Der 1. FC Köln hat einen neuen Vorstand: Werner Wolf, Eckhard Sauren und Jürgen Sieger werden von den Mitgliedern mit 78,2 Prozent der Stimmen gewählt. Auf der Versammlung erleben die Mitglieder zwar einen unwürdigen Abgang von Markus Ritterbach und Toni Schumacher. Das neue Präsidium jedoch geht gestärkt in ihre dreijährige Amtszeit. (Foto: Bucco)

Sehnsucht nach Ruhe

Der 1. FC Köln will zur Ruhe kommen. Nach der Mitgliederversammlung wird dies eine große Aufgabe für den neuen Vorstand. Das neue Präsidium legte keinen Traumstart hin, deutete aber an, einiges anders machen zu wollen. Für den FC könnte dies endlich mal wieder spürbar anders werden. Doch schon am Samstag wartet eine Bewährungsprobe: das Derby.  

Ein Kommentar von Marc L. Merten

Der Duden gibt uns vier Begriffsdefinitionen der “Ruhe”: Erstens ein “durch kein [lärmendes] Geräusch und lebhaftes Treiben gestörter Zustand”. Zweitens ein “Zustand erholsamer, beschaulicher Untätigkeit”. Drittens ein “durch keinerlei Unfrieden, keinen Kampf, Streit o. Ä. beeinträchtigter [normaler] Zustand”. Viertens ein “durch keine Erregung gestörter Zustand des seelischen Gleichgewichts”. Für den Wunsch des 1. FC Köln nach Ruhe trifft freilich die erste ganz sicher nicht zu, schon gar nicht vor oder während eines Derbys gegen Borussia Mönchengladbach. Die zweite Definition, in Bezug auf die “Untätigkeit”, ist nicht erwünscht, vor allem dann nicht, wenn es um die Abwehr der Geissböcke geht. Sehr wohl aber treffen Punkt drei und vier ins Schwarze, wenn es um die Hoffnung des neuen Vorstands geht, nach der Wahl vom Sonntag einen Status der Ruhe zu erreichen ohne Unfrieden, ohne Erregung, sondern im Gleichgewicht.

Ob es Werner Wolf, Jürgen Sieger und Eckhard Sauren gelingen wird, diese Ruhe zu erreichen, werden erst die kommenden Monate zeigen. Am Sonntag machten sie einen Anfang, wenn auch keinen gänzlich überzeugenden. Das lag freilich daran, dass öffentliche Reden vor großem Publikum nicht zu den Stärken des neuen Präsidiums gehört. Menschenfänger sind sie nicht. Das aber wollen sie auch nicht sein – und geben es auch nicht vor. Wolfs Selfie-Aussage beweist (mehr dazu hier) vielmehr eine Portion realistischer Selbsteinschätzung, die dem FC gut zu Gesicht stehen könnte. Das neue Trio an der Spitze des FC will vornehmlich inhaltlich überzeugen, fachlich und eher im persönlichen Gespräch als auf großer Bühne. Wolf, Sieger und Sauren wollen ein Gegenentwurf sein zum Zustand des vergangenen Vorstands in den letzten zwei Jahren. Zuhören soll zu einer der Kernkompetenzen des neuen FC-Vorstands zählen.

Große Aufgaben für das neue Präsidium

In den letzten Monaten war noch einmal deutlich geworden, dass das alte Präsidium vornehmlich von Werner Spinner getragen worden war. Zwar konnte Toni Schumacher wie kaum ein Zweiter in den Fanklubs und in der Fußballwelt für den FC werben. Doch weder Markus Ritterbach noch der einstige Weltklasse-Torhüter waren in der Lage gewesen, ohne den streitbaren, aber unternehmerisch und strategisch denkenden Spinner Akzente zu setzen oder den FC zu lenken. Ein “Weiter so” hätte den Klub wohl in eine noch tiefere Spaltung gezogen.

Was nicht automatisch bedeutet, dass Wolf, Sieger und Sauren diese Spaltung werden überwinden und die Wunden heilen können. Die Aufgabe ist groß, sie zu bewältigen wird viel Zeit benötigen. Das Trio wird Vertrauen aufbauen und bestätigen müssen, wird sich auch den Kritikern offen stellen müssen, um diese für die gemeinsame Sache, für den FC, zu gewinnen. Das neue Präsidium wird weitsichtige Entscheidungen treffen sowie den Geschäftsführern freie Hand und dabei die nötigen Werkzeuge an die Hand geben müssen, um den FC in der Bundesliga zu stabilisieren, in Köln zu positionieren und infrastrukturell sowie wirtschaftlich zukunftsfähig aufzustellen. Und all das muss gelingen in einer Zeit, in der der Vorstand genauso wie der gesamte 1. FC Köln etwas benötigen wird, das das Trio in den kommenden Wochen und Monaten kaum wird beeinflussen können: sportlichen Erfolg.

Das Derby als erste Bewährungsprobe

So sehr der Vorstand seine Arbeit versuchen wird zu machen, so sehr wird die Stimmung am Geißbockheim auch und im großen Stile vom Verlauf der Bundesliga-Saison abhängig sein. Wolf, Sieger und Sauren brauchen diesen sportlichen Erfolg, zu dem sie kaum etwas werden beitragen können. Stellt sich dieser ein, das wissen auch Spinner, Schumacher und Ritterbach aus Erfahrung zu berichten, fällt beim FC vieles leichter. Bleibt dieser aus, weht bekanntlich schnell ein eisiger Wind durch den Grüngürtel. Das trifft umso mehr zu, da ein Derby vor der Tür steht, das neben der sportlichen Komponente auch eine Fan-Rivalität beinhaltet, die in ihrer Historie weite, wilde und unschöne Auswüchse kennt. Die Hoffnung auf Ruhe beim FC betrifft daher ganz konkret bereits den bevorstehenden Samstag. Der sportliche Erfolg würde helfen. Die Ruhe zwischen den Fan-Gruppierungen wäre für den Vorstand aber aktuell wohl genauso viel wert wie drei Punkte in der Bundesliga.

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