fbpx

Struber über Transfers und Talente: „Der FC muss ein starker Magnet sein“

Gerhard Struber während des Trainingslagers in Estepona. (Foto: GEISSBLOG)
Gerhard Struber während des Trainingslagers in Estepona. (Foto: GEISSBLOG)

Gerhard Struber hat sein kompliziertes erstes Halbjahr als Trainer des 1. FC Köln auf Platz eins abgeschlossen und will die Geißböcke in der Rückrunde zum direkten Wiederaufstieg führen – auch mithilfe von Neuzugängen. Im ersten Teil des GEISSBLOG-Interviews spricht der Österreicher über den Transfer-Winter und den Umgang mit Talenten.

Das Interview führten Marc L. Merten und Martin Zenge

Als der GEISSBLOG kurz vor dem Interview-Termin mit Gerhard Struber in der Lobby des Teamhotels auf Christian Keller trifft, erfüllt der Sportchef die Bitte nach einer Frage an den Trainer wie folgt: Man solle beim Österreicher doch mal nachhaken, was es mit einem „Staubsackerl“ auf sich hat, erklärt Keller nach kurzer Bedenkzeit mit einem Schmunzeln. Strubers Antwort lenkt das gut einstündige Gespräch in Estepona dann schnell auf den Transfer-Winter des 1. FC Köln.

GEISSBLOG: Herr Struber, wir starten mit einer Frage, die uns Christian Keller gerade mitgegeben hat: Was genau versteht man unter einem Staubsackerl?

GERHARD STRUBER: „Ein Staubsackerl ist bei uns in Österreich eine Begrifflichkeit, die einen Menschen beschreibt, der – diplomatisch ausgedrückt – sorgsam mit finanziellen Mitteln umgeht.“ 

Haben Sie etwa Christian Keller so bezeichnet?

„Nein, es war nicht auf ihn bezogen (lacht). Es war eine Umschreibung für eine andere Person. Hintenraus habe ich dann aber gesagt: Mit der Beschreibung ist diese Person nicht alleine (schmunzelt).“

„Können ohne Sorgen über Transfers nachdenken“

Der FC pokert aktuell um weitere Winter-Zugänge. Glauben Sie, dass Sie den Begriff in den kommenden Wochen noch einmal verwenden müssen?

„Wir wissen ja alle, dass der Verein vor ein paar Jahren finanziell extrem am Boden war. Jetzt ist der FC auf einem Level, auf dem wir ohne Sorgen über Transfers nachdenken können und Geld zum Investieren haben. Trotzdem wollen wir das Geld nicht zum Fenster rauswerfen. Wir wollen das Geld richtig einsetzen. Wir wissen alle, dass wir gerne etwas machen wollen. Mit der Transfersperre waren wir länger raus aus der Nummer. Jetzt gilt es, Jungs reinzuholen, die gut zu unserem Standort passen.“

Geht es auch darum, ein Signal an die Konkurrenz zu senden? 

„Das wichtigste Signal an die Konkurrenz ist, dass wir weiter punkten. Wir wollen nicht mit Transfers Schlagzeilen machen. Wir müssen die nächsten Tage und Wochen gute Entscheidungen treffen. Mögliche Neuzugänge müssen von ihrer Mentalität, Haltung und ihrem Hunger in die Kabine passen. Jeder muss bereit sein, das Projekt mitzutragen.“  

Ein erklärter Zielmarkt des FC ist Österreich. Sie kennen die Liga natürlich bestens.

„Es gibt aus meiner Sicht einige spannende Jungs aus Österreich. Erst einmal haben generell alle den Traum, in Deutschland aufzuschlagen, weil die Bundesliga einfach eine Top-Liga ist, die in Österreich extrem wertgeschätzt und anerkannt wird. Wenn bei uns am Wochenende die Fernseher laufen, wird gefühlt immer deutsche Bundesliga geschaut. Auch die Premiere League hat einen riesigen Stellenwert, aber mit Deutschland haben wir die Nachbarschaft. Viele, viele Profis in Österreich haben die wahnsinnige Motivation, diesen Sprung zu schaffen. Aber es gibt in Europa viele interessante Länder mit interessanten Spielern für uns. Ob das Stürmer, Innenverteidiger oder Mittelfeldspieler sind.“

Du kannst eigentlich nie genug Spieler in einer Mannschaft haben, die unter Druck Führungsqualitäten ausstrahlen und vorangehen.

Gerhard Struber

In diesem Winter sucht der FC vorrangig noch einen Stürmer und einen Innenverteidiger, wobei letzterer mit Joël Schmid gefunden sein dürfte. Welche konkreten Attribute fehlen der Mannschaft aktuell? 

„Du kannst eigentlich nie genug Spieler in einer Mannschaft haben, die unter Druck Führungsqualitäten ausstrahlen und vorangehen. Da geht es auch um synergetische Effekte. Es sollten Spieler sein, die schon einiges erlebt haben und stabil sind – die wissen, was inhaltlich los ist und gleichzeitig andere Jungs mitnehmen und pushen können.“ 

Während die Verpflichtung von Schmied bevorsteht, gestaltet sich die Suche nach einem Stürmer schwieriger. (Anm. d. Red.: Inzwischen berichtete der GEISSBLOG über das Interesse an Holstein Kiels Benedikt Pichler)

„Am Ende müssen wir schauen, was das aktuelle Transferfenster hergibt. Unabhängig davon brauchen wir immer die Überzeugung, dass es die richtigen Jungs sind, die wir reinholen. Stürmer zu finden, die das Level mitbringen, um an diesem Standort direkt ins Performen zu kommen, ist nicht so leicht.“

Sie haben gesagt, dass Sie keinen Spieler holen wollen, der Tim Lemperle oder Damion Downs ersetzt. Vielmehr soll es darum gehen, die Konkurrenz zu erhöhen – und auch um eine Vorbildfunktion für die beiden Jungs? 

„Von beiden Spielern halte ich richtig, richtig viel. Von der inhaltlichen Qualität jemanden zu holen, der über den beiden steht, ist nicht so einfach. Wir brauchen jemand, der auf Augenhöhe ist und vielleicht noch ein bisschen mehr Erfahrung hat. Er sollte andere Facetten mitbringen, damit wir noch unberechenbarer werden. Und am Ende soll er natürlich den Konkurrenzkampf anheizen.“ 

Struber über Lemperles Abschied

Tim Lemperle hat seinen Abschied angekündigt. Ärgert Sie das? Sie hatten sich für eine Vertragsverlängerung starkgemacht.

„Es wird uns immer wieder passieren, dass uns Spieler verlassen. Es ist schade für die Mannschaft, dass wir einen Spieler auf dem Level verlieren, der mit seiner Entwicklung aber auch noch nicht am Zenit ist. Deshalb tut es mir für die Mannschaft und den Club leid. Entscheidend ist, dass wir von so etwas nicht überrascht sind, sondern wissen, dass etwas nachkommt, dass etwas in der Pipeline ist. Wir wollen aus dem Nachwuchs nahtlos weitere Spieler hochbringen.“

Wie können Sie solch hochtalentierte Eigengewächse künftig davon überzeugen, beim FC zu bleiben? 

„Es ist wichtig, dass der Club ein so starker Magnet ist, dass die Spieler hierbleiben und sich beim FC entwickeln wollen. Es geht darum, dass wir glaubhafte Visionen haben und uns in die richtige Richtung entwickeln. Der Club, die Stadt, das Stadion und die Atmosphäre verdienen mehr.“

Wir können unsere Energie nicht auf Spieler verteilen, bei denen wir merken, dass entscheidende Dinge fehlen. Das ist ineffizient.

Gerhard Struber

In Salzburg haben Sie jahrelang mit Top-Talenten gearbeitet. Welche Talente und Erfahrungen sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?

„Für mich ist es immer interessant, genau hinzuschauen. Als Haaland nach Salzburg kam, hat gefühlt jeder gewusst: Das wird einer. Das vorzusagen, war nicht die große Kunst, weil er so viele Dinge mitgebracht hat. Bei Szoboszlai war das anders. Als der mit 16 nach Salzburg kam, war natürlich Talent erkennbar – aber auch viele andere Dinge. Spannend wird es, wenn man bei einem Spieler die Fantasie für Entwicklungspotenzial bekommt, wenn der Spieler mit einem Trainer richtig matcht. Dazu kommt richtig harte Arbeit. Bei Szoboszlai war das der Fall. Wenn ich bei einem Spieler merke, dass er Potenzial hat, pushe ich das extrem. Wenn ich aber merke, dass das weniger der Fall ist, bin ich ein Trainer, der sagt: Das verändern wir schnell. Das klingt zwar hart, aber man muss die Ressourcen im Profibereich immer dort einsetzen, wo es Sinn macht. Wir können unsere Energie nicht auf Spieler verteilen, bei denen wir merken, dass entscheidende Dinge fehlen. Das ist ineffizient.“

Welche Fehler passieren in der Talente-Entwicklung?

„Junge Spieler zu früh auf ein Podest zu heben, nur weil sie ein bisschen talentierter als andere sind. Dann bekommst du als Spieler mitunter nicht die Resilienz und die Widerstandsfähigkeit, die du brauchst. Man muss junge Spieler viel mehr für Disziplin, Haltung und Einstellung loben – nicht für einen schönen Pass von A nach B. Das ist leider ein Phänomen, dass Spieler dauernd für Begabungen gelobt werden, die ihnen in die Wiege gelegt wurden. Gerade in dieser Social-Media-Welt, in der die Jungs leben, brauchen sie hin und wieder ein echtes, ehrliches Feedback. Dafür sind sie auch dankbar.“ 

Da Sie es eben erwähnten: Wie sieht Ihre Vision mit dem 1. FC Köln aus?

„Wir wollen eine stabile Bundesliga-Mannschaft werden und ein verlässlicher Partner für Spieler sein. Sie sollen wissen, dass sie sich entwickeln können, wenn sie in unser Boot steigen. Es gibt so einen coolen Verein wie den FC nicht so oft auf dem Planeten. Da gehört aber Stabilität rein.“ 

DAS KÖNNTE DICH AUCH INTERESSIEREN

DISKUTIER MIT!

Willkommen im Kommentarbereich des GEISSBLOG!
Hier kannst du über den 1. FC Köln diskutieren und dich mit anderen Usern austauschen. Bitte beachte dabei die Spielregeln in unserer Netiquette! Du findest sie hier und kannst sie jederzeit nachlesen. Viel Spaß!
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
23 Kommentare
Neueste
Älteste Meistbewertete
Inline-Feedbacks
Alle Kommentare anzeigen
23
0
Diskutier mit & schreib einen Kommentar!x