Pyro im Kölner Fanblock: Das wird erneut teuer für den FC. (Foto: imago/Hübner)

Streit um Regress: Was ist legal und was ist legitim?

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Der 1. FC Köln fordert insgesamt 14.000 Euro von zwei seiner Fans ein. Diese Inregressnahme als Folge des Fahnenklaus im Heimspiel der Geissböcke gegen Borussia Mönchengladbach im vergangenen Januar lässt den Konflikt zwischen dem Klub und seinen Ultras weiter hochkochen. Viele Fans stellen sich die Frage: Was ist legal und was legitim?

Köln – Es herrscht Wahlkampf beim 1. FC Köln. Weniger als einen Monat vor der Mitgliederversammlung der Geissböcke häufen sich die Veranstaltungen und Äußerungen. Mitgliederstammtische hier, Fanclubbesuche dort, offene Briefe im Internet hüben wie postalische Aussendungen drüben. Ob der 1. FC Köln wirklich so gespalten ist, wie es in den letzten Wochen immer wieder zu lesen und zu hören war, wird erst der 10. Oktober in der Lanxess Arena zeigen. Doch die Stimmung ist nach dem Abstieg und dem beendeten Dialog zwischen den Ultras und der Klubführung aufgeheizt.

Dies ist nach der Inregressnahme zweier junger Anhänger nur noch deutlicher geworden. Die Coloniacs und die Wilde Horde veröffentlichten Schreiben, in denen sie den FC-Vorstand scharf kritisierten. Stephan Schell, der Vorsänger der Wilden Horde, gab eines seiner seltenen Interviews (mehr dazu hier). Immer ging es auch, direkt oder indirekt, um die Frage, ob ein solcher Regress nicht nur legal, sondern auch legitim sei. Beide Fragen lassen sich nicht mit einem einfachen Ja der Nein beantworten. Die Antworten beinhalten mehr als einen Verweis auf zwei Urteile des Bundesgerichtshofes. Sie führen tief in die Konflikte des 1. FC Köln hinein.

1. Worum geht es aktuell?

Im FC-Heimspiel im Januar gegen Gladbach rissen zwei FC-Fans eine Zaunfahne vom Gästeblock, rannten über das Spielfeld und verschwanden in der Südkurve. Sie waren mit gefälschten Ordnerwesten gekleidet, hatten so das Stadion betreten und waren in den für sie eigentlich nicht zugänglichen Bereich vor der Nordkurve gelangt. Der Deutsche Fußball-Bund legte daraufhin eine Strafe in Höhe von 50.000 Euro für den 1. FC Köln fest, weil dieser Vorfall offensichtliche Lücken im Sicherheitskonzept offenbart hatte.

Unterstützer der Aktion nannten diese einen gelungenen Lausbubenstreich, bei dem niemand zu Schaden gekommen war. Der DFB sah dies anders. Er bewertete nicht nur die Tat an sich, sondern auch die erweiterten Umstände und Folgen: das Sicherheitsleck, der versuchte Platzsturm der Gladbach-Fans, den anschließenden Polizeieinsatz zwischen Nord- und Südkurve, um eine Massenschlägerei zu verhindern, das Nicht-Eingreifen der Ordner bei der Flucht der beiden Kölner Fans. All dies führte im Gesamten zu einer Strafe von 50.000 Euro, von denen der FC nun 14.000 Euro von den beiden identifizierten Personen zurückfordert.

2. Darf der FC die Personen in Regress nehmen?

Rückblick: Nach der Schwarzen Wand im Mai 2012 belief sich der Schaden der Geissböcke nebst dem Abstieg auf über eine Million Euro durch den Teilausschluss, den der DFB als Folge der gravierenden Ausschreitungen am Tag des Abstiegs verhängte. Infolgedessen entschied der damals finanziell angeschlagene FC prüfen zu lassen, ob der Klub Teile der Schäden von identifizierten Störern einfordern könne. Beim FC ging man zwar nicht davon aus, dass die Gerichte für die Geissböcke entscheiden würden. Doch man wollte Rechtssicherheit – und bekam sie. Der Bundesgerichtshof entschied höchstrichterlich, dass der FC den Regress durchziehen darf.

[nextpage title=”Muss der FC den Regress auch durchziehen?”]

3. Strafen gegen Unternehmen und Privatpersonen

Der BGH entschied allerdings nicht nur, dass der FC die Fans in Regress nehmen darf, sondern klärte in einem zweiten Verfahren auch die Strafhöhe. Der FC ließ sich so bestätigen, wie mit den augenscheinlich willkürlichen Strafen durch den Deutschen Fußball-Bund im Fall eines Regresses verfahren werden könne. Dieses Urteil über die Höhe der Strafen erlangte besondere Bedeutung, weil FC-Fans erklärten, willkürliche Strafen gegen ein mittelständisches Unternehmen wie den FC dürften nicht in ähnlicher Höhe an Privatpersonen weitergegeben werden. Dies sei unverhältnismäßig. Dem widersprach der BGH und legte einen Schlüssel fest, wonach dies nun sehr wohl möglich ist – aller Kritik an der Sportgerichtsbarkeit des DFB zum Trotz.

4. Muss der FC die Strafen durchsetzen?

Die Rechtssicherheit hat der FC – damit ist die Inregressnahme höchstrichterlich legal. Doch ist sie auch legitim? Oder könnte nicht der FC auf den Regress verzichten? Die Geissböcke argumentieren aus unternehmerischer Sicht. Demnach hat die Geschäftsführung der durch den DFB bestraften Lizenzspielerabteilung – also Armin Veh und Alexander Wehrle – die Pflicht, Schaden vom Unternehmen fern zu halten und darüber hinaus berechtigte Forderungen gegenüber anderen Personen geltend zu machen und durchzusetzen. Darüber hinaus soll der Regress abschreckend für weitere Taten wirken.

An dieser Stelle tritt der Konflikt mit den Fans und insbesondere mit den Ultras offen zutage. FC-Capo Schell sagte dazu in der Süddeutschen Zeitung: “Es geht nicht darum, dass wir keine Verantwortung für unser Handeln übernehmen wollen. Aber hier reichen die Strafgesetze vollkommen aus. Wofür es noch einer parallelen Gesetzgebung vom DFB bedarf, erschließt sich mir nicht. Wir haben so einen Fall in Köln: Vom Verein wird ein Fan in Haftung genommen, der nicht von einem ordentlichen Gericht verurteilt worden ist. Ein Sportgericht braucht es für Blutgrätschen und Doping, aber nicht für Fanverhalten.”

In das gleiche Horn hatte bereits am Freitag die Wilde Horde in einer Stellungnahme gestoßen. “Eine Vereinsführung, welche es für richtig hält, 14.000 Euro von zwei Anfang zwanzigjährigen Fans zu fordern, denen vorgeworfen wird, dass sie ein Stück Stoff geklaut haben, obwohl diese noch nicht einmal dafür vor einem ordentlichen Gericht standen, geschweige denn verurteilt sind, ist in diesem Verein komplett fehl am Platz.”

[nextpage title=”Ein Wiederholungstäter und ein geplatzter Dialog”]

5. Wer wurde in Regress genommen?

Über die zwei Personen gab der 1. FC Köln nichts bekannt. Nach einem Bericht der Bild handelt es sich bei einer der beiden Personen um den Sohn eines Kölner Immobilien-Millionärs, dessen Vermögen laut Forbes auf rund 400 Millionen Euro beziffert wird. “Das, was ich erlebe, wünsche ich keinem”, sagte der Vater, nachdem sein Sohn kürzlich zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden war. Der 21-Jährige soll neben dem Fahnenklau im Gladbach-Spiel auch bei Ausschreitungen in Leverkusen sowie unter den Angreifern in Köln-Bocklemünd auf den Fanbus von Union Berlin gewesen sein. Nun muss er dem 1. FC Köln ein Teil der DFB-Strafe zurückzahlen.

6. Das sagen Verein und Ultras zum gescheiterten Dialog

Die Regressforderungen haben das Klima zwischen beiden Parteien nur noch mehr vergiftet. Die Wilde Horde wirft dem Vorstand vor, dass sie “der Öffentlichkeit vorlügt, dass man die Ultras zum Dialog bewegen möchte, aber sich erhofft, diese mit als letzten Störfaktor für die eigenen größenwahnsinnigen Pläne beseitigen zu können”.

Thomas Schönig, FC-Vorstandsbeauftragter für Fankultur, hingegen erklärte auf GBK-Nachfrage: “Werner Spinner hat sich jahrelang im Dialog mit den Ultras extrem engagiert und sich für die Ultras bis hin zum DFB weit aus dem Fenster gelehnt – und im Gegensatz zu manchen Funktionären, die solche Dialoge nur unter äußerem Druck führen, hat er es auch ernst gemeint. Deshalb ist es enttäuschend, dass auch er nun nur noch als Gegner betrachtet wird.”

Andreas Kafitz, Leiter der FC-Stadionverbotskommission, erklärte auf GBK-Nachfrage: “Wir haben nichts gegen Ultras. Wir haben etwas gegen gewaltbereite Störer und Menschen, die dem Verein massiv schaden. Das sind Störer, egal, ob sie einer Gruppe angehören oder nicht. Selbstverständlich kann über viele Themen immer diskutiert werden. Über Gewalt und den Einsatz von Pyrotechnik nicht.”

7. Fazit

Das Klima ist aktuell maximal vergiftet, der Wahlkampf vor der Mitgliederversammlung tobt. In der Regress-Frage hat die deutsche Gesetzgebung dem 1. FC Köln und allen Klubs in Deutschland Recht gegeben und auch die Höhe definiert. Damit ist ein Regress legal. Ob er legitim ist, bleibt wohl eine Frage der Einzelfallentscheidung. Im Falle des Millionärssohnes, der schon mehrfach auffällig geworden ist, dürfte es beim FC allerdings keiner langen Entscheidungsfindung bedurft haben. Der 10. Oktober wird zeigen, welche Kräfte im Klub die Oberhand behalten oder gewinnen werden. Dann dürfte auch das Thema Regress noch einmal heiß diskutiert werden.

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