Die Mitglieder des 1. FC Köln haben den Vorstand um Werner Wolf für die Abstiegssaison 2023/24 nicht entlastet. Bislang war lediglich dem Präsidium um Wolfgang Overath im Jahr 2010 die Entlastung verweigert worden.
Ein Vorgang, der in der Vergangenheit oft nur eine Randnotiz gewesen war, mutierte am spätem Dienstagabend zu einer schallenden Ohrfeige für den Vorstand des 1. FC Köln: Präsident Werner Wolf sowie seine beiden Stellvertreter Eckhard Sauren und Carsten Wettich wurden auf der Mitgliederversammlung für das vergangene Geschäftsjahr nicht entlastet.
Um 22.33 Uhr – die Veranstaltung lief bereits viereinhalb Stunden – zeigte die Leinwand in der Lanxess Arena die für den Vorstand bitteren Zahlen an: 51,54 Prozent der zu diesem Zeitpunkt anwesenden 1335 Mitglieder stimmten gegen eine Entlastung (652 Mitglieder). 48,46 Prozent (613) votierten pro Entlastung, wobei 70 Enthaltungen nicht in die Prozente einflossen.
Mitgliederrat empfiehlt Entlastung nicht
Bereits im Vorjahr hatten Wolf und seine Vizes mit 65,13 Prozent das mit Abstand schwächste Entlastungsergebnis aller Gremien und damit einen deutlichen Denkzettel erhalten. Die diesjährige Abstimmung nahm nun durchaus vereinshistorische Ausmaße an. Schließlich war zuvor lediglich dem Vorstand um Wolfgang Overath im Jahr 2010 die Entlastung verwehrt worden.
Brisant: Mitgliederratschef Ho-Yeon Kim hatte am Dienstagabend zum Abschluss seines Jahresberichts explizit nicht dazu aufgerufen, den Vorstand zu entlasten, das Führungstrio stattdessen gerügt und viel Kritik geübt. Unter anderem: Das Vorgehen des Präsidiums sei oft schwer nachvollziehbar gewesen, Termine seien nicht eingehalten worden, unbequeme Entscheidungen hinausgezögert worden, man habe das eigene Handeln nicht erläutern können und sich von öffentlichen Meinungen treiben lassen, die Kritikfähigkeit habe nachgelassen.
Wolf wollte daraufhin eine “Schlammschlacht” vermeiden – probierte aber alles, um eine Nicht-Entlastung zu verhindern. Schon während seines vorangegangenen Jahresberichts hatte er seine Reue betont, die Mitglieder um Verzeihung gebeten: “Ich ärgere mich immer noch, in der 2. Liga zu spielen. Ich möchte euch persönlich und im Namen des Vorstands um Entschuldigung bitten.”
Später antwortete er auf Kims Kritik, zeigte sich irritiert ob der Empfehlung, den Vorstand nicht zu entlasten: “Das ist ein Schritt, den man bei schweren rechtlichen Verfehlungen unternimmt. Jedes Mitglied kann für sich entscheiden, ob diese vorliegen. Wir sehen das anders.” Wolf erklärte, der Vorstand sei sehr wohl kritikfähig, werde den FC investorenfrei halten. Und wenn man sich tatsächlich von öffentlichen Meinungen hätte treiben lassen, wäre Sportchef Christian Keller längst nicht mehr im Amt.
In der anschließenden Aussprache stiegen zahlreiche Anhänger in die Debatte ein, die Mehrzahl argumentierte für eine Entlastung – doch es half nicht. Der Mitgliederrat gewann diesen Machtkampf auf offener Bühne. Die weiteren Gremien – der Mitgliederrat selbst (62,18 Prozent), der Gemeinsame Ausschuss (63,28 Prozent) und die Wahlkommission (95,79 Prozent) – wurden derweil deutlich entlastet.
Keine unmittelbaren Folgen
Für Wolf, Sauren und Wettich hat die Mitglieder-Ohrfeige zunächst nur haftungsrechtliche, aber keinen direkten Folgen, das Trio kann durch eine fehlende Entlastung nicht abgewählt werden. Der neue Mitgliederrat, der einen Vorstand für die Wahl 2025 nominieren muss, kann und wird dieses Ergebnis allerdings gewiss nicht ignorieren. Sollten Wolf & Co. noch einmal antreten wollen.
Deren direkte Reaktion auf das fehlende Vertrauen der Fans gilt es nun abzuwarten. Overath war 2011, gut ein Jahr nach der turbulenten MV, zurückgetreten. Seiner Nicht-Entlastung vorausgegangen war eine 0:4-Klatsche gegen Borussia Mönchengladbach sowie der Absturz ans Tabellenende der Bundesliga. Wolf, Sauren und Wettich kassierten am Dienstag die Quittung für den siebten FC-Abstieg und die in Deutschland einmalige Transfersperre.
“Letztendlich sind wir in unserem Amt für alles verantwortlich. Die Strafe der FIFA war vermeidbar und hätte nicht passieren dürfen”, hatte Wolf in seinem Jahresbericht noch vor der Nicht-Entlastung zugegeben. Der Abstieg sei ebenfalls vermeidbar gewesen, einige Mitbewerber hätten “geringere Ressourcen” gehabt.
Aufgrund der Rückschläge habe man sich intern schon die “schmerzhafte Frage” gestellt: “Muss der Vorstand zurücktreten?” Er werde “immer ein Mensch sein, der seine Verantwortung ernst nimmt”, so Wolf, aber plötzliche Brüche hätten in der Vergangenheit nicht zu einer positiven Entwicklung des Vereins beigetragen. Seine klare Meinung: “Ein Rücktritt des Vorstands hätte dem FC auch 2024 nachhaltig geschadet.” Daher wolle man “mindestens bis zum Ende dieser Amtszeit weitermachen”.
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