Christian Keller ist beim 1. FC Köln nach der zwischenzeitlichen sportlichen Krise erneut in die Kritik geraten. Im ersten Teil des großen GEISSBLOG-Interviews erklärt der Sportchef unter anderem, wie nah personelle Konsequenzen tatsächlich waren und spricht über sein Verhältnis zu Gerhard Struber.
Das Interview führten Sonja Gauer und Marc L. Merten
GEISSBLOG: Herr Keller, waren Sie sich in den letzten Wochen immer sicher, heute noch Sportchef des 1. FC Köln zu sein?
CHRISTIAN KELLER: „Ja.“
Wie haben Sie die Tage nach den zwei Niederlagen gegen Darmstadt und Paderborn erlebt?
„Aufgeräumt, sachlich, nach vorne gerichtet.“
Nach dem 1:5 in Darmstadt sind Sie allerdings in Ihrer Wortwahl sehr emotional geworden.
„Normalerweise spreche ich nicht so emotional, aber zu diesem Zeitpunkt war es angebracht. Man kann viel schönreden und politische Antworten geben. Das ist im Fußball weit verbreitet. Zu diesem Zeitpunkt habe ich mich aber genötigt gefühlt, sehr deutlich zu sagen, was alle gesehen haben. Da gab es nichts schönzureden. Das habe ich nach außen klar angesprochen und nach innen noch mal deutlicher.“
“Personelle Konsequenzen meilenweit entfernt”
Hat Sie die Wucht der Kritik nach den beiden Pleiten überrascht?
„Es hat schon nach Darmstadt angefangen. Es hatte sich aufgeladen und dann war vor Paderborn klar, wenn das Spiel nicht positiv ausgeht, kracht es. Der Frust, der sich letzte Saison aufgestaut hatte, kam bei den FC-Fans wieder hoch, dafür hatte ich Verständnis. Ich persönlich habe die Mannschaft in der Abstiegssaison immer geschützt, weil ich gesehen habe, dass sie wollte, aber ab und zu nicht konnte. Gegen Darmstadt aber wollten wir nicht – das heißt, waren nicht bereit, alles für den FC zu geben. Und das darf nie sein.“
Wie nah waren personelle Konsequenzen, über die öffentlich spekuliert wurde, zum Zeitpunkt der beiden Niederlagen tatsächlich?
„Ich kann nur für das Trainerteam sprechen. Da waren personelle Konsequenzen meilenweit entfernt, ich habe nicht mal im Ansatz darüber nachgedacht. Und das nicht aus dem Grund, wie medial kolportiert wurde, dass ich damit an meinem eigenen Stuhl sägen würde. So denke ich nicht. Ich bin inhaltlich und menschlich von Gerhard Struber überzeugt. Die Art und Weise, wie er mit der Mannschaft arbeitet, ist gut. Daran lag es nicht. Wenn ich der Meinung gewesen wäre, ich hätte einen Fehlgriff getan, dann hätte ich den Fehler unabhängig meiner Person korrigiert. Selbst, wenn es andere Konsequenzen nach sich gezogen hätte.“
Woher rührt Ihre Überzeugung?
„Wenn ich überzeugt bin, dass ein guter Job gemacht wird, muss ich auch nichts korrigieren, selbst wenn die Ergebnisse ausbleiben. Wir erleben jetzt gerade eine Phase, in der die Spielleistungen anders sind. In Summe haben wir zwar alle drei letzten Spiele verdient gewonnen, aber es hätte in dieser Saison schon deutlich verdientere FC-Siege geben können in Spielen, in denen es dann doch nicht für drei Punkte gereicht hat. Ich verstehe, dass sich nach Darmstadt und Paderborn der Frust der letzten anderthalb Jahre entladen hat. Aber für uns war der 1. Juli 2024 im Innenverhältnis ein Nullpunkt.“
Kellers Zwischenfazit
Jetzt ist bereits ein Drittel der neuen Saison vorbei. Wie fällt Ihr Zwischenfazit aus?
„Mit 18 Punkten aus zwölf Spielen haben wir die Hälfte der möglichen Punkte geholt. In Anbetracht der Punkteausbeute der Konkurrenz in der Liga ist das okay. Wir hätten uns den ein oder anderen Punkt mehr verdient gehabt. Gegen Magdeburg, Düsseldorf und Karlsruhe hätten wir gewinnen können, wenn nicht müssen. Dann hätten wir sieben Punkte mehr, was eher unserem Leistungsstand entsprechen würde. Von den Leistungen war ich abgesehen von Darmstadt nie komplett unzufrieden. Es ist uns andererseits aber auch in mehreren Spielen nicht gelungen, das gesamte Potenzial der Mannschaft auf den Platz zu bringen.“
Was gefällt Ihnen bislang gut?
„Der interne Zusammenhalt. Der zeigt sich nicht erst jetzt, der hat sich schon über den Sommer gezeigt. Es gibt Gründe, warum der Kader mehr oder weniger noch der gleiche ist. Richtig gut ist auch die Fähigkeit der Mannschaft zur kritischen Selbstreflektion.“
Geht damit auch eine verbesserte Selbstregulierung einher?
„Auch da haben wir Schritte gemacht. In der Trainingswoche nach Darmstadt war richtig Feuer drin. Das hat sich seitdem fortgesetzt. Es gibt eine verbesserte Grundaggressivität, was unter anderem bedeutet, dass sich auf dem Platz auch mal die Meinung gesagt wird.“
Die Umstellung auf die Dreierkette dürfte Ihnen dagegen eigentlich weniger gut gefallen.
„Die Dreierkette ist kein Verstoß gegen unsere Spielidee, falls Sie darauf anspielen. Die Spielidee legt verbindliche Spielprinzipien fest, die unabhängig von der gewählten Grundordnung sind. Die Spielprinzipien sind verbindlich für alle Teams definiert, für die Lizenzmannschaften gibt es aber keine Grundordnungsvorgabe. Insofern gilt: Ich gewinne gerne Spiele, und wenn wir mit der Dreierkette Spiele gewinnen, dann spielen wir Dreierkette. Außerdem hängt es immer auch an den Komponenten Gegner und eigenes Personal. Nach dem Spiel gegen Paderborn wollten wir dem ein oder anderen Spieler durch eine zusätzliche defensive Absicherung mehr Halt geben.“
Hat das aus Ihrer Sicht funktioniert?
„Wir haben dreimal zu Null gespielt. Aber wir wissen auch, dass wir gegen Kiel und Fürth in einigen Momenten Dusel hatten. In anderen Spielen mit Viererkette gab es auch nicht mehr Chancen des Gegners, da sind die Gegentore aber gefallen. Nur, weil wir dreimal gewonnen haben, ist nicht alles gut. Davor war aber auch nicht alles schlecht – außer gegen Darmstadt.“
Keller über Thielmann und Carstensen
Es gab also keine Unstimmigkeiten zwischen Gerhard Struber und Ihnen bezüglich der Umstellung auf die Dreierkette?
„Ich frage mich wirklich, wie jemand auf so eine Idee kommt. Mir ist klar, dass viel reininterpretiert wird. Aber es muss ja auch Indikatoren dafür geben. Selbstkritisch kann ich dazu anführen, dass es uns offensichtlich nicht gelungen ist, nach außen die Unterschiede zwischen Spielidee, Grundordnung und Matchplan klar zu kommunizieren.“
Warum wurde die Grundordnung erst nach Paderborn umgestellt?
„Weil wir der Meinung waren, dass wir auch in unserer präferierten Grundordnung die erforderliche Stabilität konstant hätten hinbekommen müssen.“
Ist die Umstellung auf die Dreierkette auch eine Folge der Probleme im Kader?
„Wenn jeder seine Position richtig interpretiert und in guter Verfassung ist, können wir mit diesem Kader auch in einer Viererkette eine gute Stabilität haben.“
Aus Ihrer Sicht ist Jan Thielmann nach wie vor ein Rechtsverteidiger?
„Jan ist kein gelernter Rechtsverteidiger, aber er kann es spielen. Nicht umsonst ist er auf dieser Position Stammspieler der deutschen U21 Nationalmannschaft.“
Rasmus Carstensen wiederum ist gelernter Rechtsverteidiger, kann es gerade aber nicht spielen.
„Rasmus kann uns, wenn er gut drauf ist, mit seiner offensiven Qualität sehr helfen. Er ist jedoch in dieser Saison noch nicht auf sein bestes Niveau gekommen. “
Im zweiten Teil des großen GEISSBLOG-Interviews (erscheint am Montag) spricht Christian Keller über die Kaderplanung für den Winter, mögliche Vertragsverlängerungen und die Situation rund um Jonas Urbig und Marvin Schwäbe.
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