Eine neue Statistik des kicker sorgt vor allem bei Fans des 1. FC Köln für Verwunderung. Demnach führt ausgerechnet Bayer Leverkusen die Tabelle mit den meist geförderten U23-Spielern in den Bundesliga-Kadern an. Doch das Ranking verfälscht die Realität.
Der kicker hat am Donnerstag die Ausbildung junger Spieler in der Bundesliga analysiert und nach Gründen gesucht. Die Grundlage der Geschichte lieferte ein Überblick über die Anzahl an Spielern unter 23 Jahren, ihre Einsatzminuten in der abgelaufenen Saison sowie der Anteil an DFB-spielberechtigten Spielern.
Demnach hat Bayer 04 Leverkusen in der Saison 2022/23 die U23-Talente am besten gefördert und ihnen die meiste Spielzeit gegeben, dabei auch insgesamt die drittmeisten U23-Talente zum Einsatz gebracht. Der 1. FC Köln lag in diesem Vergleich nur auf Rang zehn (Einsatzminuten) respektive Rang 14 (Anzahl U23-Spieler im Kader).
Suche nach Superstars führt ins Ausland
Was in dieser Analyse und insbesondere für das Argument zur Ausbildung junger, deutscher Spieler für den DFB jedoch fehlte: eine ergänzende Übersicht über die Anzahl an Spielern, die von den Vereinen aus dem jeweils eigenen Nachwuchs gefördert und in den Profi-Kader übernommen wurden sowie ihre Einsatzzeiten.
Denn: Seit Jahren machen es sich insbesondere Mannschaften wie Leverkusen, Wolfsburg, Leipzig, Dortmund oder Bayern leicht. Weil sie in ihren Nachwuchsleistungszentren keine eigenen Talente fördern, investieren sie vor allem in ihr Scouting im Ausland und räumen dort sowie bei den Top-NLZs in Deutschland die Regale an jungen Spielern leer. Alles mit der Hoffnung, den nächsten Bellingham, Wirtz, Davies, Nmecha oder Haaland zu verpflichten – weil man es dem eigenen Nachwuchs nicht zutraut.
Bayers wahre Bilanz ist blamabel
Nicht jeder Klub hat den Luxus eines externen Nachwuchsteams wie Red Bull in Salzburg und Liefering. RB Leipzig hat bis heute kein einziges (!) Talent aus dem eigenen Nachwuchs bei den Profi etablieren können. Bayer Leverkusen kommt in den letzten zehn Jahren trotz aller Wettbewerbsvorteile im Vergleich zum 1. FC Köln nur auf zwei Talente: Kai Havertz und Benjamin Henrichs. Ähnlich sieht es bei den anderen Top-Klubs aus.
Und so hätte dieser Analyse ein zweiter Blick in die Liste der Talente aus dem eigenen Nachwuchs geholfen. Nicht nur, weil an Nummer eins dieser Tabelle der 1. FC Köln steht. Allen 18 Bundesliga-Vereinen ist eigen, dass in dieser Liste auch reine “Trainings-Talente” aufgezählt werden, also Spieler, die in jungem Alter bereits bei den Profis mittrainieren dürfen, wenngleich sie keine Chance auf Pflichtspiel-Einsätze haben. So auch beim FC.
Der Weg der finanzschwächeren Klubs
Dennoch stellt diese Übersicht die Talentförderung in einem ganz anderen Licht da: Während Köln, Mainz und Freiburg dort ganz oben stehen, finden sie sich in der kicker-Übersicht unter “ferner liefen” wieder. Der Grund ist kein Mysterium: Das Trio ist weniger zahlungskräftig als die oben genannten Klubs, muss also in der Kaderplanung eine gesunde Mischung aus erfahrenen Spielern (häufig externe Neuzugänge) und talentierten Youngstern (meist Eigengewächse) finden.
Zudem nutzen diese Klubs den verlorenen Fokus der Top-Klubs auf ihren eigenen Nachwuchs aus: So hat der 1. FC Köln zuletzt nicht nur die eigenen NLZ-Talente gefördert (jeder U19-Spieler aus dem 2004er-Jahrgang durfte 2022/23 mindestens eine Woche lang unter Baumgart trainieren). Mit Eric Martel und Steffen Tigges investierte der FC in zwei junge Spieler, die sich in ihren Heimatklubs (Leipzig, Dortmund) nie als Profis hätten etablieren können.
Freiburg macht es allen vor
Während Bellingham, Haaland oder auch Wirtz in den vergangenen Jahren aggressiv abgeworben wurden, buhlte der FC um Talente, die ansonsten womöglich unter dem Radar geblieben wären, und gab ihnen eine Chance. Was für die Profis gilt, gilt auch für den FC-Nachwuchs. In den Worten von Stefan Ruthenbeck: “Wir verpflichten keine Spieler aus der U19 von Ajax oder PSG – wir holen die Jungs aus Unterrath oder Trier. Der FC ist abhängig davon, was meine Trainerkollegen in den U-Mannschaften machen. Und die machen eine richtig gute Arbeit.” Dazu gehört Ruthenbeck freilich selbst.
In der Bundesliga kommt der FC trotzdem aktuell an einen Klub nicht heran: Der SC Freiburg macht es der gesamten Liga vor. Nicht nur haben die Breisgauer in ihrer Region ein Alleinstellungsmerkmal und großes Einzugsgebiet ohne ernsthafte Konkurrenz. Sie haben ihre U21 inzwischen so aufgestellt, dass sie in der abgelaufenen Saison sportlich in die Zweite Liga hätte aufsteigen können (als Vize-Meister der Dritten Liga).
So baut der FC seinen Nachwuchs um
So weit ist der 1. FC Köln längst nicht. Doch die Geißböcke wollen ihren Nachwuchs verändern, auch die Rolle der U21. Bislang führte die Ausbildung der FC-Talente aus den ganz jungen Mannschaften über die U17 bis zur U19. Dann war Schluss. Entweder reichte es für die Profis oder die Spieler konnten sich entscheiden zur U21 zu gehen oder den Verein zu verlassen.
Künftig soll es nach GEISSBLOG-Informationen anders verlaufen. Von vorne herein soll den Spielern schon jung vermittelt werden, dass ihr Weg nach der U19 noch nicht vorbei ist. Die U21 soll als natürlicher Schritt in den Profibereich angesehen werden, als letzte und höchste Ausbildungsstufe der Talente. Erst auf dieser Stufe soll der Sprung zum Profi eingeleitet werden – und nur bei Ausnahmetalenten bereits während der U19.
Ausgerechnet Rudi Völler…
Auch deswegen führen einige Bundesliga-Klubs, darunter Leverkusen, Leipzig und Frankfurt, nun wieder die zweite Mannschaft ein, nachdem es einen Trend gegeben hatte, die U21 abzuschaffen. Derweil kritisiert ausgerechnet Rudi Völler – nun wieder im Dienst des DFB – die Ausbildung deutscher Talente. Dabei gehörte er selbst jahrelang als Bayer-Boss zu denjenigen, die es in Leverkusen vormachten, wie es nicht geht. Auch nicht im Sinne der deutschen Nationalmannschaft.
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