Videoanalyst Hannes Dold, Sportchef Horst Heldt und Aehlig-Nachfolger Lukas Berg. (Foto: Bopp)

Midtjylland und Brentford als Vorbilder für einen neuen 1. FC Köln?

Der 1. FC Köln hat sein Scouting personell neu aufgestellt. Sportchef Horst Heldt will mit den Geißböcken mittelfristig neue Wege gehen. Ob er das über die Saison hinaus darf, steht zwar noch nicht fest. Doch seine Planungen laufen. Eine Rolle, wenngleich nicht als Kaderplaner, soll dabei Lukas Berg spielen. Der neue Leiter Administration Lizenzspielerabteilung soll die Daten und Informationen vorbereiten, was die sportlichen Entscheider nutzen. Dabei schaut sich Berg auch zwei Klubs an, die das Scouting im Profifußball revolutioniert haben. 

Köln – Der FC Midtjylland in Dänemark und der FC Brentford in England sind Vorreiter eines außergewöhnlichen Ansatzes. Die Idee: potentielle Spieler für den Klub finden auf Basis einer maximal detaillierten Datenanalyse mit dem Ziel, diese Kicker kostengünstig zu verpflichten, weil sie bei der Konkurrenz (noch) unter dem Radar laufen, da der überwältigende Teil der Klubs in Europa auf viele Statistiken und Werte bei der Suche nach Neuverpflichtungen nicht oder nur untergeordnet achten. Diese Spieler sollen sich sportlich entwickeln und später für mehr Geld weiterverkauft werden.

120 Mio. Euro Transfer-Überschuss in fünf Jahren

Der englische Zweitligist Brentford, in den letzten 13 Jahren von einem Viertligisten zu einem Premier-League-Anwärter gewachsen, hat mit dieser Methode in den letzten fünf Jahren als unterklassiger Klub insgesamt 120 Millionen Euro Transfer-Überschuss (!) generiert und den Aufstieg in Englands Top-Liga nur zweimal haarscharf verpasst. Klubbesitzer ist ein gewisser Matthew Benham, studierter Physiker und Multimillionär dank eines selbst entwickelten, systematischen Sportwetten-Systems. Mit diesem Reißbrett-Denken versucht er nun auch mit einem Fußballklub Erfolg zu haben. Wobei, nicht nur mit einem, sondern auch mit dem FC Midtjylland, dessen Anteilseigner er seit 2014 ebenfalls ist. Inzwischen wurde Midtjylland dreimal dänischer Meister. Es waren die ersten drei Meistertitel der Vereinsgeschichte. Die Transferbilanz der Dänen seitdem: plus 35 Mio. Euro – für dortige Fußball-Verhältnisse sehr viel Geld.

Sportlicher plus finanzieller Erfolg durch innovatives, Daten-getriebenes Scouting? So mancher Fan des 1. FC Köln könnte sich für seinen Klub wohl kaum Schöneres vorstellen. Nach herausragenden Transferjahren zwischen 2013 und 2017 folgten zahllosen Transferflops, eine planlose Kaderarbeit und Millionengehälter ohne Gegenleistung. Aktuell deutet noch nichts darauf hin, dass der FC sein Scouting in den nächsten Monaten und Jahren tatsächlich nach den Vorbildern Brentford und Midtjylland revolutionieren wird. Zwar wurden Profi- und Nachwuchs-Scouting personell neu aufgestellt und enger verzahnt. Erfolglos-Kaderplaner Frank Aehlig wurde nach Leipzig zurücktransferiert. Und Horst Heldt hat angekündigt, dass der FC eine “perspektivische Kaderplanung” einführen will. Doch diese muss erst noch mit Leben – und mit Daten – gefüllt werden.

Es geht um die Visualisierung relevanter Daten

Ein Ansatz jedoch weist darauf hin, dass sich die Geißböcke zumindest anschauen, was Brentford und Midtjylland seit Jahren richtig und gänzlich anders als andere Klubs machen. Denn Lukas Berg ist damit beauftragt worden, beim FC unter dem Stichwort “Digitalisierung” neue Wege zu finden, wie Scouting und Videoanalyse besser funktionieren können. „Im ersten Schritt geht es um die Visualisierung relevanter Daten, damit man eine gute Entscheidungsgrundlage hat“, erklärte Berg auf GBK-Nachfrage. „Ob das im Scouting, in der Videoanalyse oder im Athletiktraining ist – es geht darum, wie wir die bereits existierenden Methoden und Datenquellen zusammenführen können, um daraus Erkenntnisse zu gewinnen.“

Im Gespräch mit dem GEISSBLOG.KOELN nutzte Berg mehrfach den Begriff “Maximalausprägung”. Man müsse sich die Methoden aus Brentford oder Midtjylland anschauen, da diese das datengetriebene Scouting maximal ausreizen würden. Daraus könne man dann ableiten, was für den 1. FC Köln sinnvoll und umsetzbar wäre. Noch immer, und das weiß auch Berg, ist die Datenanalyse im Fußball im Vergleich zu anderen Sportarten noch immer rudimentär. Immer wieder staunen Experten anderer Sportarten mit deutlich geringeren finanziellen Mitteln darüber, wie wenig der Fußball aus seinen monetären Möglichkeiten macht und stattdessen in alten Verhaltensmustern gefangen bleibt. Zwar nutzen im Bereich der Digitalisierung in Deutschland führende Klubs wie Hoffenheim oder Bayern München die Angebote führender Anbieter wie SAP Sports One. Andere Klubs hinken dem jedoch weit hinterher, auch der FC.

Die Daten existieren: Sie müssen nur verstanden werden

Berg soll dies ändern. Nicht als Kaderplaner, sondern als eine Art Projektmanager für den Bereich der Digitalisierung des Scouting-Bereichs. Wie schnell diese Veränderung voranschreiten wird, ist nicht vorhersehbar. Genauso wenig, ob der FC am Ende tatsächlich auf die vielen Daten zugreifen wird, die es längst in vielen Ländern nicht nur in den Profi-Ligen gibt, sondern teilweise hinunter bis zu den B-Junioren. Zahlreiche Firmen, national wie international, sammeln bereits seit Jahren eine Fülle an Daten und Informationen über jeden Spieler, dessen Leistungen digital erfasst werden können. Über diese Daten nicht nur zu verfügen, sondern sie auswerten, verstehen und in Handlungsempfehlungen umwandeln zu können, darauf haben sich Klubs wie Brentford und Midtjylland mit Erfolg spezialisiert. Man darf gespannt sein, ob der 1. FC Köln aus der aktuellen Not eine Tugend macht und sich an solchen Klubs bereit ist zu orientieren.

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