Der 1. FC Köln steht vor einer Zerreißprobe. (Foto: Bucco)

Der Klub der Beschädigten

Der Sport-Geschäftsführer ist entlassen, der Cheftrainer ausgewechselt: Verblieben auf der Führungsetage des 1. FC Köln sind der Vorstand, Geschäftsführer Alexander Wehrle, der Gemeinsame Ausschuss und der Mitgliederrat. Doch all diese Instanzen sind schwer beschädigt. Der ganze Klub wankt. Der GEISSBLOG analysiert den Zustand der handelnden Personen und Gremien.

1. Präsident Werner Wolf

Werner Wolf war mit dem Slogan angetreten: “Gemeinsam gewinnen alle.” Gemeinsam passierte in der bisherigen Amtszeit des Vorstands allerdings fast nichts. Nicht die zahlreichen Trennungen (Sieger, Veh, Beierlorzer, Kaufmann, Gisdol, Heldt), nicht die ständigen Fehden mit Geschäftsführer Wehrle, nicht die Auswahl von Carsten Wettich als Nachfolger von Jürgen Sieger, nicht das Einfangen der E-Mail-Affäre um Stefan Müller-Römer, nicht der inzwischen angespannte Austausch mit Teilen des Mitgliederrates und schon gar nicht der Austausch mit den Fans und Mitgliedern. Wolf tauchte mit Beginn der Corona-Krise ab. Ein Präsident, der keinen Kontakt mehr zur Geschäftsstelle hielt, es nicht für nötig befand, sich von Angesicht zu Angesicht mit Friedhelm Funkel auszutauschen, der sich nicht mehr beim Training blicken ließ und am Montag auf der Pressekonferenz ein fahriges Bild voller Widersprüche und Ausreden abgab. Niemand weiß, was der Vorstand seit über einem Jahr im Hintergrund macht, weil Wolf selbst auf virtuellen Mitgliederstammtischen nicht konkret wurde. Das Informationsvakuum um diesen Vorstand ist eng mit dem Präsidenten verbunden, den viele Mitglieder inzwischen für eine Fehlbesetzung halten. Vor allem, weil niemand weiß, wofür er steht und was er überhaupt macht.

Mitschuld? Woran jetzt?

2. Vizepräsident Eckhard Sauren

Eckhard Sauren gilt als der Finanzexperte im Vorstand, ist öffentlich aber für die Bewertung der sportlichen Belange zuständig. Das ist insofern ein Problem, als dass Sauren selbst erklärt, der Vorstand brauche für diese sportlichen Belange das zweiköpfige Berater-Gremium. Sauren ist noch der eloquenteste eines rhetorisch überforderten Präsidiums, und so übernahm er am Montag auf der Pressekonferenz auch den Löwenanteil der Redezeit. Das Problem: Dabei verwickelte auch er sich wie Wolf in Widersprüche und tätigte teils verheerende Aussagen. Auf die Frage, ob der Vorstand eine Mitschuld an der vergangenen Saison trage, fragte Sauren zurück: “Mitschuld? Woran jetzt?” Dabei hatte Wolf im März noch im GEISSBLOG erklärt: “Wenn du an der Spitze stehst, bist du in letzter Konsequenz für alles verantwortlich.” Davon war am Montag nichts zu hören.

3. Interims-Vizepräsident Carsten Wettich

Wolf und Sauren halten große Stücke auf Wettich. So große, dass sie den Wirtschaftsanwalt inzwischen als die treibende Kraft und den Kopf des Vorstands betrachten. Das ist insofern bemerkenswert, als dass der eigentliche Mitgliederrats-Chef nur interimistisch für Sieger in den Vorstand aufgerückt war und die Führung eigentlich von Wolf ausgehen müsste. Klar ist aber auch: Wettich hatte zusammen mit Müller-Römer diesen Vorstand ausgesucht, und es war vor allem dieses Duo, das 2019 Wolf, Sauren und Sieger durchsetzte. Jetzt soll Wettich am 17. Juni auf der Mitgliederversammlung als Vize bestätigt werden. Doch der Jurist weiß: Ein Votum für ihn ist längst nicht sicher, schon gar kein gutes. Und so war es auffällig, dass Wettich weder am Montag auf der Pressekonferenz saß und sich den Fragen der Medienvertreter stellte, noch am Mittwoch, als der Vorstand zu einem Medientreffen geladen hatte. Wettich ließ sich stattdessen in der Dokumentation 24/7 FC als Fan-naher Verantwortlicher inszenieren und soll im Rahmen virtueller Mitgliederstammtische auftreten. Inzwischen ist klar: An seiner Wahl oder Nicht-Wahl (und dem tatsächlichen Wahlergebnis) hängt die Zukunft des gesamten Vorstands.

4. Geschäftsführer Alexander Wehrle

Nach seinen unverhohlen kritischen Äußerungen am Montag gegenüber dem Vorstand befindet sich Alexander Wehrle in einer außergewöhnlichen Position. Einerseits ist er als alleiniger Geschäftsführer ab sofort der mächtigste Mann am Geißbockheim. Ohne ihn geht nichts mehr, insbesondere, weil der Vorstand in ihm den Schlüssel zur Lösung der finanziellen Probleme sieht. Andererseits ist Wehrle auf Führungsebene isoliert. Ein Mann, der dem FC zwar die Treue geschworen hat, aber nur mit dem Hinweis, dass ihn der Vorstand nicht hat zum VfB Stuttgart wechseln lassen. Er muss sich nicht zum ersten Mal für die zahlreichen Verträge verantworten, die den FC so schwer belasten. Nun muss er auch neue Verträge absegnen, die er zwar mit aushandeln, für deren sportliche Ausrichtung aber Interims-Sportchef Jörg Jakobs verantwortlich sein wird, ohne jedoch echte Verantwortung in Form von Unterschriftsberechtigung übernehmen zu müssen. Sollten also auch die nächsten Transfers schief gehen, stünde Wehrle an vorderster Front alleine da.

Da reden wir also nur über Geld und über sonst nix

5. Gemeinsamer Ausschuss

Im Mittelpunkt der Gremien-Debatte beim FC steht der Gemeinsame Ausschuss. Die drei Vorstände, die zwei Mitgliederrats-Chefs sowie Aufsichtsrats- und Beirats-Vorsitzende segnen im “GA” alle großen Entscheidungen der Geschäftsführung ab. Gleichzeitig, und das wird oft vergessen, legt das siebenköpfige Gremium den budgetären Gesamtrahmen fest, an den sich die Geschäftsführung (sitzt nicht im GA) halten muss. Dass Horst Heldt also im vergangenen Sommer 20 Millionen Euro in Spieler investieren durfte, konnte nur passieren, weil der GA ihm dies vorher gestattet hatte. Die Mitglieder im GA haben zwar nicht die Aufgabe zu beurteilen, ob ein Sportchef einen Linksverteidiger oder einen Rechtsaußen holen soll oder ob ein ausgewählter Spieler die nötigen fußballerischen Qualitäten mitbringt. Das obliegt dem Sportchef. Sehr wohl aber entscheidet der GA, ob ein Transfer- oder Spielervertrag die vorgegebenen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen erfüllt. Und gerade in dieser Hinsicht hat der GA in den letzten Jahren immer wieder versagt. Jüngere Beispiel sind der 5-plus-5-Jahres-Vertrag von Anthony Modeste sowie die umstrittene Vertragsverlängerung mit Markus Gisdol. Nicht wegen der Verlängerung mit dem Trainer an sich, sondern wegen der Zweitliga-Gültigkeit des Vertrags. Selbst im Abstiegsfall hätte sich Gisdols Kontrakt nicht aufgelöst. Der FC hätte auch dann noch die vereinbarte Abfindung zahlen müssen. Ein ausgewachsener Skandal, der letztlich nur aufkommen konnte wegen des Totalversagens des Gremiums, das diese Klausel nie hätte erlauben dürfen. Auf GEISSBLOG-Nachfrage antwortete ein GA-Mitglied, das namentlich nicht genannt werden wollte, lapidar: “Da reden wir also nur über Geld und über sonst nix. Und über Geld machen wir uns Gedanken, wenn wir es bezahlen müssen.” Genau so geht der 1. FC Köln mit Geld um – und zwar nicht nur die Geschäftsführung.

6. Mitgliederrat

Die zwei wichtigsten Funktionen des Mitgliederrates sind erstens die Kontrolle des amtierenden Vorstands sowie zweitens das Vorschlagsrecht für einen neuen Vorstand. Schon weit vor 2019 entschied der Mitgliederrat, den alten Vorstand nicht mehr zu nominieren und ein neues Vorstandsteam vorzuschlagen. Die lange Suche führte letztlich zu Werner Wolf, Eckhard Sauren und Jürgen Sieger. Ein Vorstandsteam, das nach nicht einmal 100 Tagen auseinander flog, das seitdem von einer Panne zur nächsten stolpert, auch zwei Jahre nach der offiziellen Nominierung noch immer keine Strategie für diesen Verein vorgelegt hat und dem viele Mitglieder zur Mitgliederversammlung am 17. Juni das Vertrauen entziehen wollen. Wenn über die Verantwortung des Vorstands gesprochen wird, muss daher auch über die Verantwortung des Mitgliederrates gesprochen werden, der diesen Vorstand installiert hat. Besonders brisant ist nicht nur, dass am 17. Juni ein Vorstandsvotum ansteht, sondern auch, dass bereits im Herbst auf der nächsten Mitgliederversammlung ein neuer Mitgliederrat gewählt werden wird. Damit ist klar, dass die nächsten zwei MVs innerhalb weniger Monate über die gesamte Gremienstruktur bei den Geißböcken entscheiden werden.

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