Es ist wohl schon jetzt die brisanteste und komplizierteste Personal-Entscheidung dieser Saison: Marvin Schwäbe hat Jonas Urbig wieder aus dem Tor des 1. FC Köln verdrängt. Und dies wirft Fragen auf.
Der Song, den Marvin Schwäbe gewählt hat, um seinen neusten Instagram-Beitrag musikalisch zu unterlegen, passt wie die Faust aufs Auge. “Oh wie schön, dich wieder lachen zu sehen”, singen Cat Ballou – und könnten hiermit Schwäbe höchstpersönlich meinen. In den vergangenen Monaten hatte der Torhüter beim 1. FC Köln wenig zu lachen gehabt. In letzten Tagen dafür umso mehr.
Plötzlich ist der 29-Jährige wieder die Nummer eins der Geißböcke, wird von den Fans mit Sprechchören gefeiert. Sowohl im DFB-Pokal gegen Holstein Kiel als auch in der Liga gegen Hertha BSC hielt er seinen Kasten sauber. Dies ließ wiederum Gerhard Struber festhalten: “Ich habe zweimal einen Marvin Schwäbe mit einer guten Präsenz und einer guten Ausstrahlung gesehen. Das tut uns gut, da bleiben wir gerade drauf.”
Die blanken Zahlen, die womöglich mit Schwäbe eingeleitete Wende, geben dem FC-Trainer recht. Doch ein Torwartwechsel ist grundsätzlich nicht irgendeine von vielen Personal-Entscheidungen. Und schon gar nicht, wenn mit Jonas Urbig das wohl größte Kölner Talent seit Florian Wirtz auf die Bank versetzt wird. Insofern sorgt Strubers Wahl trotz des kurzfristigen Erfolgs für hitzige Debatten – und wirft Fragen auf.
Warum erhielt Urbig keine Chance mit Dreierkette?
Schwäbe leistete sich bei seinen Comeback-Partien keine groben Schnitzer, bekam allerdings auch nicht wirklich viel zu tun. Dass der FC mit ihm zweimal zu null spielte, dürfte zu einem großen Maße auf das neue 3-4-1-2-System zurückzuführen sein. “Wir fühlen uns damit wohl und sind sehr stabil”, bestätigt Dominique Heintz.
Mit der Dreierkette lassen die Kölner wesentlich weniger Großchancen zu, geben somit auch ihrem Torhüter weniger zu tun. Bitter für Urbig: Da Struber zeitgleich das System und den Keeper wechselte, bekam der 21-Jährige keine Chance, sich mit drei Innenverteidigern in letzter Linie zu präsentieren. Heintz sagt zur Torhüter-Frage im Übrigen: “Mich beeinflusst das in keiner Weise. Ich verstehe mich mit beiden super.”
Sieht Schwäbe seine Zukunft überhaupt in Köln?
Es liegt gerade mal zwei Monate zurück, dass große Risse zwischen dem FC und Schwäbe sichtbar wurden. In einem Interview mit dem Kicker hatte er der Darstellung des Vereins, er habe nach dem Abstieg unbedingt wechseln wollen und dies bereits im Frühjahr angekündigt, widersprochen. Urbigs Ernennung zur Nummer eins hatte er wie folgt kommentiert: “Das war für mich natürlich extrem bitter, gerade wenn man ans Leistungsprinzip glaubt.” Ein Vorgang, der sein Verhältnis zu den FC-Verantwortlichen nicht verbessert haben dürfte.
Zeitgleich war Schwäbe zu seinem Ex-Berater Jörg Neblung zurückgekehrt – um sich für das anstehende Winter-Transferfenster zu wappnen. Als Nummer zwei wäre 89-fache Bundesliga-Profi der erste Kandidat für einen Abschied gewesen. Wie Schwäbes Plan nach der Rückkehr zwischen die Pfosten aussieht, ist unklar. Im erwähnten Interview im September hatte er, angesprochen auf einen möglichen Winterwechsel, nur erklärt: “Mein Ziel ist es, zu spielen.”
Schwäbes FC-Vertrag läuft bis 2027. Ob er seine im vergangenen Sommer ungenutzte Ausstiegsklausel im kommenden Jahr erneut aktivieren könnte, sollte der Aufstieg nicht gelingen, ist nicht bekannt. Weiterhin existent sein dürfte sein Wunsch, erstklassig zu spielen. Eine Gemengelage, die es zumindest fraglich erscheinen lässt, ob Schwäbe seine Zukunft langfristig in Köln sieht.
War’s das schon für Urbig und den FC?
Die Aussichten, Jonas Urbig über dessen Vertragsende 2026 hinaus halten zu können, dürften mit der nun vollzogenen Degradierung derweil regelrecht abgestürzt sein. Der U21-Nationaltorhüter ist längst auf dem Radar von Top-Clubs aus dem In- und Ausland, soll darüber hinaus den Plan hegen, kommende Saison in der ersten Liga zu spielen. Die Versetzung auf die Bank wird für das ehrgeizige Eigengewächs dementsprechend ein Schock gewesen sein.
„Natürlich ist er unzufrieden“, berichtet Konkurrent Schwäbe. Trainer Struber sagt: “Jonas hat sehr professionell reagiert. Er ist ein Stück weit enttäuscht, aber so ist das immer wieder im Profi-Geschäft. In einer Entwicklung muss man auch mal einen Schritt zurück machen, um wieder zwei nach vorne zu machen.“
Was genau passieren könnte, damit Urbig diese Schritte noch beim FC macht? Hier ist viel Fantasie gefragt. Denn Struber wird seine Entscheidung pro Schwäbe wohl kaum zeitnah revidieren. Laut Sky ist ein Abschied Urbigs im kommenden Sommer “wahrscheinlich” – wobei der Marktwert des Top-Talents als Nummer zwei natürlich erheblich sinken würde. Darüber hinaus soll Urbigs Lager sogar einen Abgang im Winter nicht ausschließen, sollte dem 21-Jährigen eine Rückrunde auf der Bank bevorstehen.
Der FC könnte den kurzfristigen Erfolg, der sich womöglich auch mit dem Youngster eingestellt hätte, also teuer bezahlen. Die Geißböcke blicken auf der Torhüter-Position in eine äußerst ungewisse Zukunft. Weder der Verbleib von Urbig noch jener von Schwäbe ist gesichert. Erst recht nicht, falls der aktuelle Tabellenelfte der 2. Liga auch die kommende Saison im Unterhaus verbringt.
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