Die ersten fünf Wochen beim 1. FC Köln sind für Gerhard Struber wie im Flug vergangen. Im großen GEISSBLOG-Interview spricht der 47-Jährige unter anderem über seine bisherigen Eindrücke und Amtshandlungen sowie seinen Austausch mit Peter Stöger. Lesen Sie hier den ersten Teil.
Das Interview führten Sonja Gauer und Martin Zenge
GEISSBLOG: Herr Struber, Sie sind seit fünf Wochen beim 1. FC Köln. Wie würden Sie diese Zeit zusammenfassen?
GERHARD STRUBER: „Sie ist extrem schnell vergangen. Gefühlt bin ich aus dem Flieger von Salzburg gestiegen und dann in die FC-Welt, die so voller Emotionen ist, eingetaucht. Ich erlebe eine Mannschaft, die sehr akribisch mitarbeitet, aufmerksam ist und in allen Bereichen mitzieht. Es macht gerade richtig Spaß. Die Jungs setzen mehr und mehr von dem um, was ich mir vorstelle. Es greifen derzeit viele Zahnräder ineinander.“
Genau dieses tiefe Eintauchen in die FC-Welt hatten Sie sich bei Ihrem Amtsantritt schnellstmöglich gewünscht.
„Das ist gelungen, finde ich. Das Umfeld und das Management haben es mir wirklich leicht gemacht. Ich erlebe so viele offene Türen. So sind wir auch schneller mit dem Staff und dem Trainerteam zusammengewachsen. Obwohl wir uns erst so kurz kennen, haben wir schon einen richtig guten Austausch.“
“Können etwas bewerkstelligen, das spüre ich”
Sie haben in New York gelebt und sind gebürtiger Salzburger. Kann Köln mit solchen Städten mithalten?
„Das würde ich schon sagen. Es geht nicht immer nur um die Stadt, sondern vielmehr um die Menschen. Und die Kölner sind sehr offen und FC-verbunden. Von dem her kann Köln auf jeden Fall mithalten.“
Als Sie in Salzburg in den Flieger gestiegen sind, hatten Sie sicherlich eine ganze Menge Erwartungen mit im Gepäck. Haben sich diese bislang erfüllt?
„Definitiv. Ich habe mir die Frage gestellt, wie es der Mannschaft nach dem Abstieg geht und wie verunsichert sie möglicherweise ist. Wie groß ist der Glaube? Was ist in der letzten Saison passiert? Zu diesen Themen habe ich mir im Vorfeld viele Gedanken gemacht. Ich finde, bisher haben wir das gut umgesetzt. Die Mannschaft entwickelt gerade ein Vertrauen in die Idee unseres Fußballs. Sie spürt: So können wir Tore schießen, so können wir verteidigen – so können wir Punkte holen. Das ist kein Magic-Programm, sondern die gelebte Realität im Fußball.“
Wie schafft man es als Trainer – insbesondere nach so einer Saison wie der letzten – das Vertrauen zu stärken und den angesprochenen Glauben zu vermitteln?
„Indem man weiß, was man tut. Das ist das Wichtigste. Man sollte nicht nur reden, sondern einen klaren Plan haben und wissen, wie man diesen auf den Trainingsplatz bringt. Zudem braucht man ein gutes Team, in dem jeder seinen Verantwortungsbereich hat. Mehr ist es eigentlich gar nicht.“
Und dieses gute Team haben Sie um sich herum?
„Absolut. Ich bin kein Träumer. Ich habe schon genau hingeschaut: Bleibt die Mannschaft beieinander? Was entwickelt sich da? Wer ist in der sportlichen Führung? Ich habe mich damit auseinandergesetzt und erkannt, dass die Spieler viel Know-how mitbringen. Dazu haben wir mit Thomas Kessler einen Sportdirektor, der weiß, was er will – mit Christian Keller einen Sportchef, bei dem ich das Gefühl habe, dass wir die Challenge gemeinsam angehen können. In dem Führungstrio können wir etwas bewerkstelligen, das spüre ich. Das hat mir die Sicherheit gegeben, dass der FC eine gute Entscheidung ist.“
“Als ich ins Geißbockheim reingekommen bin…”
Als die Trainersuche anlief, war der FC gerade abgestiegen. Zudem gab es vereinspolitische Querelen. Hatte das auf Sie keine abschreckende Wirkung?
„Einen Club nach Schlagzeilen zu bewerten, wäre total falsch. Was geschrieben wird, muss man oft durch 15 dividieren. Ich habe diese Weltuntergangsgedanken tatsächlich nie so wahrgenommen. Als ich ins Geißbockheim reingekommen bin, habe ich funktionierende Strukturen gesehen – eine saubere Mannschaft, richtig gutes Management und eine richtig coole Pressesprecherin.“
Haben Sie sich mit dem Kölner Rekord-Trainer Peter Stöger und seinem Ex-Assistenten Manfred Schmid über den FC ausgetauscht?
„Wie der Stögsi das geschafft hat, habe ich ihn noch nicht gefragt, aber wir haben natürlich geredet. Er hat mir gesagt, dass Köln eine Stadt ist, wo jeder extrem den Fußball lebt – wo ich Offenheit brauche. Natürlich ticke ich komplett anders als Peter, von der Fußballidee und der Persönlichkeit her. Aber offen sind wir beide. Wenn man mit Peter oder auch Manni über den FC spricht, spürt man einfach die Verbundenheit zum Verein. Wenn sie über den FC reden, ist das Family pur.“
Eine Woche vor dem Liga-Start macht Ihre Mannschaft einen überzeugenden Eindruck, hat beispielweise kein Testspiel verloren. Wie stabil kann so ein neu geschaffenes Gebilde nach fünf Wochen schon sein?
„Jetzt haben wir erst mal ein Fundament gebaut und auf diesem müssen wir aufbauen. Ich würde schon sagen, dass das Fundament fest ist. Aber natürlich kann es mal zu einer kleinen Überschwemmung kommen, dann wird es nass und man muss auch mal ein Loch stopfen. Das gehört zu so einem Weg dazu. So eine 2. Bundesliga ist keine Sprint-Aktion, sondern ein Marathon mit vielen Etappen. Oder anders ausgedrückt: Am Ende musst du wie bei einem Aktienkurs oben rauskommen, auch wenn es mal Einbrüche gibt.“
Struber über die Arbeit mit Talenten
Bleiben wir bei Ihrem Sprachgebrauch: Sie gehen nächste Saison in mit vielen Neulingen an die Börse.
„Klar, wir haben viele junge Burschen dabei – wie zum Beispiel Damion Downs, Tim Lemperle oder Julian Pauli. Das sind super veranlagte Spieler. Zu ihrem Weg gehören aber auch Schwankungen. Am Ende bin ich davon überzeugt, dass diese Jungs richtig gut werden. Auf dem Weg dahin braucht es aber auch Geduld, guten Zuspruch und einen klaren Plan.“
Schon bei Ihren vorherigen Stationen haben Sie viel mit jungen Spielern gearbeitet. Was begeistert Sie so an der Arbeit mit Talenten?
„Dass man sie entwickeln und formen kann. Es ist schön zu sehen, was alleine innerhalb eines Jahres passieren kann. Speziell bei Jungs, die viel Talent in sich tragen. Es macht Spaß, gemeinsam mit den Jungs Resultate zu schaffen. Nachwuchsspieler haben oftmals noch einen romantischen Blick auf den Fußball und realisieren die Tragweite von Siegen oder Niederlagen noch gar nicht so sehr. Diese Spieler dann zu Profis zu formen, finde ich wirklich cool. Den Mix aus erfahrenen und jungen Spielern ungefiltert zusammenzubringen, ist geil.“
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