Die Mitgliederversammlung des 1. FC Köln endete für den Vorstand mit einem Denkzettel. Präsident Werner Wolf hat sich zu den Haupt-Kritikpunkten der Mitglieder und des Mitgliederrats geäußert.
Es war ein Abend, den sich der Vorstand des 1. FC Köln gewiss anders vorgestellt hatte. Das ließ sich schon an einer einzigen Zahl ablesen: Das Präsidium um Werner Wolf wurde bei der Mitgliederversammlung des Jahres 2023 mit gerade mal 65,13 Prozent der Stimmen entlastet – das mit Abstand schwächste Ergebnis aller Gremien.
Und bei diesem galt es noch zu beachten: Nur 325 der noch anwesenden 689 Mitglieder stimmten für die Entlastung – 47,17 Prozent, weniger als die Hälfe. Die 65,13 Prozent kamen lediglich zustande, da Enthaltungen (in diesem Fall 190) laut Satzung nicht berücksichtigt wurden.
Wolf: “Wir müssen nicht in den Rhein springen”
Eine Ohrfeige für den Vorstand, die Club-Oberhaupt Wolf nach der mehr als siebenstündigen Sitzung wie folgt einordnete: „Nach der Diskussion war klar, dass wir einen Denkzettel bekommen. Auf der anderen Seite war das Ergebnis ausreichend über 50 Prozent, damit wir jetzt nicht in den Rhein springen müssen.“
Dabei hatte die sportliche Krise in der Aussprache sogar eine eher zweitrangige Rolle gespielt. Vielmehr hatten die Verantwortlichen für das neue Format der Versammlung, die Umsetzung des FC-Matchplans, die Zusammenarbeit mit Glücksspielanbieter Gauselmann und den chronisch stockenden Geißbockheim-Ausbau reichlich Kritik der Mitglieder und des Mitgliederrats geerntet.
„Die Themen, die man uns anhaftet, sind klar. Das schlägt sich in der Entlastung wieder“, sagte Wolf. Wie reagiert der Vorstand auf die einzelnen Kritik-Punkte?
Neues MV-Format
Mit Talk-Tresen und Sofa-Ecke sollte der Mitgliederversammlung eine lockerere Atmosphäre verpasst werden, zudem sollte die Sitzung knackiger werden. Das Experiment misslang auf ganzer Linie. Das musste auch Wolf eingestehen: „Wir hatten die Hoffnung, durch das neue Format Zeit einzusparen. Das ist uns nicht so gelungen, wie wir uns das vorgestellt haben.“
Hier ist eine erneute Überarbeitung nötig. Auch, weil die Mitglieder deutlich machten, dass ein Talk-Format nicht ihren Erwartungen der Jahresberichte entspricht. Mehrere Anwesende forderten in deutlichen Worten mehr Ernsthaftigkeit vom Vorstand.
Wettanbieter-Debatte
Die Ende August bekannt gegebene Premium-Partnerschaft mit dem Glücksspielanbieter Gauselmann avancierte zum Reizthema des Abends, wurde von zahlreichen Mitgliedern auf der Bühne scharf kritisiert. Der für Sponsoring zuständige Geschäftsführer Markus Rejek probierte mehrfach, den Deal zu verteidigen („Ich sehe keine Verletzung der FC-Werte“) – kassierte allerdings immer wieder Buh-Rufe.
„Das ist eine Diskussion, die man durch Sachargumente nicht gewinnen kann“, erklärte Wolf im Anschluss. Es sei „ein Thema, das die Menschen bewegt, wir müssen das ernst nehmen“. Hätte man die Intensität der Kritik geahnt, ergänzte der Präsident, „hätten wir es nicht gemacht – um das auch sehr deutlich zu sagen“.
Was aber wohl nur die halbe Wahrheit gewesen sein dürfte. Denn Rejek hatte auch erklärt, dass der FC bei den aktuellen Finanzsorgen einen Nachfolger von bwin als Wettpartner hätte präsentieren müssen. „Verträge müssen wir erfüllen“, sagte Wolf und dürfte damit beim neuen Partner für wenig Begeisterung gesorgt haben.
Eine Vertragsauflösung kommt trotzdem nicht in Frage. Das würde viel Geld kosten, und: „So üppig ist das Geld jetzt nicht.“ Nach dem präsentierten Gewinn von 12,4 Millionen Euro für die Saison 2022/23 sei der FC zwar „nicht mehr auf der Intensivstation, aber wir müssen weiter sparen und können uns keinen Luxus leisten“.
FC-Matchplan
Das vor zwei Jahren vorgestellte Strategiepapier beinhaltet zehn „Spielfelder“, soll den Club in den Top-10 der Bundesliga etablieren. Konkrete Ergebnisse sind in den meisten Spielfeldern allerdings nicht greifbar (der GEISSBLOG berichtete). Der Mitgliederrat hatte bereits vorab Kritik an der zu langsamen Umsetzung geübt und hat diese am Mittwochabend noch einmal verschärft.
„Wir nehmen das zur Kenntnis“, sagte Wolf: „Auch ich wäre an der einen oder anderen Stelle gerne deutlich schneller.“ Aber: „Man muss die Gesamtsituation berücksichtigen. Wir haben in einem Jahr eine neue Geschäftsführung etabliert und mit Beginn von Corona ums Überleben gekämpft. Da haben wir uns nicht um den Matchplan gekümmert, um das ganz deutlich zu sagen.“
Vize-Präsident Eckhard Sauren erklärte während der Sitzung, man sei einzig im Feld Internationalisierung nicht „über Plan“ – was Fragen aufwirft, schließlich sollte unter anderem der Kaderwert gesteigert werden. Dieser beruht ohnehin immer auf Schätzungen, doch gerade nach den Verlusten von Jonas Hector und Ellyes Skhiri ist es nahezu ausgeschlossen, dass der Wert der Mannschaft gestiegen ist.
Wolf erläuterte, dass man den Matchplan inzwischen auf konkrete Ziele runtergebrochen habe, die messbar seien. „Jeder Mitarbeiter hat seine Ziele.“ 25 Millionen Euro Mehreinnahmen sollen pro Jahr mithilfe des Matchplans generiert werden. „Erste Analysen haben gezeigt: Das liegt im Rahmen des Möglichen.“
Die Internationalisierung soll im kommenden Jahr mit einer erneuten Auslandsreise vorangetrieben werden, Zielmärkte bleiben Japan und die USA. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Philipp Türoff betonte, dass es aktuell kein Bestreben gebe, in diese Internationalisierung personelle Ressourcen zu stecken. Kurzum: Sie ist weiter nur ein Plan auf dem Papier.
Geißbockheim-Ausbau
Keine Mitgliederversammlung ohne das Thema Geißbockheim. In den vergangenen Jahren hatten sich kritische Worte und das Werben um Geduld abgewechselt. Ergebnisse lassen weiterhin auf sich warten, wenn man von den Renovierungsarbeiten absieht, die der FC in den zurückliegenden Monaten vorgenommen hat (u.a. Kabinen, Halle und Trainingsplätze). Das große Ganze steht in den Sternen.
Dem Vorstand wurde auch am Mittwoch wieder vorgeworfen, er ließe sich von der Stadt auf der Nase herumtanzen. Wolf betonte, dass man nun mal an die Lokalpolitiker gebunden sei – ein Wegzug vor die Grenzen Kölns sei keine Alternative. „Der 1. FC Hürth oder 1. FC Troisdorf werden wir nicht. Das heißt: Ich habe nur die Chance mit den gewählten Abgeordneten.“
Die Optionen sind wie schon vor einem Jahr: Ausbau im Grüngürtel oder Komplett-Umzug nach Marsdorf. „Entweder ihr erlaubt uns das oder ihr finanziert uns die alternative Lösung“, habe man der Stadt erklärt. Für einen Umzug habe die Politik „ein Lösungsmodell auf dem Tisch“.
Wolf hofft auf Unterstützung “in einem Bereich, wo wir sagen: Das können wir uns finanziell vorstellen“. Wenngleich er am liebsten am Geißbockheim bleiben würde: „Erstens, weil wir schon da sind, das hat Tradition. Zweitens wäre das ein Projekt, das wir relativ einfach stemmen könnten. Die Finanzierung hatten wir bereits entwickelt.“
Eine politische Mehrheit für den Verbleib im Grüngürtel ist allerdings weder vorhanden noch in naher Zukunft realistisch. Der Vorstand selbst wiederum dürfte sich seit Mittwochabend um seine eigene Mehrheit im Club sorgen.
Hier kannst du über den 1. FC Köln diskutieren und dich mit anderen Usern austauschen. Bitte beachte dabei die Spielregeln in unserer Netiquette! Du findest sie hier und kannst sie jederzeit nachlesen. Viel Spaß!