Die vereinspolitische Brisanz hat den Sport bei der Mitgliederversammlung des 1. FC Köln in den Schatten gestellt. Christian Keller präsentierte jedoch sechs “Top-Themen”, mithilfe derer die Geißböcke auf die “ganz Großen” der Branche aufholen wollen.
Obwohl die Saison 2023/24 mit nur 27 Zählern und dem daraus resultierenden Abstieg die drittschwächste in der Historie des 1. FC Köln war, erlebte Christian Keller – zumindest aus persönlicher Sicht – am Dienstagabend seine bislang ruhigste Mitgliederversammlung als Sportchef des 1. FC Köln.
Im Rahmen der Aussprache musste sich Keller kein einziges Mal zu Wort melden. Ganz anders als in den vergangenen beiden Jahren, als er von allen Verantwortlichen auf der Bühne die meisten Fragen abzuarbeiten hatte. Neben dem entbrannten Machtkampf zwischen Mitgliederrat und Vorstand um die Entlastung des Wolf-Präsidiums waren es wohl vor allem die bereits abgehaltenen Mitgliederstammtische, die den sportlichen Redebedarf auf ein Minimum reduzierten. Dort war Keller schließlich schon zu sämtlichen Themen gelöchert worden.
Keller: “Da kann und soll es wieder hingehen”
Einen kurzen Blick nach hinten warf der Geschäftsführer am Dienstagabend trotzdem. “Ein Abstieg tut weh, ein Abstieg schmerzt, ein Abstieg hinterlässt Wunden. Ein Abstieg hinterlässt auch Narben, die immer bleiben werden – die gehen nicht weg”, erklärte Keller in seinem Jahresbericht und offenbarte: “Jeder Beteiligte – ob Verantwortlicher, Trainer oder Spieler – weiß, was wir euch als Fans zugemutet haben.”
Der 45-Jährige bedankte sich für die dennoch vorhandene Unterstützung, versicherte: “Genauso weiß jeder, dass daraus eine ganz, ganz große Verantwortung resultiert. Wir spüren diese Verantwortung, es besser zu machen – den FC schnellstmöglich wieder dahin zu führen, wo er hingehört.”
Hiermit sprach Keller natürlich insbesondere die angepeilte Bundesliga-Rückkehr an. Aber nicht nur. “Der FC war bis Ende der 80er-Jahre einer der bedeutendsten Fußballclubs in Deutschland”, sagte der Sportchef und stellte trotz des Absturzes in die Zweitklassigkeit Großes in Aussicht: “Da kann und soll es perspektivisch wieder hingehen. Das ist möglich.”
Der Weg scheint angesichts von Platz neun in der 2. Liga so weit wie selten zuvor zu sein. Keller riss am Dienstag sechs “Top-Themen” an, die der FC im sportlichen Bereich bearbeitet, um die von ihm genannte Vision dennoch zu erreichen:
Einheitliche Spielidee
“Das ist unser absolutes Top-Thema. Die Spielidee ist das absolute Herz von allem, was wir im Sport tun. Sie ist für uns handlungsleitend, sie gibt uns vor, wo wir hinwollen. Wir wollen in dieser Saison die nächsten Schritte gehen, damit diese Spielidee unsere DNA wird und ganz tief verankert ist.”
Systematische Ausbildung
“Die Spielidee muss in eine systematische Ausbildungskonzeption übertragen werden. Das heißt, dass in jedem Altersbereich, in jeder Jahrgangsstufe festgelegt ist, welche Elemente der Spielidee jeweils auszuprägen und auszubilden sind.”
Individuelle Spielerentwicklung
“In der individualzentrierten Spielerentwicklung wollen wir besser werden, uns weiter steigern. Allem voran im Nachwuchs geht es nicht um Ergebnisse. Es geht darum, den einzelnen Spieler genau da abzuholen, wo er heute steht. Mit dem einzigen Ziel, dass möglichst viele der Jungs oben ankommen.”
Daten-Fokus
“Wir wollen noch datenbasierter werden. Wir wollen unsere Spielidee datenbasiert evaluieren können. Wir wollen unsere Spielerentwicklung datenbasiert bewerten können. Und wir wollen natürlich auch im Scouting datenbasiert Entscheidungen unterfüttern. Immer mit dem Wissen im Hintergrund: Am Schluss sind Statistiken nie entscheidend, sondern Menschen.”
Verzahnung
“Wir möchten die drei Bereiche Herrenfußball, Frauenfußball, Nachwuchsfußball noch enger verzahnen. Da sind wir gute Schritte vorangekommen, aber die organisatorische Verzahnung geht noch besser, um noch mehr Synergien zu heben.”
Geißbockheim-Pläne
“Wir haben im Bestand des Geißbockheims viele Schritte gemacht, um die Infrastruktur zu verbessern. Was wir getan haben, kann aber nur der Anfang sein. Wir haben mindestens 40 Jahre Investitionsstau und müssen diese Sanierung unabhängig davon, ob ein neues Funktionsgebäude gebaut werden darf oder nicht, fortsetzen. Das werden wir in dieser Saison mit aller Konsequenz tun.”
Diese “sechs Top-Themen” seien “dem klaren Ziel” gewidmet, “unsere Wettbewerbsposition zu verbessern”, betonte Keller. “Der FC hat an Wettbewerbsposition eingebüßt, weil unsere finanzwirtschaftliche Leistungsfähigkeit im Wettbewerbsvergleich mit den ganz Großen, mit denen wir uns am liebsten messen würden, einfach unterlegen ist”, erklärte der Sportchef und schlussfolgerte: “Wir müssen uns Bereiche suchen, wo wir Wettbewerbsvorteile generieren können.” So wolle man langfristig gesehen probieren, “die Lücke zu reduzieren und die Lücke zu schließen”.
Keller sagte dies “im vollen Bewusstsein, dass wir auch kurzfristig Ergebnisse liefern müssen”. Im Nachwuchs wolle man “wieder so zu arbeiten, dass am Ende der Spielzeit 2024/25 Spieler bereit sind, den Sprung in den Profikader zu schaffen”. Die Bundesliga-Frauen sollten nach Meinung des Geschäftsführers “mindestens einen guten Mittelfeldplatz erzielen, die Qualität des Kaders gibt es ohne Wenn und Aber her”. Und mit der Herren-Mannschaft wolle man “möglichst schnell möglichst ganz oben mitspielen”.
Ob kurz- und langfristig: Entscheidend sei dabei, wie man “so eine Aufgabe” angeht, ergänzte Keller und zählte zusätzlich zu den sechs Top-Themen vier Werte auf, die das Miteinander beim FC prägen sollen: Überzeugung (“Daran glauben, dass das der richtige Weg ist, und ihn mit brachialer Konsequenz verfolgen”). Ausdauer (“Investieren, investieren, investieren, investieren – um irgendwann mit ganz langem Atem die Ernte einfahren zu können”). Vertrauen (“In deine eigene Fähigkeit, vor allem aber in die Menschen, die mit dir zusammenarbeiten). Und Zusammenhalt (“Wenn wir zusammenstehen, sind wir nicht kaputtzukriegen”).
Von dem Abend in der Lanxess Arena, der in vereinspolitischer Hinsicht einen tiefen Riss offenbarte, erhoffte sich Keller eigentlich ein gemeinsames “Bekenntnis, dass wir auf dem richtigen Weg sind und dass diese Attribute elementar sind, um den Weg richtig zu gehen”. Das sei sein “Appell an alle im Innenverhältnis, an alle Mitglieder, Fans und Partner”. Nur so lasse sich der FC wieder dahinführen, wo er mal war. Bis Ende der 80er-Jahre.
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