Der 1. FC Köln hat den womöglich unruhigsten Jahreswechsel seiner Geschichte erlebt. Durch die sportliche Krise und die Transfersperre könnte 2024 keine größere Herausforderung werden. Das sind die Ziele und Baustellen für das neue Jahr.
Trainer-Schuss muss sitzen
Die erste große Entscheidung des neuen Jahres ist zugleich die wichtigste. Es gibt für den 1. FC Köln in 2024 keine essenziellere Personalie als den neuen Cheftrainer. Die Liste der Herausforderungen und Anforderungen für den Nachfolger von Steffen Baumgart ist lang: Der Trainer muss an die Stärke eines nicht zu verändernden Kaders glauben und einer stark verunsicherten Mannschaft den Glauben zurückgeben. Er soll zur Spielidee des Clubs passen und Leistungsträger, die seit Monaten im Leistungsloch stecken, wachküssen.
Sport-Geschäftsführer Christian Keller steht bei der Suche des neuen Chefcoaches gewaltig unter Druck. Seine erste Trainer-Verpflichtung beim FC muss beweisen, was der Sportchef selbst gebetsmühlenartig wiederholt: Dass sein Kader definitiv keiner ist, der auf einen Abstiegsplatz gehört. Mit einem eigens verpflichteten Trainer und einem Kader, der die Qualität für die Bundesliga haben soll, wäre ein Abstieg für Keller nicht erklärbar.
Das wichtigste Ziel: Klassenerhalt
Von sämtlichen Zielen, die für das neue Jahr auf der Agenda stehen, überstrahlt der Klassenerhalt natürlich alles. Mit der Rettung im Vorjahr hatten Baumgart und seine Mannschaft dem FC erstmals seit dem Premieren-Abstieg 1998 ein fünftes Bundesliga-Jahr in Folge gesichert. Nummer sechs wird ungleich schwerer. In der Liga-Historie hatten 14 Teams nach 16 Spieltagen genau zehn Punkte. Nur vier davon landeten noch über Platz 16 – vier weitere zumindest auf Platz 16, der die Relegation bedeuten würde.
Das Trio am Tabellenende (Darmstadt, Köln und Mainz) hat bereits sechs Punkte Rückstand auf Bochum, ganze zehn auf Heidenheim – zwei vermeintliche Abstiegskandidaten, die zu enteilen drohen. Der FC muss, direkt im ersten Heimspiel gegen Heidenheim, den Anschluss wiederherstellen. Union Berlin steht zwar erst bei 13 Zählern, scheint unter seinem neuen Trainer Nenad Bjelica aber wieder in die Spur zu finden.
Talente einbauen
„Der FC hat seit vielen Jahren eine sehr, sehr gute Nachwuchsarbeit. Dafür haben viel zu wenige Spieler den Sprung nach oben geschafft“, sagte Sportboss Keller zuletzt. Nun haben die Geißböcke keine Wahl mehr, 2024 sind eigene Talente die einzige Möglichkeit für frischen Wind im Profi-Kader.
Leistungsträger der U21 wie Meiko Wäschenbach, Elias Bakatukanda und Damion Downs trainieren bereits regelmäßig mit dem Bundesliga-Team und wären demzufolge die ersten Anwärter, um dauerhaft aufzurücken. Für einige Problempositionen reifen Top-Talente wie die U17-Weltmeister Fayssal Harchaoui (Sechs) und Justin von der Hitz (Rechtsverteidiger) sowie Jaka Cuber Potocnik (Sturm) heran. Die eigenen Talente zu halten, ist zwingend notwendig.
Transferphasen im Jahr 2025 vorbereiten
Schlupflöcher gibt es keine – erst am 1. Januar 2025, wenn das Wintertransferfenster der Saison 2024/25 öffnet, darf der der FC wieder Spieler unter Vertrag nehmen. Dann läuft zudem bereits der Kampf um die begehrtesten vertragslosen Akteure für den Sommer 2025 auf Hochtouren. Die sportliche Leitung hat nun ein Jahr Zeit, diese beiden Transferphasen besser denn je vorzubereiten. Der eigentlich schwierige Winter-Markt wird für die gesperrten Geißböcke 2025 zu einer Haupt-Transferphase.
Leistungsträger halten
Der FC muss im kommenden Sommer alle Hebel in Bewegung zu setzen, um seine Leistungsträger von Abschiedsgedanken zu befreien. Jeder weiß: Wenn ein Spieler weg will, helfen im Profi-Fußball oft auch keine geltenden Verträge. Für das Sprichwort „Reisende soll man nicht aufhalten“ ist beim FC aber kein Platz, selbst unmoralische Ablösesummen würden den Verantwortlichen aufgrund der Transfersperre nicht weiterhelfen.
Sollte die Geißböcke absteigen, wären Keller in einigen Fällen aufgrund von Ausstiegsklauseln offenbar die Hände gebunden – doch es gilt, Überzeugungsarbeit zu leisten, nichts unversucht zu lassen. Genauso bei Dejan Ljubicic, dem wohl bereits im vergangenen Sommer in Aussicht gestellt worden war, nach Saisonende gehen zu können. Sollte der Österreicher wieder in die Spur finden, könnte der Club seinen ersatzlosen Abgang nicht verkraften. Klar ist aber auch, dass der FC im Jahr 2024 mehr denn je von einem gesunden Teamgeist leben muss und niemanden gebrauchen kann, der querschießt. Ein Drahtseilakt.
Matchplan-Erfolge
Die Kritik des Mitgliederrats auf der Mitgliederversammlung im September war deutlich: Der FC-Matchplan, das Versprechen des Vorstands für eine bessere Zukunft, sei „in einigen Bereichen nicht so weit ist, wie wir uns das vorstellen“. Unter anderem wollen die Bosse mit ihrer 2021 vorgestellten Strategie den Marktwert des Kader steigern – was nahezu unmöglich ist, wenn der Spieler mit dem höchsten Marktwert (Ellyes Skhiri) ablösefrei geht. Auch bei einem weiteren großen Vorhaben, der Internationalisierung, ist keinerlei Fortschritt erkennbar.
Mit der Corona-Pandemie hatte der Vorstand eine gute Ausrede für die Startschwierigkeiten seines Matchplans. Die Transfersperre allerdings ist weder höhere Gewalt noch eine Altlast, sondern vollends in der Amtszeit von Werner Wolf, Eckhard Sauren und Carsten Wettich zu verordnen. Soll heißen: Die Zeit der Ausreden ist vorbei, „jetzt geht es darum, diese Strategie mit viel PS auf die Straße zu bekommen“, wie Mitgliederratsboss Ho-Yeon Kim schon im September im GEISSBLOG-Interview gefordert hatte.
Durchbruch beim Trainingsgelände
2023 hat der FC die Bedingungen am Geißbockheim deutlich verbessert, unter anderem mit der Renovierung des Franz-Kremer-Stadions, der Trainingshalle sowie der Rasenplätze sechs und sieben. Die ganz große Lösung aber, der Ausbau im Grüngürtel oder ein Umzug nach Marsdorf, steht weiterhin in den Sternen. Immer wieder ist von einem vertrauensvollen Austausch mit der Stadt zu hören – allerdings nicht von Fortschritten.
Am 23. April 2024 findet vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eine mündliche Verhandlung statt, die klären könnte, ob der Bebauungsplan für die Geißbockheim-Erweiterung doch wirksam ist. Das Oberverwaltungsgericht Münster hatte den Plan 2022 aufgrund “schwerwiegender Fehler” bekanntlich für unwirksam erklärt. Aber selbst ein gültiger Bebauungsplan würde nichts nützen, da die Stadtpolitik die Erteilung des Pachtvertrags für die Gleueler Wiese verweigert.
Ein Umzug nach Marsdorf wiederum würde weit mehr als 100 Million Euro kosten. Ein Teil dieses Geldes soll der Verkauf des Geißbockheims an die Stadt einbringen. Verhandelt wird seit Monaten, über Erfolge ist nichts bekannt. Geschäftsführer Philipp Türoff hatte die ganze Situation im vergangenen Sommer als „Sackgasse“ bezeichnet.
Vertrauen zurückgewinnen
Rund 10.000 FC-Fans haben eine Online-Petition unterschrieben, die auf die sofortige Entlassung Kellers hinauszielt. Präsident Wolf berichtete zuletzt selbst: „Mein WhatsApp-Fach läuft über von Nachrichten super-enttäuschter Fans.“ Und der Vorstand hatte schon auf der Mitgliederversammlung – als die Lage des FC zwar bereits besorgniserregend, aber kein Vergleich zu heute war – einen Denkzettel erhalten, mit dem deutlich schwächsten Entlastungsergebnis aller Gremien.
All das zeigt: Das Vertrauen in die handelnden Personen ist erschüttert, und die Reaktion der Fans im Stadion steht noch aus. Die Bosse müssen dringend Vertrauen zurückgewinnen, um den Verein und die Stimmung im Umfeld zu beruhigen. Kellers Trainer-Schuss muss sitzen, der Vorstand muss Stärke statt Unsichtbarkeit beweisen und Transparenz schaffen – die Mitglieder wieder ins Boot holen. Ein gemeinsamer Weg ist vonnöten. Ende 2023 war dieser nicht mehr zu erkennen.
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