Der 1. FC Köln steckt in der Krise, statt sich in der Bundesliga in Richtung Top Ten zu entwickeln. Wie weit ist der Club mit seinem “FC-Matchplan”, vor zwei Jahren vom Vorstand vorgestellt, wirklich schon gekommen? Eine Zwischenbilanz.
Als der amtierende Vorstand des 1. FC Köln im Sommer 2021 den “FC-Matchplan” präsentierte, waren bereits zwei Jahre der Amtszeit vergangen. Doch mit dem vorgelegten Sieben-Jahres-Plan wollte der FC so richtig durchstarten. Das Ziel: in sieben Jahren (also bis 2028) in den Top Ten der Bundesliga ankommen – und dort bleiben.
Dafür hatte das Präsidium zehn “Spielfelder” definiert, in denen der Club neue Wege gehen sollte. Über allem standen zwei Ziele: Erstens will der 1. FC Köln den Kaderwert der Bundesliga-Mannschaft in die Top Ten der Liga führen – denn der Vorstand gab zu, dass Geld eben doch Tore schieße. Zweitens wollte man künftig zusätzlich 25 Millionen Euro pro Jahr außerhalb (!) des Sports generieren. Dieser Mehrumsatz sollte dann in die sportliche Entwicklung fließen.
Mitgliederrat kritisiert Vorstand
Wie viel davon ist zwei Jahre nach Vorstellung der Strategie schon umgesetzt? Glaubt man den Worten von Mitgliederrats-Chef Ho-Yeon Kim, ist von echten Ergebnissen noch nicht viel zu sehen. “Das Ziel dieses Plans ist, einen Rückstand zur Konkurrenz aufholen”, sagte Kim dem GEISSBLOG. “Daher reicht es nicht, dass wir uns genauso schnell entwickeln wie andere Clubs. Wir müssen uns schneller entwickeln.” Doch genau das passiert noch nicht.
Der GEISSBLOG wirft daher vor der Mitgliederversammlung einen Blick auf die “Spielfelder” und auf die damit verbundenen Schritte, die eingeleitet werden sollten:
1 | Werte |
2 | Marketing & Merchandising 4.0 |
3 | Stadionerlebnis der Zukunft |
4 | neue Sponsoring-Konzepte |
5 | Fan- und Mitglieder-Zentrierung |
6 | Diversifikation & New Business |
7 | Digitalisierung & Analysefähigkeiten |
8 | Internationalisierung |
9 | Fokus auf die Jugend |
10 | Kaderwertsteigerung |
Zehn Spielfelder, in die mehrere andere Bereiche zusätzlich einfließen sollten: die personelle Umbesetzung der Geschäftsstelle, die Erarbeitung einer einheitlichen Spielidee vom Nachwuchs bis zu den Profis, die finanzielle Sanierung auf allen Ebenen und der Geißbockheim-Ausbau (oder alternative Lösungen).
1. Werte
Der 1. FC Köln hat ein neues Werte-Rad vorgestellt. Erarbeitet zwischen Geschäftsführung, Vorstand und Mitgliederrat, soll dieser Kanon die Grundlagen jedweden Handelns auf allen Ebenen des Clubs darstellen. Das Werte-Rad bringt zwar keinen Umsatz, soll aber die Basis für den gesamten FC sein.
2. Marketing & Merchandising 4.0
Für diesen Bereich wurde Markus Rejek verpflichtet. Der Geschäftsführer ist aber erst seit zehn Monaten im Amt. Eine erste Entscheidung: “Spürbar anders” bleibt der Claim des FC. Darüber hinaus sucht Rejek noch seine Position in der Geschäftsführung. Bestes Beispiel: Das Werte-Rad sollte Rejek eigentlich mitgestalten, dafür war er geholt worden. Als er kam, waren die meisten Entscheidungen aber schon getroffen worden. Damals soll es intern große Spannungen gegeben haben. Immerhin: Das Merchandising boomt, Ausrüster Hummel trifft insbesondere mit den Trikots den Nerv der Fans. Die Folge: ein deutlich gestiegener Umsatz.
3. Stadionerlebnis der Zukunft
Die Fans des 1. FC Köln erleben im Kleinen bereits einige Veränderungen zur neuen Saison im RheinEnergieStadion: mehr Videos, weniger Interviews, dazu wurde die neue Hymne der Höhner getestet (und von den Fans abgelehnt). Es werden neue VIP-Plätze geschaffen, die eine Million Euro Mehreinnahmen bescheren sollen. Doch das sind nur erste Veränderungen. Es soll auch darum gehen, ob perspektivisch ein virtuelles Stadionerlebnis möglich sein wird – für Fans zu Hause mit VR-Brillen und mit neuen Vermarktungsoptionen. Unterm Strich: mehr Umsatz durch mehr VIP-Plätze, aber sonst noch viel vage Zukunftsmusik.
4. Neue Sponsoring-Konzepte
Dass Sponsoren wechseln, ist nichts Neues. Ob jedoch bereits neue Konzepte erarbeitet wurden, ist nicht bekannt.
5. Fan- und Mitglieder-Zentrierung
Der 1. FC Köln stellt sich medial neu auf und will nun selbst zu einem Medienunternehmen werden. Basis dafür sind eine neue Website und eine neue App, deren Relaunch bevorsteht. So will man näher an die Fans und durch eigene Berichterstattung selbst mehr Inhalte vermitteln. Allerdings hat man auch die Doku (24/7 FC) aus Kostengründen eingestellt, die viele Fans mochten. Der Fan-Dialog läuft im Hintergrund, dazu wurden die Gespräche mit der aktiven Fanszene wieder intensiviert. Auch die Stadionverbotskommission soll überarbeitet werden. Bilanz: weniger Kosten bei der Doku, dafür sehr hohe Kosten bei den DFB-Strafen für Fehlverhalten der Fans.
6. Diversifikation & New Business
Der FC hat in den letzten Jahren immer wieder in Start-ups investiert und seine eSports-Sparte ausgebaut. Dazu sind jedoch weder Investitionsvolumen noch Wertsteigerungen bekannt. Auch ist nicht bekannt, wie der FC künftig mit seinen Beteiligungen verfahren will.
7. Digitalisierung & Analysefähigkeiten
Noch unter Lukas Berg wurde ein Digitalisierungskonzept für den sportlichen Bereich entwickelt. Dieses kostet über eine Million Euro und wurde zunächst aus Kostengründen nicht umgesetzt. Der FC will seine sportliche Datenerfassung vereinheitlichen und von Mannschaft zu Mannschaft vergleichbar machen – über alle Trainings- und Betreuungsbereiche hinweg. Auch soll das Scouting verstärkt auf Datenanalyse beruhen. Wann das Konzept umgesetzt wird, ist nicht bekannt.
8. Internationalisierung
Einer der größten Bereiche, in denen der FC bislang fast nichts vorzuweisen hat. Eine USA-Reise, die die Verantwortlichen selbst nur als Tropfen auf dem heißen Stein betrachteten, und kleinere Projekte in Japan wurden auf den Weg gebracht. Doch daraus ist bislang nichts resultiert, wovon der FC profitieren könnte. Kein Sponsoring-Partner, keine Spieler, kein Knowhow-Transfer nach Köln. Der Bereich, der mit die größten Einnahmepotentiale verspricht, liegt bislang nahezu brach.
9. Fokus auf die Jugend
Der 1. FC Köln rühmt sich für seine Nachwuchsarbeit. Max Finkgräfe und Damion Downs debütierten diese Saison bereits bei den Profis. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass mit Justin Diehl das wohl größte aller Talente den Club verlassen will (2024 ablösefrei) und dass die Nachwuchsteams in dieser Saison nur schwerlich mit den absoluten Top-Teams konkurrieren können (insbesondere die U17). Die Trainingsbedingungen sind bekanntlich lausig, das Geld für Top-Transfers nicht da. Die Trainer tun ihr Bestes, die Scouts kämpfen um die größten Talente im Rheinland, die Spieler leisten Großes (DFB-Pokal-Sieg der U19). Doch die Konkurrenz zieht sichtbar davon – nicht nur Dortmund und Schalke, sondern inzwischen auch Leverkusen. Aus den unteren Jahrgängen kommt zu wenig nach, um die Erwartungen erfüllen zu können.
10. Kaderwertsteigerung
Das größte Versprechen des FC-Vorstands war die Marktwertsteigerung des Profi-Kaders. Doch diese gibt es bislang nicht. Die Wahrheit lautet: Der FC hat in den letzten Jahren an Marktwert verloren. Das Präsidium hatte die Strategie auf Basis der Transfermarkt.de-Werte erstellt, und so zeigt diese nun: Gemessen am durchschnittlichen Marktwert pro Spieler haben in den letzten zwei Jahren nur fünf Teams an Wert verloren: Eintracht Frankfurt (aber nur wegen des ersatzlosen Last-Minute-Verkaufs von Randal Kolo Muani), Borussia Mönchengladbach, die TSG Hoffenheim, der VfB Stuttgart und eben der FC. Nur die SGE und Gladbach verloren mehr Wert pro Spieler als die Geißböcke – und damit eigentlich nur Gladbach, wenn man Kolo Muani einbezieht.
Die Lücke nach oben ist also größer geworden. Während die meisten Clubs in der Liga nicht nur weiter einkaufen, verkaufen sie auch regelmäßig Spieler für viel Geld. Dem FC gelang in diesem Sommer weder das eine noch das andere. Fakt ist: Der FC ist von den Top Ten der Bundesliga weiter entfernt als 2021 und entwickelt sich in dieser für den Matchplan entscheidenden Kategorie im direkten Vergleich mit der Konkurrenz zurück.
Fazit
Der 1. FC Köln kann einige Veränderungen vorweisen. Die Geschäftsstelle wurde – auch gegen Widerstände – umfangreich personell umgebaut. Es werden über sieben Millionen Euro in längst überfällige Modernisierungen des Geißbockheims gesteckt. Zudem werden die finanziellen Altlasten, die komplexer und größer sind als zunächst angenommen, in großem Stil schnell abgebaut. Doch darin liegen auch ein Problem und eine Gefahr.
Der FC-Matchplan war eigentlich eine richtige Idee: Jedes Unternehmen braucht eine Strategie. Doch wenn zwei Jahre nach der Einführung noch immer kaum Ergebnisse vorliegen, dann stimmt etwas nicht. Unter dem Strich steht: Von den anvisierten 25 Millionen Euro Mehrumsatz pro Jahr ist man nach zwei Jahren noch sehr weit entfernt. Und dass der sportliche Erfolg durch den aktuellen Sparkurs in Gefahr gerät, zeigen die letzten Wochen. Der FC hat einen Mittelweg noch nicht gefunden. Nur eines ist sicher: Der FC-Matchplan wird nicht mehr das Papier wert sein, auf dem er gedruckt wurde, sollte am Ende der Saison 2023/24 der Abstieg stehen.
Hier kannst du über den 1. FC Köln diskutieren und dich mit anderen Usern austauschen. Bitte beachte dabei die Spielregeln in unserer Netiquette! Du findest sie hier und kannst sie jederzeit nachlesen. Viel Spaß!