Rüdiger Thormann und Bernd Johannwerner haben, jeder für sich, unterschiedliche Anträge mit dem Ziel gestellt, eine hybride Mitgliederversammlung, also die Verbindung aus Vor-Ort-Veranstaltung und virtueller Teilnahme, zum Regelfall zu machen bzw. die für sie bestehenden Hürden zu reduzieren. Die Frage der Durchführung hybrider Mitgliederversammlungen ist aus der Sicht des Verfassers für die Vereinsdemokratie und für die Zukunft des Vereins von außerordentlicher Bedeutung.
Ein Gastbeitrag von Jörg Heyer
§ 13 – Vorschlag Rüdiger Thormann
Dieser Vorschlag zielt darauf ab, die Mitgliederversammlung im sog. „Virtuellen Verfahren“ zum Regelfall für den 1. FC Köln zu machen. Ziel ist, dass nicht, wie bisher, nur ein kleiner Teil der über 110.000 Mitglieder die praktische Chance hat, an der Willensbildung in der Mitgliederversammlung teilzunehmen.
Vorangestellt sei, dass es sich bei einer Mitgliederversammlung im „Virtuellen Verfahren“ keinesfalls um eine rein virtuelle Mitgliederversammlung handelt, wie sie nun im Ausnahmefall einer Pandemie am 17. Juni 2021 durchgeführt wird. Der Begriff „Virtuelles Verfahren“ ist in der Satzung klar definiert und beschreibt eine Mitgliederversammlung, die Präsenzteilnahme und virtuelle Teilnahme kombiniert und somit die im heutigen Sprachgebrauch „hybride“ Form beschreibt.
Um dieses Ziel zu erreichen, sieht der Vorschlag vier Änderungen vor:
Es soll ein neuer Satz an § 13.2 angefügt werden, wonach die Mitgliederversammlung im „Virtuellen Verfahren“ durchgeführt werden soll, wenn der Verein mehr als 50.000 stimmberechtigte Mitglieder hat. Eine Soll-Regelung bedeutet weniger als „müssen“, aber mehr als „können“ (was dem aktuellen Satzungsinhalt entspricht). Eine Soll-Regelung schränkt aber die Ermessensfreiheit des Adressaten ein. Durch das „soll“ würde also das Ermessen des Vorstands bei der Entscheidung über die Mitgliederversammlung insofern gebunden, als Abweichungen von der Soll-Vorschrift, wonach die Mitgliederversammlung im „Virtuellen Verfahren“ durchzuführen ist, eines sachlichen Grundes bedürfen, um nicht pflichtwidrig zu sein. Sollte der Vorstand unter Geltung der vorgeschlagenen Regelung also z.B. eine reine Präsenzversammlung abhalten wollen, müsste es dafür einen legitimen sachlichen Grund geben. Kein legitimer sachlicher Grund in diesem Sinne wäre z.B. der Wunsch, in erster Linie regelmäßige Stadionbesucher an der Mitgliederversammlung teilnehmen zu lassen. Ziel des Vorschlags ist also nicht eine zwingende Festlegung auf das „Virtuelle Verfahren“ unter allen (heute nicht vollständig absehbaren) Umständen, sondern die Festlegung des „Virtuellen Verfahrens“ als Regelfall.
Gestrichen werden soll die Notwendigkeit der Zustimmung des Mitgliederrats zum „Virtuellen Verfahren“. Das ist aus zwei Gründen notwendig in der Logik des Vorschlags: Zum Einen darf der Mitgliederrat nicht der Anwendung des Regelfalls zustimmen müssen. Regelfall ist Regelfall. Zum Zweiten haben die Diskussionen um das Thema „Virtuelle Mitgliederversammlung“ in der Vergangenheit bis in die jüngste Gegenwart hinein gezeigt, dass maßgebliche Stimmen im aktuellen Mitgliederrat strikt dagegen sind. Die Durchführung der hybriden Mitgliederversammlung auch in Zukunft von der Zustimmung des Mitgliederrats abhängig zu machen, hieße, jedenfalls bei dessen aktueller Besetzung, das Thema faktisch aufzugeben.
Da es sich bei der hybriden Mitgliederversammlung, also der Versammlung im „Virtuellen Verfahren“, um den Regelfall handeln soll, muss auch der Einschub „aber in keinem Fall verpflichtet“ gestrichen werden – denn im Regelfall soll der Vorstand ja zur Durchführung der hybriden Mitgliederversammlung verpflichtet sein.
Eine Formalität ist die Änderung in Ziffer 13.1, sie macht deutlich, dass Abweichungen vom gesetzlichen Regelfall (der Präsenzsitzung) nicht nur vom Gesetz, sondern auch von der Satzung vorgeschrieben werden können.
Es wäre keine Überraschung, wenn von den Gegnern der verbesserten Beteiligung der Mitglieder im Verein der Versuch unternommen würde, diesen Satzungsänderungsvorschlag aufgrund der darin verwendeten Begrifflichkeit „virtuelles Verfahren“ in Frage zu stellen und Verwirrung zu stiften, indem ein Unterschied zum hybriden Verfahren zu behaupten, bei dem Mitglieder sowohl in Präsenz als auch online teilnehmen können. Dieser Einwand wäre unzutreffend: Die Satzung des 1. FC Köln beschreibt das „Virtuelle Verfahren“ in § 13.2 Satz 1 so, dass „Mitglieder an der Mitgliederversammlung auch ohne Anwesenheit an deren Ort teilnehmen und sämtliche oder einzelne Rechte ganz oder teilweise ausüben können (,Virtuelles Verfahren‘)“ (Unterstreichung durch den Verfasser). Das so beschriebene Verfahren, bei dem es einen (realen, physischen) Ort der Mitgliederversammlung gibt, und Mitglieder auch ohne Anwesenheit an diesem Ort teilnehmen können, wird im heutigen, Corona-geschulten Sprachgebrauch „hybrid“ genannt. Die Satzung macht aber deutlich, dass es ihr mit dem virtuellen Verfahren auch um das geht, was heute „hybrid“ genannt wird. Dies ergibt sich insbesondere aus § 13.2 Satz 4, wonach im Fall der virtuellen Mitgliederversammlung der Vorstand das Recht hat, die Ausübung bestimmter Rechte auf die im Präsenzverfahren (an der virtuellen Mitgliederversammlung!) teilnehmenden Mitglieder zu beschränken. Dieser Satz ergäbe keinen Sinn, wäre mit dem virtuellen Verfahren nicht zumindest auch eine hybride Mitgliederversammlung gemeint. Ein Antrag, der in der Satzung des 1. FC Köln das „Virtuelle Verfahren“ zur Regel machen will, meint also nach dem insoweit eindeutigen Satzungsinhalt mindestens auch die hybride Versammlung.
In der Umsetzung wären auch Alternativen denkbar gewesen, zum Beispiel die Änderung der Begrifflichkeiten in der Satzung (hybrid/virtuell) oder eine starre Verpflichtung des Vorstands anstelle einer Soll-Bestimmung. Der Vorschlag passt sich stattdessen in die vorhandene Satzungsstruktur ein, um nicht mehr zu ändern als notwendig. Dabei lässt er auch die Möglichkeit offen, aus konkreten Gründen im Einzelfall oder bei sinkenden Mitgliederzahlen zur reinen Präsenzversammlung zurückzukehren. Die vorgeschlagene Regelung definiert einen Regelfall, der der Vereinsdemokratie aufhilft, ist aber andererseits flexibel genug, dem Vorstand die Letztentscheidung zu überlassen, wenn stichhaltige (allerdings derzeit nicht absehbare) Gründe das reine Präsenzverfahren erfordern.
Bei der Bewertung dieses Satzungsänderungsvorschlags muss ich zunächst festhalten, dass mir hier die Objektivität fehlt; zur Verdeutlichung wechsele ich vorübergehend in die erste Person Singular. Die Herstellung realistischer Teilhabemöglichkeiten für die FC-Mitglieder auf der ganzen Welt und besonders für diejenigen, die aus Alters- oder Gesundheitsgründen nicht in Präsenz teilnehmen können, ist mir ein Anliegen, das auch schon im letzten Herbst zu einer intensiven Diskussion geführt hat. Ein Verein mit einer sechsstelligen Mitgliederzahl kann nicht mehr an den heute gegebenen technischen Möglichkeiten vorbeisehen, wenn er die Chance hat, allen Mitgliedern die Teilhabe auch praktisch zu ermöglichen. Das gilt völlig unabhängig von der Pandemiesituation. In den Präsenzversammlungen der letzten Jahre ist zudem der Eindruck entstanden, dass nur ein Teil der zahlreichen Strömungen in der Mitgliedschaft des FC stark und lautstark vertreten war. Eine hybride Mitgliederversammlung im „Virtuellen Verfahren“ wird daher aus meiner festen Überzeugung nicht nur zu mehr Demokratie im Verein führen, sondern auch zu mehr Diversität in der Mitgliederversammlung.
Ich stehe uneingeschränkt hinter der Intention des Satzungsänderungsvorschlags und lege daher der Mitgliederversammlung dringend ans Herz, die Vereinsdemokratie durch Annahme dieses maßvollen und vernünftigen Satzungsänderungsvorschlags zu fördern. Man hätte sich gewünscht, dass ein Vorschlag in dieser Richtung vom Verein selbst kommt. Aber das war wohl mit dem Vorstand und dem Mitgliederrat nicht zu machen.
§ 13.2 – Vorschlag Bernd Johannwerner
Auch der Vorschlag von Bernd Johannwerner, einem langgedienten FC-Ehrenmitglied mit umfangreicher Gremienmitarbeit in der Vergangenheit, zielt auf Aspekte einer hybriden Mitgliederversammlung im „Virtuellen Verfahren“, ist aber weniger weitreichend als der Vorschlag von Rüdiger Thormann.
Zunächst wird vorgeschlagen, das „Virtuelle Verfahren“ nicht mehr von der Zustimmung des Mitgliederrats abhängig zu machen. In diesem Punkt entspricht der Vorschlag dem von Rüdiger Thormann und verdient aus den oben aufgeführten Gründen Zustimmung.
Weiter schlägt Bernd Johannwerner vor, die Möglichkeit für den Vorstand zu streichen, im Falle der hybriden Mitgliederversammlung Rede- und Fragerecht auf die präsenten Mitglieder zu beschränken. Bernd Johannwerner begründet das damit, dass ansonsten der Gleichheitssatz nicht beachtet würde. Es ist zwar richtig, dass virtuell an der Mitgliederversammlung teilnehmende Mitglieder im Falle einer Beschränkung ihres Rede- und Fragerechts in dieser Hinsicht nicht mit den im Präsenzverfahren teilnehmenden Mitgliedern gleichbehandelt werden – allerdings nimmt das Vereinsrecht dies im Praktikabilitätsinteresse hin. Wenn umgekehrt die Möglichkeit gestrichen würde, Rede- und Fragerecht auf die körperlich anwesenden Mitglieder zu beschränken, würde die satzungskonforme Durchführung einer hybriden Mitgliederversammlung im „Virtuellen Verfahren“ erheblich erschwert und insbesondere mit einem erhöhten Risiko von Angriffen auf Beschlüsse wegen (angeblicher) Verletzungen des Rede- und Fragerechts nicht körperlich anwesender Mitglieder belastet. Da anzunehmen ist, dass Bernd Johannwerner mit seinem Antrag die Wahrscheinlichkeit hybrider Mitgliederversammlungen im „Virtuellen Verfahren“ insgesamt erhöhen will, droht der zweite Teil seines Antrags kontraproduktive Wirkungen zu haben. Aus diesem Grund und weil der erste Teil seines Antrags auch in dem Satzungsänderungsantrag von Herrn Thormann enthalten ist, wäre im Interesse der rechtssicheren Durchführbarkeit hybrider Mitgliederversammlungen im „Virtuellen Verfahren“ dem Änderungsantrag von Bernd Johannwerner nicht zuzustimmen.
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