motto: so hoch, wie es geht – so schnell, wie es geht. Einfach das, was möglich ist.

Immer mehr Spieler inszenieren sich inzwischen als Marke. Wäre das auch was für Sie?

Nein, ich bin eher zurückhaltend, nicht mehr in den sozialen Netzwerken vertreten…

Das wäre nicht authentisch

Nicht mehr?

Das Familienleben ist mir wichtiger als das Leben im Internet. Privat bin ich Familienvater und verbringe so viel Zeit wie möglich mit meiner Familie. Das ist das Wichtigste. Als Fußballer konzentriere ich mich darauf, hier Erfolg zu haben und den einen Schritt, den ich noch machen möchte, zu gehen. Ich will in die Bundesliga. Dafür ist es egal, ob man 20 Bilder am Tag postet. Ich bin einfach nicht der Typ dafür. Das wäre nicht authentisch.

Sie sind in Saudi-Arabien geboren, haben aber keine wirkliche Erinnerung mehr daran. Inwiefern gehört das Land zu Ihrer Geschichte?

Ich würde gerne mal nach Saudi-Arabien reisen und habe auch mal offiziell angefragt, weil es nicht möglich ist, das Land als Tourist zu besuchen. Man braucht eine Einladung oder einen Job dort. Das ist sehr schade, weil ich gerne mal meinen Geburtsort sehen würde. Mein Bruder war deutlich älter, als meine Familie dort war, und er erzählt viel davon. Wenn mir die Leute nicht sagen würden, dass ich dort geboren bin, würde ich es wahrscheinlich irgendwann vergessen, weil es nie ein Bestandteil meines Lebens war.

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