Struber und das Bullen-Image: “Dann werde ich zum Teufel geschickt”

Im zweiten Teil des großen GEISSBLOG-Interviews spricht Gerhard Struber über die neue Teamhierarchie und das Wertesystem des 1. FC Köln sowie über seine Erfahrungen außerhalb des Fußballs und eine offenbar unbegründete Sorge.

Das Interview führten Sonja Gauer und Martin Zenge

GEISSBLOG: Herr Struber, Sie haben hier im Trainingslager auch auf einen Workshop abseits des Platzes Wert gelegt. Können Sie berichten, woran Sie mit der Mannschaft gearbeitet haben?

GERHARD STRUBER: „Wir erleben als Mannschaft und Staff so viel Zeit miteinander. Da ist es mir einfach wichtig, wie wir miteinander umgehen. Dafür braucht es ein Wertesystem. Darüber haben wir gesprochen.“

Können Sie das ausführen?

„Wir haben uns viele unterschiedliche Ankerpunkte erarbeitet, die sich die Jungs herholen können, wenn es gut läuft – aber auch, wenn es nicht so gut läuft. Wir müssen immer wissen, wie wichtig das Team, die Energie und der Spirit sind. So wie wir immer taktisch einen guten Plan brauchen, so brauchen wir auch immer eine starke Beziehung.“

“Neue Hierarchie wird sich herauskristallisieren”

Sportchef Christian Keller forderte eine neue Hierarchie innerhalb der Mannschaft. Konnte diese in der Saisonvorbereitung, speziell im Trainingslager, entstehen?

„Das kann man nicht auf Knopfdruck bestimmen. So etwas entsteht über Verantwortung und mit den Spielen. Aber es gibt überhaupt keinen Stress, ich bin mir sicher, dass sich eine Hierarchie herauskristallisieren wird. Die kann man nicht künstlich herbeiführen. Die Jungs wachsen gerade und ich habe viel Vertrauen in sie. Wir werden eine stabile Führung haben.“

Mit Kapitän Timo Hübers an der Spitze. Warum haben Sie sich für ihn entschieden?

„Dass Timo unser Kapitän wird, ist keine Überraschung – das hatte sich schon abgezeichnet. Er ist einfach ein richtig guter Typ, ein sehr intelligenter Bursche, der Erfahrung hat und viel mitbringt für dieses Amt. Ich habe sehr viel Vertrauen in ihn, Timo wird mit der Kapitänsschleife vorangehen und weiß, was ich von ihm erwarte. Genauso weiß er, was er von mir erwarten kann als Trainer. Da haben wir uns sehr gut ausgetauscht und nicht leichtfertig entschieden.“

Wie geht Florian Kainz damit um? Gab es bereits einen Austausch mit ihm?

„Natürlich. Ich habe mit Florian telefoniert, wir haben über die Situation geredet. Wir hatten auch schon vergangene Woche darüber gesprochen. Natürlich ist die ganze Situation auch ein Stück weit dem geschuldet, dass Florian verletzt und damit nicht verfügbar ist. Und wir brauchen für den Start in die Saison einen Kapitän, der da ist. Kainzi bleibt trotzdem ein entscheidender Führungsspieler für uns. Er ist für mich ein ganz enger Vertrauter, der mit mir im Daueraustausch sein wird.“

Spielte es für die Entscheidung eine Rolle, dass ab dieser Saison nur noch der Kapitän mit dem Schiedsrichter sprechen darf?

„Es ist wichtig, dass der, der mit dem Schiri spricht, die richtige Tonart trifft. Ich finde, Timo hat ein Gespür dafür und das dementsprechende Handling. Das bestätigt die Entscheidung, war aber nicht der ausschlaggebende Grund.“

Was Struber in der Versicherungsbrache lernte

In Fragen wie der Kapitänssuche ist viel Fingerspitzengefühl gefordert. Kommt es Ihnen – gerade was die Menschenführung angeht – zugute, dass Sie nach Ihrer aktiven Karriere auch abseits des Fußballs gearbeitet haben?

„Auf jeden Fall. Dadurch, dass ich die Chance hatte, in ganz anderen Branchen zu arbeiten, habe ich auch andere Abläufe und Menschen kennengelernt. Ich habe im Versicherungsbetrieb gearbeitet, dann war ich Referent in einer berufsbildenden Schule. Ich hatte mit Menschen zu tun, die echte Themen hatten in ihrem Leben. Ich musste unterschiedlichste Menschen motivieren, inspirieren und mitnehmen, damit sie performen. Gerade der Versicherungsbetrieb hat einen extrem sportlichen Charakter: Man muss Ziele erreichen, über sich hinauswachsen. Das sind alles Dinge, die auch im Fußball Thema sind.“

Ralf Rangnick hat Sie aus der Versicherungsbranche zurück in den Fußball geholt. Welchen Einfluss hat er noch auf Sie?

„Was den FC angeht, habe ich ihn nicht befragt, aber wir stehen immer wieder in Kontakt. Auch während der EM habe ihm geschrieben, ihm gratuliert. Der Ralf ist ein großes Geschenk für den österreichischen Fußball, hat einen richtigen Punch reingebracht. Er begeistert, ist überzeugend. Deswegen bin ich gerne mit ihm im Austausch. Als er in Manchester Trainer geworden ist, hat er mich angerufen und gefragt, ob ich mit vorstellen kann, mit ihm dorthin zu gehen. Ich hatte aber einen coolen Job in New York, das war nicht der richtige Zeitpunkt für mich. Dennoch habe ich extrem viel von ihm und seinem Mentor Helmut Groß lernen können. Der war ein Vorarbeiter, was diese Art von Fußball angeht.“

Haben Sie sich Gedanken darüber gemacht, wie ein Trainer aus dem Red-Bull-Kosmos bei einem Traditionsverein wie dem FC ankommt?

„Ja, ich habe mir schon Gedanken darüber gemacht, wie man hier als Bullen-Coach aufgenommen wird. Aber ich habe nicht im Ansatz das Gefühl, dass mir die Leute böse sind, dass ich aus der dieser Welt komme. Egal, wo ein FC-Trainer herkommt, es wird darauf ankommen, Punkte zu holen. Dann wird das passen. Wenn das nicht der Fall ist, werde ich genau wie alle anderen Trainer, die das nicht schaffen, zum Teufel geschickt (lacht).“