Mit der rein virtuellen Mitgliederversammlung am 17. Juni 2021 betritt der 1. FC Köln Neuland. Es gibt dafür noch keine in diesem Verein erprobten Abläufe. Hieraus folgen Schwierigkeiten und Unwägbarkeiten, die zum Teil kaum zu vermeiden sind. Dennoch wirft das vom Verein gewählte Verfahren für die rein virtuelle Mitgliederversammlung insbesondere in zweierlei Hinsicht praktische Fragen, aber auch rechtliche Bedenken auf.
Ein Gastbeitrag von Jörg Heyer
Notwendigkeit der Identifizierung
Um die Teilnahme nicht real existierender Personen und nicht legitimierter Mitglieder auszuschließen, müssen sich alle Teilnehmer an der rein virtuellen Mitgliederversammlung am 17. Juni 2021 vor der Anmeldung gegenüber dem 1. FC Köln identifizieren. Dies soll mithilfe einer App der IDnow GmbH geschehen, indem anhand einer Kamera (Webcam, Handykamera etc.) des Mitglieds dessen Ausweis mit seinem Aussehen abgeglichen wird. Dieses Verfahren ist im Prinzip nicht zu beanstanden, begegnet aber drei Kritikpunkten:
Zum einen geht damit die Identifizierungssicherheit bei der rein virtuellen Mitgliederversammlung deutlich über den tatsächlichen Standard bei den bisherigen Präsenzversammlungen hinaus. Wer diese regelmäßig besucht hat, weiß, dass Identitätskontrollen (jenseits der Vorlage des lichtbildlosen Mitgliedsausweises) dort bislang allenfalls stichprobenhaft stattfanden. Das bedeutet im Ergebnis, dass die rein virtuelle Mitgliederversammlung zum Anlass genommen wird, die Identitätskontrollen zu intensivieren – unter Umständen, in denen die tatsächliche Durchführung der Kontrollen praktisch deutlich schwieriger ist als am Eingang einer Präsenzversammlung.
Zweitens entsteht bislang der Eindruck, dass ein nennenswerter Teil der Identifizierungsversuche nicht auf Anhieb funktioniert. Dieses Problem dürfte nicht vollständig zu vermeiden sein, darf aber keinen Umfang haben, der den Verein dem Vorwurf einer grob fahrlässigen oder gar vorsätzlichen Herbeiführung bzw. Nichtverhinderung der Probleme aussetzt.
Drittens ist festzuhalten, dass sich schon nach der Planung des Vereins keineswegs alle teilnahmewilligen Mitglieder identifizieren müssen. Kriterium scheint zu sein, ob ein Mitglied in der (jüngeren) Vergangenheit an Mitgliederversammlungen teilgenommen hat – dahinter mag die Logik stehen, dass bei diesem Anlass eine Identifizierung stattgefunden haben muss. Diese Logik trägt aber nicht, s.o. – schon bisher wurden die teilnehmenden Mitglieder nicht konsequent identifiziert. Das macht die Unterscheidung zwischen denjenigen, die schon bisher bei Mitgliederversammlungen waren, und denen, die jetzt erstmals teilnehmen, willkürlich und damit rechtlich problematisch. Es ist schwer vorstellbar, dass die für die KGaA tätigen internen und externen Juristen auf die mit dieser Willkür verbundenen Risiken nicht hingewiesen haben, und es ist nicht leicht zu erklären, warum der als rechtskundiges Vorstandsmitglied des Vereins in letzter Konsequenz verantwortliche kommissarische Vizepräsident Carsten Wettich sich für dieses risikobelastete Verfahren entschieden hat, statt von allen Mitgliedern die Identifizierung zu verlangen. Das wäre ohne weiteres möglich gewesen. Stattdessen führt der Verein sachlich nicht sicher zu rechtfertigende Differenzierungen bei der Identifizierung ein, die den Zutritt für die bisherigen Teilnehmer der Mitgliederversammlungen erleichtern und für diejenigen, die nun erstmals teilnehmen, erschweren. Diese ungleichen Zutrittsschranken gefährden den rechtlichen Bestand der Ergebnisse der Mitgliederversammlung, ungeachtet eines etwaigen Motivs für diese nicht gut erklärliche Regelung. Die Inkaufnahme dieses leicht zu vermeidenden Risikos durch den Vorstand des Vereins bleibt unerklärlich.
Rede- und Fragerecht
Der Einladung zur Mitgliederversammlung zufolge wird das Rede- und Fragerecht der Mitglieder in der rein virtuellen Versammlung nicht abbedungen, sondern auf ein Recht reduziert, Redebeiträge bzw. Fragen in Textform zu stellen, auch noch während der Mitgliederversammlung. Vorgesehen ist allerdings, die Länge solcher Texte zu beschränken. Sodann ist der Plan, diese Redebeiträge oder Fragen in der Versammlung zu verlesen, wobei gleichgerichtete Texte gebündelt werden können.
Es dürfte rechtlich sinnvoll sein, das Rede- und Fragerecht der Mitglieder nicht auszuschließen, sondern in der oben beschriebenen Form einzuschränken. Zwar gestattet die Satzung in Ziffer 13.2, in der virtuellen Mitgliederversammlung das Rede- und Fragerecht auf die im Präsenzverfahren teilnehmenden Mitglieder zu beschränken. Diese Regelung bezieht sich aber ihrem Wortlaut nach auf die hybride Mitgliederversammlung, nicht aber auf eine rein virtuelle Mitgliederversammlung, an der niemand in Präsenz teilnimmt. Eine rein virtuelle Mitgliederversammlung ohne jedes Rede- und Fragerecht sieht die Satzung des 1. FC Köln nicht vor. Es war daher, im Unterschied zur Handhabung der Identifizierungsthematik, umsichtig vom Vorstand des Vereins, das Rede- und Fragerecht der Mitglieder nicht gänzlich auszuschließen.
Allerdings droht das schriftliche Rede- und Fragerecht zu praktischen Problemen zu führen. Wie schon die Vielzahl der so eingereichten Fragen beim Mitgliederstammtisch am 7. Juni 2021 gezeigt hat, scheint die Hemmschwelle für Mitglieder, sich zu Wort zu melden, in dieser Konstellation deutlich niedriger zu sein als in einer Präsenzversammlung oder einer hybriden Mitgliederversammlung, in der sich virtuelle Teilnehmer über die Audio- oder Videofunktion äußern könnten. Es ergibt sich das Risiko mehrerer Hundert in der Mitgliederversammlung zu verlesender Textbeiträge. In diesem Fall droht die rein virtuelle Mitgliederversammlung so sehr in die Länge gezogen zu werden, dass ein großer Teil der anfangs teilnehmenden Mitglieder die späteren Tagesordnungspunkte verschläft. Dies ist weniger ein rechtliches als ein praktisches Problem und schafft das Risiko, dass nur noch wenige Mitglieder über späte, unter Umständen wichtige Punkte der Tagesordnung entscheiden. Es bleibt zu hoffen, dass dieser Gefahr, wenn sie sich konkret abzeichnet, durch entsprechende Entscheidungen der Sitzungsleitung oder aufgrund von Geschäftsordnungsanträgen nach § 11.7 der Satzung begegnet wird.
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