Vor dem Spiel in Sandhausen: Beide Teams werben für die EM-Bewerbung 2024 des DFB. (Foto: imago/Bermes)

United by Money: Der Missbrauch der Fan-Stimme

Die EM 2024 soll in Deutschland stattfinden. Zumindest, wenn es nach dem Willen des Deutschen Fußball-Bundes, seines Präsidenten Reinhard Grindel und OK-Chef Philipp Lahm geht. Unter dem Slogan “United by Football” wirbt Deutschland um die EM. Worte, die wie Hohn klingen.

Ein Kommentar von Marc L. Merten

“United by Football. Vereint im Herzen Europas.” stand am vergangenen Wochenende auf den Schildern, hinter denen die beiden jeweiligen Teams aller Begegnungen der Bundesliga und Zweiten Liga posieren mussten. Eine Botschaft an die Fans in ganz Europa, nach Deutschland zu kommen, um 2024 das nächste Sommermärchen zu erleben, obwohl das letzte inzwischen Schimmel angesetzt hat. Die beste Antwort auf diesen Slogan gaben die Fans des VfB Stuttgart. Zeitgleich hielten sie ein anderes Schild hoch: “United by Money”.

Der Deutsche Fußball-Bund benutzt dieser Tage die Fans, von denen er sich meilenweit entfernt hat, um für die EM 2024 zu werben. Es ist zu befürchten, dass diese Scheinheiligkeit sogar noch Erfolg haben wird. Obwohl Reinhard Grindel es zuletzt mit dem ihm ureigenen Dilettantismus geschafft hatte, den DFB im schlechtestmöglichen Licht zu präsentieren. Obwohl die Bestechungsaffäre des DFB um die WM 2006 längst nicht aufgeklärt, sondern vielmehr zu vertuschen versucht wurde. Obwohl die Affäre um Mesut Özil noch immer schwelt und nun schon wieder DFB-Funktionäre versuchen, diese für beendet zu erklären, anstatt sich der Diskussion zu stellen.

Es ist eigentlich alles angerichtet für einen unwürdigen Showdown, wie es ihn zuletzt im Dezember 2010 gegeben hat, als Sepp Blatter die WM 2018 und 2022 nach Russland und Katar vergab: Deutschland oder die Türkei – so lauten die Optionen. Ein kurz vor der Implosion stehender Fußballverband auf der einen und ein von einem Autokraten regiertes Land auf der anderen Seite. Zwei Länder, die sich an der Causa Mesut Özil seit Monaten gegenseitig aufreiben. Und all das ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, da Recep Tayyip Erdogan auf Staatsbesuch und Wahlkampftournee in Deutschland weilt. Am Donnerstag, wenn Erdogan und Bundeskanzlerin Angela Merkel über die Krisen der Welt sprechen werden, wird die UEFA ihre Entscheidung bekannt geben.

Ob die UEFA am Dienstag und Mittwoch auch noch einmal genau hinschauen wird in Deutschland? Dann, wenn zehntausende Fans der aktiven Szene in den Erst-, Zweit- und Drittliga-Stadien bundesweite Proteste gegen den DFB durchführen werden? Die aktive Fanszene mag nicht die gesamte Fußball-Fanszene Deutschlands repräsentieren, sie mag polarisieren. Doch ohne sie wäre Deutschland kein so attraktiver Fußball-Standort, der weltweite Anerkennung genießt. Seit Jahren hat sich der Deutsche Fußball-Bund von genau dieser Szene immer weiter losgesagt. Nun hofft er, dass ihr Ruhm zum Vorteil gegenüber der Türkei beitragen wird. Eine nachvollziehbare wie durchsichtige Hoffnung, die mit einem verlogenen Slogan symbolisiert wird. Dabei sind der DFB und die Fußballfans in Deutschland längst alles, nur nicht mehr “United by Football”.

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