Sport-Geschäftsführer Christian Keller erklärt im Exklusiv-Interview mit dem GEISSBLOG den Antrag des 1. FC Köln bei der DFL. Was wollen die Geißböcke erreichen?
Das Interview führten Sonja Gauer, Marc L. Merten und Martin Zenge
GEISSBLOG: Herr Keller, der 1. FC Köln hat einen Antrag bei der DFL angekündigt. Was genau beinhaltet er und was wollen Sie erreichen?
CHRISTIAN KELLER: „Man muss das zunächst richtig einordnen. Die 36 Clubs der Bundesliga und 2. Bundesliga haben auf der DFL-Mitgliederversammlung am 11. Dezember 2023 mit der erforderlichen Mindestmehrheit, also mit 24 von 36 Stimmen, einen Beschluss gefasst. Danach hat das DFL-Präsidium im Rahmen festgelegter Leitplanken ein Verhandlungs- und Abschlussmandat erhalten, um mit einem Private-Equity-Unternehmen eine strategische Vermarktungspartnerschaft zur Weiterentwicklung des DFL-Geschäftsmodells zu realisieren. Das DFL-Präsidium ist an dieses Mandat gebunden. Das heißt: Sofern sich im Rahmen der Verhandlungen ein Private-Equity-Unternehmen findet, das sich mit seinem Angebot innerhalb der definierten Leitplanken bewegt, ist die Zusammenarbeit abzuschließen. Deshalb ist das Ziel unseres Antrags, dass die Clubs das DFL-Präsidium vom Abschlussmandat befreien, das sie ihm gegeben haben. Nach erfolgter Verhandlung durch das Präsidium sollen die Clubs selbst über den Abschluss des Deals entscheiden.“
Ist der Antrag eine direkte Folge der Fan-Proteste?
„In erster Linie geht es uns darum, für Rechtssicherheit und für Akzeptanz zu sorgen. Bekanntermaßen bestehen Verdachtsmomente, dass die Abstimmung auf der DFL-Mitgliederversammlung aufgrund des Stimmverhaltens von Hannover 96 nicht rechtswirksam gewesen ist und damit einhergehend ein Verstoß gegen die 50+1-Regel vorliegt. Diese Verdachtsmomente müssen vollständig ausgeräumt werden. Hinzu kommt, dass eine potentielle Zusammenarbeit der Bundesligen mit einem Private-Equity-Unternehmen eine große kulturelle Herausforderung bildet und nicht wirklich passfähig zum Wesenskern des deutschen Profifußballs als öffentliches Kulturgut ist. Fans, Mitgliedern, Medien und alle anderen Anspruchsgruppen muss deshalb klar und verständlich kommuniziert werden, warum der Deal aus Sicht einer Mehrheit der Clubs erforderlich ist.“
Die Proteste deuten darauf hin, dass das aktuell nicht der Fall ist.
„Die Fanproteste sind unmittelbare Folge der bestehenden rechtlichen Verdachtsmomente, der beschriebenen fußballkulturellen Herausforderung sowie der bislang mangelhaften Kommunikation mit der Basis. Mitglieder und Fans bilden das Herz des deutschen Profifußballs. Ohne die breite gesellschaftliche Verankerung des Fußballs wäre der erreichte Kommerzialisierungsgrad niemals möglich gewesen. Das müsste eigentlich auch jedem Bundesliga-Funktionär bewusst sein. Wir reden beim angestrebten Private Equity-Deal von einer der relevantesten Entscheidungen seit Einführung der Bundesliga. Von den heutigen Entscheidungsträgern wird in 20 Jahren – so lange soll der Deal laufen – aber kaum noch einer da sein. Umso größer ist unser aller Verantwortung, etwas so Weitreichendes auf eine breite Basis zu stellen. Alle 36 Clubs, das zeigt die Situation in den Stadien, müssen ihren Mitgliedern und Fans offen darlegen, wie sie gestimmt haben und diese Entscheidung erklären. Wenn der Deal dann zustande kommen sollte, muss er zum einen rechtlich sauber, zum anderen von einer breiten Akzeptanz getragen sein. Zu dieser breiten Akzeptanz gehört auch, dass Nicht-Befürworter, wie beispielsweise wir beim 1. FC Köln, den Deal mittragen, wenn eine mit ihrer jeweiligen Basis abgestimmte Mehrheit der Clubs ihn haben möchte. So funktioniert Demokratie.“
Wie haben das DFL-Präsidiums und die anderen Clubs auf Ihre Ankündigung reagiert?
“Naturgemäß gibt es immer unterschiedliche Reaktionen. Da gibt es jene Club-Verantwortliche, die den Deal auch in der aktuellen Gemengelage noch auf Biegen und Brechen durchsetzen wollen und jene, die unsere Position teilen. In Summe haben wir sehr viel zustimmende Rückmeldung auf unsere Antragsankündigung aus den Reihen der anderen Clubs erhalten.”
Der FC stellt sich mit diesem Antrag an die Spitze einer Bewegung. Läuft der FC damit Gefahr, sich innerhalb der DFL-Spitze, die eindeutig für einen Investor und gegen eine Neuabstimmung ist, zu isolieren?
“Es geht nicht darum, wer an der Spitze von etwas steht oder wer isoliert werden könnte. Es geht um die Frage, was richtig ist und dafür Haltung einzunehmen. Denn es kann nie falsch sein, für etwas Richtiges einzustehen, auch wenn man damit im Extremfall gegebenenfalls sogar allein auf weiter Flur ist. Die aktuelle Gemengelage im Kontext des Private-Equity-Deals und der Umgang damit können für die Zukunft des deutschen Profifußballs nicht förderlich beziehungsweise richtig sein.”
Sollte der Antrag angenommen werden: Wie ginge es dann weiter?
„Erst einmal ist wichtig zu betonen, dass der Antrag nichts damit zu tun hat, dass wir dem DFL-Präsidium unser Misstrauen bekunden möchten oder die ursprüngliche Entscheidung anzweifeln. Der Antrag soll auch im Sinne des Präsidiums für Rechtssicherheit und Akzeptanz sorgen. Wir haben zwar gegen den Deal gestimmt, aber wir tragen die mehrheitlichen Beschlüsse demokratisch mit. Falls dem DFL-Präsidium also das Abschlussmandat genommen wird, entscheiden die Clubs in letzter Instanz über den Abschluss mit einem möglichen Private-Equity-Partner. Falls die Mehrheit der Clubs dem Präsidium das Abschlussmandat nicht entziehen möchte oder dem Deal nach Entzug erneut zustimmt, wäre das auch eine klare Entscheidung.“
Wie realistisch ist es, dass sich die Liga noch auf ein anderes Modell einlässt?
„Das kann ich nicht sagen. Darum geht es uns mit unserem Antrag aber – und das möchte ich nochmals explizit betonen – auch gar nicht. Die Frage nach einem alternativen Finanzierungsmodell für die angestrebte Weiterentwicklung der DFL würde sich erst dann stellen, wenn eine Mehrheit der Clubs zum einen unseren Antrag positiv bescheiden und dann in einer erneuten, offenen Abstimmung über das Verhandlungsergebnis zum Private-Equity-Modell die erforderliche Mehrheit nicht mehr zustände käme.“
Was verändert die Entscheidung von Blackstone sich aus den Verhandlungen zurückzuziehen? Damit ist nur noch CVC Capital Partners als möglicher Investor übrig. Schwächt das nicht die Verhandlungsposition der DFL?
„Die Leitplanken für die Verhandlungen sind klar definiert. Daran ändert die Anzahl der verbliebenen Private-Equity-Unternehmen nichts. Andererseits gilt aber natürlich, dass Konkurrenz das Geschäfts belebt.“
Zeigt der Ausstieg aber auch, dass die Proteste gegen Investoren die Liga unattraktiver macht?
„Jede Form von Partnerschaft funktioniert natürlich grundsätzlich besser, wenn sich der Partner auch willkommen fühlt. Die Reputation der beiden Bundesligen wird aktuell beschädigt. Das lässt sich nicht bestreiten. Sollten die Proteste anhalten, wäre dies einer Weiterentwicklung der DFL, egal mit welchem Modell, nicht zuträglich – ganz im Gegenteil. Welche Gründe Blackstone aber konkret zum Ausstieg aus den Verhandlungen bewegt haben, ist mir nicht bekannt.“
Wie steht der 1. FC Köln zu den andauernden Fan-Protesten?
„Wie gesagt, die Proteste überraschen nicht. Fußball ist ein gesellschaftliches Massenphänomen, in Deutschland noch stärker verankert als in vielen anderen Ländern. Irgendwann ist das Fass eben mal voll und schwappt über. Klar ist aber auch: Grenzüberschreitungen, erst recht in Form von beleidigenden und diskriminierenden Bannern oder sonstigen radikalen Handlungen, wie diese zuletzt bei einigen wenigen Spielen zu Tage getreten waren, sind absolut inakzeptabel und schaden einem konstruktiven Diskurs.“
Man hat allerdings das Gefühl, dass Spielabbrüche nicht mehr weit entfernt sind.
„Die Integrität des sportlichen Wettbewerbs muss geschützt bleiben. Das bildet genauso eine rote Linie wie der Verzicht auf jedwede Diskriminierung. Zu Spielabbrüchen darf es nicht kommen.“
Die Schiedsrichter sollen in dieser Woche angewiesen worden sein, den Stufenplan strikter durchzusetzen. Fürchten Sie, dass eine Spirale entstehen könnte, aus der DFL und Fans nur noch schwer herauskommen?
“Der Ball liegt bei der DFL und den 36 Clubs. Aus unseren Reihen muss jetzt schnell ein Lösungsvorschlag und eine Handreichung kommen. Genau deshalb haben wir unseren Antrag angekündigt, der dem DFL-Präsidium in der neuen Woche zugehen wird.”
Welche Strafen drohen den Clubs durch die Proteste?
„Ich gehe davon aus, dass es Strafen für die Spielunterbrechungen geben wird. Im Strafzumessungsleitfaden des DFB, der meiner Meinung nach deutlich überarbeitet gehört, steht allerdings nicht, welche Strafen für fliegende Schokotaler, Tennisbälle, Äpfel oder funkgesteuerte Autos vorgesehen sind. Bei einem Spielabbruch hingegen könnte der Club, dessen Fans ihn verursacht haben, die Punkte am Grünen Tisch verlieren. Dann hätten wir genau den Eingriff in die Integrität des sportlichen Wettbewerbs, zu dem es auf keinen Fall kommen darf.“
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