Der 1. FC Köln hat mit Anthony Modeste seinen Nummer-eins-Stürmer verkauft und damit finanziell einen wichtigen Schritt zur Gesundung gemacht. Doch sportlich wiegt der Verlust schwer. Die Geißböcke müssen auf dem Transfermarkt nachlegen, alles andere wäre grob fahrlässig und würde an 2017 erinnern. Eine kommentierende Analyse.
Es gibt durchaus Parallelen zwischen dem Sommer 2017 und dem Sommer 2022 beim 1. FC Köln. In der Vorsaison hatten die Geißböcke am Maximum ihres Leistungsvermögens gespielt. Gleichzeitig hatten diverse vermeintliche Top-Klubs geschwächelt und waren hinter dem FC geblieben. Anthony Modeste hatte in beiden Spielzeiten mit 25 und 20 Toren entscheidenden Anteil am Kölner Erfolg gehabt.
Darüber hinaus, und dies ist entscheidend für die Bewertung des Modeste-Abgangs, gab es 2016/17 genauso wie 2021/22 hinter dem Torjäger im Kölner Kader keinen Spieler, der auch nur ansatzweise die nötige Torquote mitbrachte. In der Saison 16/17 traf Yuya Osako noch sieben Mal, Milos Jojic traf vier Mal, der Rest drei Mal oder weniger. In der Saison 21/22 war Mark Uth sogar mit nur fünf Toren schon der zweitbeste Torjäger, alle anderen Spieler hatten vier oder weniger Tore. Genau darin liegt die Gefahr des 1. FC Köln für die Saison 2022/23.
Die sechs FC-Stürmer im Check
Die Geißböcke haben mit Modeste ihren 20-Tore-Stürmer der Vorsaison abgegeben. Zwar hat der FC mehrere Offensivspieler dazu geholt. Doch ein Blick auf die aktuelle Offensive des 1. FC Köln reicht, damit es kein Vertun geben kann: Nur ein einziger Stürmer hat schon bewiesen, dass er regelmäßig in der Bundesliga treffen kann – und das ist Mark Uth. Dieser jedoch ist auf der Zehn und damit nicht einmal als einer der beiden vordersten Angreifer im 4-1-3-2 eingeplant. Ein Blick auf die Spieler, die im Sturmzentrum die Tore für den FC machen sollen, zeigt: Sie sind in der Bundesliga fast ausnahmslos Neulinge.
Steffen Tigges kam im Sommer aus Dortmund, gilt als hochveranlagter Stoßstürmer, hat aber in seiner gesamten Karriere bislang nur 15 Bundesliga-Spiele bestritten (3 Tore). Zudem fiel er seit März aus und ist laut Aussage der FC-Verantwortlichen noch nicht annähernd Bundesliga-fit.
Sargis Adamyan kam im Sommer aus Hoffenheim und soll mit seiner Variabilität, Schnelligkeit und Technik rund um den nominellen Stoßstürmer der Geißböcke für Torgefahr sorgen. Doch Adamyan ist mit seinen 29 Jahren ein Spätstarter, hat erst 49 Bundesliga-Spiele in seiner Karriere absolviert (8 Tore) und ist laut Trainer Steffen Baumgart noch nicht gänzlich im Kölner Spielsystem angekommen.
Florian Dietz wurde im Sommer aus der U21 hochgezogen und hinterließ bei seinem Bundesliga-Debüt gegen Schalke 04 einen guten Eindruck. Doch für Dietz war das Duell gegen die Königsblauen sein allererstes Karriere-Spiel oberhalb der Dritten Liga. Die Regionalliga West im schoss er zwar im FC-Trikot auseinander, erzielte zuvor für Jena und Unterhaching in der Dritten Liga aber in 46 Spielen nur ein (!) Tor. Hätte Modeste gegen Schalke gespielt, hätte Dietz nach eigener Aussage nicht einmal im Kader gestanden.
Tim Lemperle ist eines der Top-Talente des 1. FC Köln, hat in seiner gesamten Karriere aber erst 153 Bundesliga-Minuten auf dem Buckel (2 Tore) und ist selbst laut Trainer Baumgart noch nicht bereit für einen Startelf-Einsatz beim 1. FC Köln.
Jan Thielmann ist mit seinen 20 Jahren, Achtung, nicht nur der erfahrenste aller vorher genannten Stürmer. Er hat mit 68 Bundesliga-Spielen auch fast genau so viele Bundesliga-Spiele auf dem Buckel wie Tigges, Adamyan, Dietz und Lemperle zusammen.
Sebastian Andersson ist auch noch da, aber nur, weil sein Transfer nach Kopenhagen letzte Woche in letzter Sekunde platzte. Ihm wurde vom FC mitgeteilt, dass er keine Zukunft mehr beim FC hat. Und selbst will Andersson am liebsten auch nur noch weg. Ihn rechnen die FC-Bosse in ihren Planungen nicht einmal mehr dazu. Kaum vorstellbar, dass sich das jetzt noch einmal ändert – und wenn doch, wie glaubwürdig wäre das?
Es passt zum Herangehen von Steffen Baumgart, dass er erstens nicht über den Verlust von Anthony Modeste klagt und zweitens sich vollständig hinter seine vorhandenen Angreifer stellt. Doch Baumgart sagte am Sonntag nach dem Sieg gegen Schalke 04 auch: “Ich bin mir sicher, dass alle diese Jungs alles raushauen werden, auch wenn der eine oder andere noch nicht die Qualität hat.” Ehrliche Worte, die in der Konsequenz aber auch nur einen Schluss zulassen können: Der 1. FC Köln muss auf dem Transfermarkt noch einmal zuschlagen und einen weiteren Mittelstürmer verpflichten. Alles andere wäre fahrlässig.
Der Plan, die Tore des abgewanderten Modeste auf die Schultern mehrerer Spieler zu verteilen, wurde schon 2017 im Sommer ausgegeben. Doch er funktionierte nicht. Damals setzte man auf Jhon Cordoba als Modeste-Ersatz, jetzt scheint Steffen Tigges diese Rolle zuzufallen. Doch damals wie heute gibt es keinen Plan B, sollte es mit der ersten Modeste-Alternative auf der Position des Stoßstürmers nicht sofort funktionieren. Denn über Tigges hinaus gibt es nur noch den bisherigen Regionalliga-Stürmer Dietz als einzigen Back-up für die so wichtige Position des kopfballstarken Mittelstürmers.
Der FC braucht einen weiteren Stoßstürmer
Adamyan, Thielmann und Lemperle sind allesamt keine Stoßstürmer, doch Baumgart betonte am Sonntag, dass der FC die gesamte Vorbereitung (und die gesamte letzte Saison) stets mit einem solchen Spielertyp geplant und gespielt habe. Tigges und Dietz sind (neben Andersson) die einzigen verbliebenen Angreifer mit diesem Format. Zusammen werfen sie die Erfahrung aus 16 Bundesliga-Spiele in die Waagschale. Zu wenig für die Ziele des 1. FC Köln.
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