Das 0:6 bei RB Leipzig war Steffen Baumgarts höchste Niederlage mit dem 1. FC Köln. Im Anschluss hat der Trainer seine Mannschaft deutlich kritisiert – wohl deutlicher als je zuvor. Was Baumgart besonders gegen den Strich ging.
Als die 0:6-Klatsche bei RB Leipzig endlich abgepfiffen war, hielt der Abend für die Spieler des 1. FC Köln einen weiteren unangenehmen Programmpunkt bereit. Steffen Baumgart zitierte seine Profis zum Rapport. Noch auf dem Rasen redete er intensiv auf seine Mannschaft ein, sich selbst den Frust von der Seele. Man musste kein Lippenleser sein, um zu erkennen: Das war ein veritabler Anschiss – sogar für eigene, baumgartsche Verhältnisse.
Stürmer Davie Selke, am Samstag ungewöhnlich wortkarg, nannte die Ansprache vor der Trainerbank ein “kurzes Feedback zum Spiel”. Baumgart selbst wollte dieses auf der anschließenden Pressekonferenz zunächst nicht weiter beleuchten. Nur so viel: “Ich war emotional, das kann sich nach diesem Spiel jeder vorstellen.”
Baumgart: “Womit ich nicht lebe, ist…”
Doch als Baumgart auf die völlig desolaten Schlussminuten der ersten Halbzeit angesprochen wurde, als mit dem 0:2 sämtliche Kölner Köpfe nach unten gegangen waren, der FC sich seinem Schicksal ergeben hatte, brach es dann aus ihm heraus: “Das ist das Einzige, was ich wirklich kritisiere. Das ist nicht, wofür wir stehen.”
Der 51-Jährige fand für den Auftritt seiner Mannschaft in der Folge unmissverständliche Worte. “Dass wir hier den Arsch voll kriegen können, ist uns bewusst. Damit müssen wir leben. Womit ich nicht lebe, und das sage ich in aller Deutlichkeit, ist, dass du aufhörst und jeder für sich über den Platz läuft.” Nach seinem wohl wichtigsten Sieg gegen Gladbach erlebte Baumgart in Leipzig den vielleicht frustrierendsten Abend als FC-Trainer. “Gerade die fünf Minuten nach dem 0:2 waren nicht das, was ich mir unter Fußball vorstelle.”
Nach einem Fehlerfestival – zunächst hatte es die eigentlich so verlässlichen Eric Martel und Jeff Chabot, dann quasi die komplette Kölner Hintermannschaft erwischt – ging es mit 0:4 in die Pause. “Wir haben uns vor der Halbzeit so abschießen lassen, dass es am Schluss nur noch um Schadensbegrenzung ging”, schimpfte auch Sportchef Christian Keller.
Im zweiten Abschnitt habe sich seine Mannschaft zwar gewehrt, fuhr Baumgart in seiner Analyse fort, “aber nach dem 0:5 und 0:6 hätten wir noch das 0:7 bekommen, wenn wir länger gespielt hätten”. Dann wäre die Niederlage noch historischer als ohnehin schon ausgefallen. Denn das 0:6 war nicht nur Baumgarts höchste FC-Pleite, sondern auch die deftigste Kölner Pflichtspiel-Klatsche seit Februar 2003, seit dem 0:8 bei den Bayern im DFB-Pokal. Überhaupt nur ein einziges Mal haben die Geißböcke in der Bundesliga noch höher verloren als am Samstagabend, am 15. Mai 1971 gegen den Rekordmeister aus München.
“Das war eines der ganz, ganz wenigen Spiele, die ich in meiner Zeit in Köln erlebt habe, wo wir insgesamt so unterlegen waren. Am Ende können wir uns noch bei Marvin Schwäbe bedanken, dass er die eine oder andere richtig gute Parade gezeigt hat”, fällte Baumgart ein Fazit, das nicht bitterer hätte sein können.
Keller: “Nach dem 0:2 war jeglicher Mut hinüber”
Trotz der starken Leistung im Derby gegen Gladbach waren in Leipzig gewiss keine drei Punkte eingeplant gewesen. Schließlich wurde RB bisher einzig am ersten Spieltag in Leverkusen geschlagen. Die Art und Weise der Kölner Niederlage warf dann aber doch neue Fragen auf. Zum Beispiel – erstmals – nach Mentalität und Glaube.
Sportchef Keller fand, “dass der absolute der Wille, den wir im Derby noch hatten, nicht sichtbar und spürbar war. Dann haben wir neben dem Fokus, einer vernünfitgen Spannung und Achtsamkeit auch noch den Mut verloren. Nach dem 0:2 war jeglicher Mut hinüber.“
Baumgart ergänzte: “Die Körpersprache, den Kopf so hängen zu lassen, ist nicht das, was ich erwarte. Das hat nichts mit dem Ergebnis zu tun – Fußball geht weiter. Ich bin insgesamt enttäuscht, aber darüber bin ich extrem enttäuscht. Und das habe ich den Jungs auch so deutlich gesagt, dass ich das nicht verstehe und auch nicht akzeptiere.” Das musste sofort raus, noch im Mannschaftskreis auf dem Rasen.
Wie reagierte das Team? Man könne sich vorstellen, dass der Trainer nach einem 0:6 “nicht gut drauf” sei, sagte Kapitän Florian Kainz und versicherte: “Das sind wir auch nicht. Das Fazit ist aber, dass wir das Spiel jetzt schnell abhaken müssen. Wir haben am Dienstag wieder ein extrem wichtiges Spiel. Deswegen werden wir uns jetzt besprechen, dann unsere Kräfte sammeln und mit Vollgas ins Pokalspiel gehen.”
Doch selbst wenn der Fokus zunächst auf das Traditionsduell in Kaiserslautern wandert, und selbst wenn der FC am Betzenberg erfolgreich sein sollte – einfach abgehakt werden darf diese Klatsche gewiss nicht. Das betonte auch Lizenzbereich-Leiter Thomas Kessler: “Die Jungs müssen dieses Spiel mitnehmen. Es nützt nichts, zu sagen: ‘Das können wir abhaken.’ Wir haben auf dem Platz viele Dinge getan, die man sich in der Bundesliga nicht erlauben darf. Das sollte ein deutliches Ausrufezeichen in jedem Spielerkopf sein, dass wir so nicht in der Lage sind, Bundesliga-Spiele zu gewinnen.” Das wären zumindest ein paar Ausrufezeichen. Neben vielen neuen Fragezeichen.
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