Steffen Baumgart muss in der Rückrunde mit dem Kader auskommen, den er hat. Doch was passiert im Sommer? Im zweiten Teil des großen GEISSBLOG-Interviews erklärt der Trainer des 1. FC Köln, wie es personell bei den Geißböcken weitergehen soll. (Hier geht’s zum ersten Teil des Interviews)
Das Interview führten Sonja Eich, Josef Diller und Marc L. Merten
GEISSBLOG: Die Länderspielpause im März ist für Klubs wie Spieler normalerweise ein wichtiger Einschnitt, um erste Personalien für die neue Saison zu entscheiden. Auch der FC?
STEFFEN BAUMGART: „Diese Dinge laufen das ganze Jahr über im Hintergrund. Der Prozess, eine Mannschaft zu entwickeln, zu gucken, wo man Potenzial sieht, ist nicht von einer Länderspielpause abhängig.“
Was macht es als Trainer für einen Unterschied, wenn bei einem Spieler wie Kingsley Schindler schon die Entscheidung getroffen wurde, dass sein Vertrag nicht verlängert wird?
„King weiß, was ich an ihm schätze und wie ich mir das in der Zukunft vorstelle. Das haben wir klar besprochen. Er trainiert gut und bringt seine Leistung, wenn er eingewechselt wird. Ich würde einen Spieler nicht so häufig bringen, der im Kopf nicht mehr da ist. Deswegen ist die Entscheidung nicht gefallen. Solange ein Spieler bei mir ist, wird er auch so behandelt.“
Es ist auffällig, dass sich der FC praktisch ausschließlich nach Spielern umsieht, die Deutsch sprechen.
„Der Grund ist der Trainer. Der spricht nur Deutsch. Mein Englisch ist nicht gut. Und ich lebe von dem, was ich sage und wie ich es sage. Deshalb ist das sehr wichtig für mich. René Wagner und Kevin McKenna sprechen Englisch, am Ende bekomme ich es also für alle rüber, aber es sollte hauptsächlich Deutsch gesprochen werden.“
Neben der Sprache: Nach welchen Qualitäten halten Sie denn jetzt bei potentiellen Neuzugängen Ausschau?
„In erster Linie müssen die Spieler zu uns wollen. Die Art und Weise, wie wir Fußball spielen, musst du jeden Tag wollen. Wenn du jeden Tag auf diese Art und Weise trainierst, tut das weh. Die Spieler müssen darüber hinaus Fähigkeiten haben, die unserem Spiel entgegenkommen. Sie brauchen eine vernünftige Geschwindigkeit, Zweikampfhärte und das Vermögen, laufen zu können. Und dann kommt es auf die Position an.“
Zum Beispiel?
„Wie stellen wir uns einen Innenverteidiger vor? Muss er unbedingt schnell sein? Das wäre zwar gut, aber es wäre auch nicht schlecht, wenn er den Ball von A nach B bringen kann. Wir wollen auch keinen Zehner, der nur mit dem Arsch wackelt. Unser Zehner muss auch anlaufen können. Vorne haben wir mit Steffen Tigges, Davie Selke und Florian Dietz drei große Mittelstürmer. Vielleicht brauchen wir aber auch einen vierten, der noch andere Eigenschaften mitbringt. Als schnellen Spieler drum herum haben wir mit Linton Maina im Moment nur einen. Wir haben auch keinen guten Eins-gegen-Eins-Spieler. Wir denken also über einige Sachen nach.“
Inwieweit sind die zahlreichen Offensivtalente eingeplant? Neben Tim Lemperle und Florian Dietz sind das ja mit Diehl, Downs, Potocnik und Schmid noch weitere. Die können gar nicht alle eingebunden werden, oder?
„Ich glaube auch nicht, dass alle schon Bundesliga spielen können. Es wäre schön, wenn wir nächstes Jahr eine Mannschaft hätten, die nicht nur durch Talent auf sich aufmerksam macht, sondern auch durch Bundesliga-Spieler, die Spiele gewinnen können. Wir werden auf den Nachwuchs bauen, müssen aber gucken, dass wir Bundesliga-Spieler dazu bekommen. Dann wird es auch einfacher, die Talente einzubauen. Justin Diehl ist doch das beste Beispiel: Im Training macht er Dinge, die kannst du ihm als Trainer nicht beibringen. Es ist aber etwas ganz anderes, wenn Du das vor 50.000 Zuschauern im Stadion abrufen musst. Das, was du im Training leistest, in die Spiele zu bringen, ist vielleicht der schwerste Schritt.“
Wie lange dauert dieser Weg?
„Aus meiner Sicht braucht jeder Nachwuchs-Spieler mindestens zwei Jahre, um über das Mannschaftstraining und über die Regionalliga im Männer-Fußball anzukommen. Im dritten, vierten Jahr kommt bei den meisten der Durchbruch.“
Oder die Spieler gehen den Umweg über eine Leihe.
„Genau. Jens Castrop zum Beispiel hat sich in Nürnberg bislang bei jedem Trainer durchgesetzt. Er macht das als 19-Jähriger sehr gut. Die Frage ist, ob er die Geduld hat, bei einem Verein wie Nürnberg weiterzumachen oder ob er sich schon bei anderen Klubs sieht, wo er vielleicht weniger spielen würde. Es ist wichtig, Geduld zu haben, um ganz oben anzukommen.“
Der FC könnte Jens Castrop im Sommer zurückholen. In Nürnberg hat er im zentralen Mittelfeld begonnen, jetzt spielt er sich als Rechtsverteidiger in Blickfeld. Welche Rolle spielt er in Ihren Gedanken für die kommende Saison?
„Die Option, ihn zurückzuholen, ist da. Die entscheidende Frage ist, ob Jens schon für die Bundesliga bereit ist. Im Moment haben wir mit Benno Schmitz einen gestandenen Rechtsverteidiger auf der Position. Ich weiß nicht, ob es der richtige Weg wäre, Jens zurückzuholen und ihn hinter Benno einzuplanen. Auf der Sechserposition macht es Eric Martel aktuell sehr gut. Auch Denis Huseinbasic wird dann ein Jahr weiter sein. Wenn ich heute entscheiden müsste, wüsste ich nicht, ob Jens bei uns spielen würde. Trotzdem sehen wir sein Talent und seine Entwicklung.“
Sie sagen, der FC braucht für die neue Saison fertige Bundesliga-Spieler. Sie haben sich zuletzt aber auch zweimal ein Spiel des 1. FC Saarbrücken angeschaut – mutmaßlich wegen Luca Kerber.
„Ich würde nie zu einem Spiel fahren, um mir nur einen einzigen Spieler anzugucken. Ich finde es spannend, dass ich zu einem Spiel fahre und plötzlich in der Zeitung steht, für welchen Spieler ich mich interessiere. Da muss ich schmunzeln. Ich weiß, was Luca Kerber kann, aber bei Saarbrücken hat mir ein ganz anderer Spieler viel besser gefallen, der nirgendwo auf einer Liste steht.“
Wer denn?
„Netter Versuch.“
Haben Sie denn schon den nächsten Denis Huseinbasic gefunden?
„Ich würde gerne hoffen, dass es den nächsten geben wird. Wir legen völlig zurecht sehr großen Wert auf unsere Nachwuchsarbeit, aber wenn du wie jetzt in eine schwierige Phase kommst, brauchst du auch erfahrene Spieler wie Jonas Hector, Florian Kainz oder Benno Schmitz. Die Balance muss stimmen. Die Bundesliga hältst du nicht mit Nachwuchsspielern.“
Hat der FC die Abgänge von Anthony Modeste und Salih Özcan sowie den Ausfall von Mark Uth unterschätzt?
„Von den 52 Toren, die wir in der vergangenen Saison erzielt haben, waren Mark Uth und Anthony Modeste für die Hälfte verantwortlich. In dem Teich, in dem wir schwimmen, findest du auf Anhieb keinen Stürmer, der dir zehn bis 15 Tore garantiert. Mit Tiggi und Sargis haben wir zwei Spieler mit Potenzial geholt. Wenn ihnen dann auch noch der Spieler fehlt, der die Tore normalerweise vorbereitet, wird es schwieriger. Marks Ausfall wiegt richtig schwer. Einen Zehner zu haben, der das hat, was Mark hat, findest du nicht in der Bundesliga. Wenn der dir ein Jahr ausfällt, ist das nicht zu kompensieren.“
Uth war nicht der einzige Ausfall, den der FC nicht kompensieren konnte.
„Das stimmt. Jan Thielmann war einer der wichtigsten jungen Spieler im vergangenen Jahr. Von den letzten 250 Tagen war er aber gefühlt 150 Tage krank oder verletzt. Dann fielen Dejan Ljubicic, Luca Kilian und Kristian Pedersen plötzlich drei Monate aus. Das macht etwas mit der Qualität im Kader. Nehmen wir das Spiel bei der Hertha im November: In der zweiten Halbzeit habe ich in leere Augen geguckt. Da können alle über Taktik reden, aber es waren diese Ausfälle, die uns richtig wehgetan haben. Wir haben keinen 30er-Kader, in dem 25 Bundesliga-Spieler stehen. Wir haben 16 Bundesliga-Spieler und dazu neun, die talentiert sind.“
Da wird einem etwas mulmig, wenn man daran denkt, dass im Sommer auch noch Ellyes Skhiri und Jonas Hector den Verein verlassen könnten. Wie wäre das für den Verein noch zu kompensieren?
„Gar nicht. Allein die Charaktere bekommen wir auf keinen Fall aufgefangen. Ellyes ist ein Vorbild. Er läuft nicht durch die Kabine und macht Stimmung. Aber allein, wie und wann er arbeitet, wie ehrgeizig er ist, ist für alle eine Messlatte. Jonas ist nicht einfach nur wichtig. Er ist der Kopf. Es gibt Spieler, die stehen über den Dingen. So einen besonderen Spieler wie Jonas gibt es kein zweites Mal. Auch wenn er das gar nicht will: Er ist das Licht.“
Umso wichtiger wäre es, wenn er noch ein Jahr dranhängen würde.
„Ich freue mich jeden Tag, dass ich ihn habe. Ich genieße das als Trainer. Wenn es nach dem Sommer vorbei sein sollte, bin ich stolz, mit ihm gearbeitet zu haben und dass er mir in dieser Zeit das Vertrauen geschenkt hat. Wenn er weiter macht, freue ich mich noch mehr.“
Hier kannst du über den 1. FC Köln diskutieren und dich mit anderen Usern austauschen. Bitte beachte dabei die Spielregeln in unserer Netiquette! Du findest sie hier und kannst sie jederzeit nachlesen. Viel Spaß!