Frühe taktische Änderungen: Markus Gisdol gibt Anweisungen. (Foto: imago images / Poolfoto)

Ist das schon eine Krise oder nur die Corona-Delle?

Der 1. FC Köln hat erstmals unter Markus Gisdol vier Spiele in Folge nicht mehr gewonnen. Das muss kein grundsätzliches Problem sein, doch die Art und Weise der letzten Wochen lässt die Alarmglocken schrillen. Die Geisterspiele bekommen den Geissböcken bislang nicht. Ob es sich dabei um eine Krise oder nur eine Corona-Delle handelt, müssen die Spieler nun schleunigst beantworten. Genauso wie die Frage, warum der FC in dieser Saison nur Krise oder Höhenflug kennt – und nichts dazwischen.

Ein Kommentar von Marc L. Merten

Ein kurzes Wort zu Europa sei noch erlaubt: Der Kampf um Platz sieben und sechs ist ein Rennen im Schildkröten-Modus. Anthony Modeste müsste wissen, was gemeint ist. Einzig der VfL Wolfsburg (nur eine Niederlage aus neun Spielen) ist in Form. Der SC Freiburg (nur zwei Siege aus zehn Spielen), der FC Schalke 04 (nur vier Punkte aus zehn Spielen) und die TSG Hoffenheim (vor dem Spiel gegen Köln sieben Spiele ohne Sieg) befinden sich in der Rückrunde in Europa-unwürdiger Verfassung. Dass nun ausgerechnet Hertha BSC am FC vorbeigezogen ist und noch in dieses “Rennen” um Europa einsteigen könnte – und das nach dieser Saison des Chaos-Klubs in Berlin – ist eine Peinlichkeit für die Liga. Der FC hat sich dagegen selbst wieder aus dem Kandidatenkreis heraus manövriert. Vielleicht hätte man am Geißbockheim doch den Mut haben und das Ziel Europa ausrufen müssen.

Denn aktuell spielt Köln, als fehle es an einem solchen Ziel. An etwas, das man noch erreichen will. So, wie der FC die Geisterspiele bestreitet, scheint niemand ernsthaft an eine Rückkehr nach Europa geglaubt zu haben. Stattdessen ist eine besorgniserregende Schlafmützigkeit zurückgekehrt, die es unter Gisdol lange nicht mehr gegeben hat und die zu Saisonbeginn in die erste Krise geführt hatte. Alte Muster sind wieder zu erkennen, die das Trainerteam geglaubt hatte den Spielern ausgetrieben zu haben. Unter Achim Beierlorzer hatte man sich immer wieder von den guten Phasen in den Spielen blenden lassen und erklärt, alle Qualitäten seien vorhanden, man müsse sie nur endlich mal über 90 Minuten auf den Platz bringen. Doch genau das macht Krisen aus: Auch in Krisenzeiten ist nicht alles schlecht, nur überwiegen die Mängel eben das Gute. Beim FC ist dies seit Beginn der Geisterspiel-Zeit klar erkennbar.

Diesmal können die Fans den Spielern nicht helfen

Markus Gisdol weiß das. Er spürt es. Die Spieler wohl auch. Es herrscht Redebedarf. Noch steckt der FC nicht erneut in einer handfesten Krise. Noch handelt es sich “nur” um eine Delle, die jedem Klub passieren kann. Doch die Leichtigkeit, der Spaß, die Energie, die Überzeugung, die – Verzeihung – Geilheit auf kollektiven Erfolg -, all das, was den FC über Wochen so stark und fast unverwundbar gemacht hatte, ist weg, verloren gegangen auf den leeren Zuschauerrängen, aus denen die Spieler zuvor so viel Kraft gezogen hatten. Nun muss die Kraft aus dem eigenen Inneren kommen. Nicht die Südkurve, kein bebendes Stadion wird den Kölner in den nächsten Spielen helfen können wieder in die Spur zu finden. Das müssen sie selbst schaffen.

Normalität ist ein schwieriger Begriff

Das Gute ist: Gisdol hat mit seiner Mannschaft bereits eine Krise gemeistert. Jene direkt zu Beginn seiner Amtszeit, als der Trainerwechsel bereits zu verpuffen schien. An dieses Gefühl müssen sich alle Beteiligten nun wieder erinnern. Freilich gibt es einen Unterschied: Damals hatte Gisdol noch ausprobiert, hatte seine Mannschaft kennen gelernt, hatte die richtigen Schlüsse gezogen und umgestellt. Jetzt stottert das, was man sich eigentlich gemeinsam erarbeitet hatte. Manches funktioniert noch, manches nicht mehr. Woran das liegt, müssen die Verantwortlichen nun herausfinden. Bislang verlief die Saison in Extremen: die Krise zu Beginn und der Höhenflug vor der Coronavirus-Pandemie. Damit die Coronakrise nun aber nicht zur nächsten FC-Krise wird, braucht es einen neuen Modus. Einen, den es zuletzt, wenn man ehrlich ist, beim FC in der Saison 2016/17 gegeben hat: Normalität. Mal lief es besser, mal schlechter, aber im Prinzip hatte man stets das Gefühl, dass die Kölner alles im Griff hatten. Das Ergebnis dieser Normalität ist bekannt. Was wiederum zeigt, wie schwierig es sein kann normal zu sein.

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