Unser Reporter Marc vor einem Jahr beim Geisterspiel in Mönchengladbach. (Foto: GBK)

Als ich an meinem Geburtstag die Last der Leere spürte

Die meisten von Euch wissen wohl, was sie vor einem Jahr gemacht haben. Am 11. März 2020, dem ersten Geisterspiel der Bundesliga-Geschichte. Der 1. FC Köln bei Borussia Mönchengladbach – ein seltsames Spiel, ein seltsamer Tag. Vor allem, wenn man Geburtstag hatte und im Borussia Park arbeiten musste. So wie ich. Wisst Ihr noch, wie Ihr Euch in den Anfangstagen der Corona-Pandemie gefühlt habt? Für mich änderte sich an diesem Tag alles.

Ein persönlicher Rückblick von Marc L. Merten

Heute werde ich 39 Jahre alt. Nein, das schreibe ich nicht, damit Ihr mir gratuliert. Ich schreibe dies, weil es Tage gibt, die man nicht vergisst. Vor zehn Jahren etwa, am 11. März 2011, war ich im Stadion. Es war ein Freitagabend, es war kalt, doch der FC wärmte mein Herz. Frank Schaefer und die Geißböcke gewannen gegen Hannover 96 mit 4:0. Petit per direkt verwandeltem Freistoß, dazu Poldi und zweimal Nova – es war der sechste Heimsieg in Serie, ein siebter sollte noch folgen. FC-Rekord. Es war ein guter Geburtstag vor fast ausverkauftem Haus.

Wie falsch wir alle lagen!

Sechs Jahre später, am 11. März 2017, durfte ich erstmals an meinem Geburtstag als GEISSBLOG-Reporter ein FC-Spiel sehen. Beim FC Ingolstadt, wo das Stadion vor Spielbeginn wegen eines falschen Feueralarms sogar noch einmal geräumt werden musste, ehe es angepfiffen werden konnte. Es war das Comeback-Spiel von Timo Horn nach langer Verletzung. Das Spiel, in dem er patzte, aber dank Anthony Modestes Doppelpack der FC trotzdem nicht verlor. Ein 2:2 – und einer von am Ende 49 Punkten, mit denen die Geißböcke zwei Monate später nach Europa einzogen. Auch ein Geburtstags-Spiel, das ich nicht vergessen werde. Auch, weil mir Peter Stöger nach der Partie im Presseraum noch gratulierte. Alles andere als selbstverständlich in den heutigen Zeiten. Doch der Österreicher – ein Mann mit Stil, keine Frage.

Und dann wäre da noch der 11. März 2020, mein 38. Geburtstag und der Tag des ersten Geisterspieles in der Geschichte der Fußball-Bundesliga. Ich weiß noch, wie ich in Gladbach ankam, mit dem Auto vorfuhr, noch nie so gut zum Stadion durchgekommen war, weil alle Straßen frei gewesen waren. Im Radio kam die Meldung, Hannover 96 habe die ersten beiden Corona-Fälle. Timo Hübers und Jannes Horn – zwei Ex-Kölner. Wie ich noch darüber schmunzeln musste, dass 96 versuchte die Fälle als zwei voneinander unabhängig auftretende Infektionen zu verkaufen, die nichts mit der Mannschaft zu tun hatten. Wie man versuchte, das nächste Spiel am Wochenende doch noch irgendwie zu retten. Und wie niemand wirklich ahnte, was in den folgenden Monaten kommen würde. Na gut, ein Spieltag würde abgesagt werden, vielleicht ein paar weitere. Nach Ostern würde man weitersehen. Wie falsch wir doch alle lagen!

Ich kam mir vor wie ein Hypochonder

Vor dem Stadion turnten an diesem Tag zwei Typen in Geister-Kostümen herum und trugen Scream-Masken. Sie fanden das witzig. Nur trug sonst niemand irgendeine Maske. Von FFP2 hatte zu diesem Zeitpunkt nur medizinisches Fachpersonal gehört. Trotzdem wurde ich mir erstmals der Gefahr bewusst. Ein leeres Stadion kann einen erdrücken. Wenn niemand da ist, obwohl alle da sein sollten. Wenn das weite Rund plötzlich eine größere Kraft ausstrahlt, als wenn sich dort zehntausende Menschen wie selbstverständlich bewegten. Plötzlich fühlte sich jede Begegnung komisch an. Die Mixed Zone, die Interviews mit den Profis nach dem Spiel, waren ohnehin schon abgesagt worden. Doch die Pressekonferenz fand noch wie gewohnt statt.

Im Medienraum begrüßte man sich zwar nur noch per Faust. Abstand hielten wir aber keinen, das hatte man uns damals noch nicht erklärt. Erst als ein Reporter den Raum betrat, von dem wir alle wussten, dass er aus dem Kreis Heinsberg kam, wurde es plötzlich still und wir uns alle der Lage bewusst. Oder zumindest etwas bewusster. Ich erinnere mich, wie ich nach der Begrüßung erstmals mein Desinfektionsmittel aus dem Rucksack holte – und mir vorkam wie ein Hypochonder. Es überrascht mich heute, dass ich damals überhaupt schon daran gedacht hatte das kleine Fläschchen mitzunehmen. Wir standen schließlich gerade erst am Anfang dessen, was uns heute unnormal normal vorkommt.

Ein Jahr später hat sich die Welt verändert. Ich beispielsweise freue mich über die Nachricht, dass meine Eltern einen Impftermin bekommen haben. Und frage mich, wie schnell die Impfstoffe tatsächlich das Wunder bewirken können, auf das wir alle hoffen. Sollte die Bundesregierung im Jahr des Wahlkampfs tatsächlich dafür sorgen, dass bis zum Ende des zweiten Quartals alle impfbereiten Menschen in Deutschland mindestens ihre Erstimpfung erhalten haben, würde dies womöglich auch für den Fußball Großes bedeuten. Denn dann könnte es sein, dass zur neuen Saison wieder Zuschauer in die Stadien dürften. Und zwar nicht nur ein paar Hundert, sondern tausende. Erinnert Ihr Euch noch daran, wie das war? Und vor allem: Könnt Ihr Euch vorstellen, wie sich ein erster Stadionbesuch bei ausverkauftem Haus wieder anfühlen wird? Ich habe mit dieser Vorstellung noch meine Mühe. Aber ich freue mich darauf.

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