Nach der Trennung von Chefcoach Daniel Weber hat Jacqueline Dünker die Verantwortung bei den Bundesliga-Frauen des 1. FC Köln übernommen – vorerst bis zum Jahresende. Im Interview mit dem GEISSBLOG spricht die bisherige Co-Trainerin über ihre neue Aufgabe und eine mögliche Dauerlösung.
Das Interview führte Daniel Mertens
GEISSBLOG: Frau Dünker, Sie hatten vor der Länderspielpause nur zwei Einheiten mit der gesamten Mannschaft. Welche Akzente konnten Sie dabei bereits setzen?
Jacqueline Dünker: “Zunächst hatte sich noch Daniel Weber vor der Einheit von der Mannschaft verabschiedet und Christian Keller hat uns noch mal eingeschworen und gesagt, was er von uns erwartet. Anschließend war es eine sehr, sehr gute Einheit. Wir haben alle Übungen mit Ball gemacht und den Fokus darauf gelegt, die negativen Gedanken abzuhaken und uns auf das zu konzentrieren, was kommt. Unserem Trainerteam war es wichtig, dass wir erst einmal den Kopf wieder freikriegen und Freude beim Training haben.”
In der vergangenen und auch im Großteil dieser Trainingswoche steht Ihnen nur ein kleiner Teil des Kaders zur Verfügung. Welche Schwerpunkte setzen Sie dabei in der täglichen Arbeit?
“Gerade in solch kleinen Gruppen bietet es sich immer an, individuell zu arbeiten. Unser Passspiel war zuletzt wegen fehlender Selbstsicherheit ein großes Manko. Gerade das kann man in der kleinen Gruppe super trainieren. Man kann auch auf taktische Feinheiten in Einzelbesprechungen eingehen. Wir haben die Woche auch genutzt, um wirklich mit jeder einzelnen Spielerin zu sprechen, zuzuhören, aber auch Erwartungen zu formulieren.”
“Erfahrene Spielerinnen in die Pflicht nehmen”
Wann werden Sie Ihren kompletten Kader wieder auf dem Trainingsplatz versammeln können?
“Wir haben den Mittwoch bewusst frei gegeben, weil das der Rückreisetag der Nationalspielerinnen ist. Am Donnerstag ist der komplette Kader wieder am Geißbockheim.”
Sie sind zunächst für die nächsten beiden Spiele interimsmäßig als Trainerin verantwortlich. Werden Sie dabei auch vermehrt U20-Spielerinnen einbauen?
“Ich bin grundsätzlich absolut dafür, junge Spielerinnen aufzubauen. Ich glaube aber, dass es jetzt in der kurzen Zeit nicht so produktiv wäre, weil wir ohnehin schon in einer schwierigen Situation sind. Wir konzentrieren uns auf die, die wir aktuell zur Verfügung haben. Nichtsdestotrotz sollte unser Ziel sein, auch immer wieder U20-Spielerinnen hochzuziehen und sie regelmäßig mittrainieren zu lassen, weil wir da tolle Talente haben.”
Andererseits könnte die jugendliche Unbekümmertheit gerade in dieser Situation auch einen Vorteil bringen, oder?
“Das haben wir zum Beispiel mit Julia Schiffarth beim Spiel in Jena auch schon gemacht. In unserer Situation ist diese Unbekümmertheit aber nicht immer entscheidend. Wir müssen stattdessen unsere erfahrenen Spielerinnen mehr in die Pflicht nehmen, sie müssen noch mehr Verantwortung auf dem Platz übernehmen.”
Was sehen Sie als aktuell größte Baustelle an, die Sie zu bearbeiten haben?
“Ich glaube, das ist tatsächlich der Kopf. Es ist ganz schwierig, wenn man eine positive Vorbereitung hatte, wirklich gute Testspiele hatte, und damit positiv in die Saison gestartet ist. Dann kommt man auch durch unglückliche Spielverläufe in eine Abwärtsspirale hinein und da spielt dann der Kopf eine ganz große Rolle. Man verliert ein bisschen den Glauben an das, was man sich erarbeitet hat. Und das ist jetzt die Hauptaufgabe von uns im Trainerteam, die Spielerinnen daran zu erinnern, was sie gut können, was sie gut gemacht haben und ihnen wieder die Freude an diesem Sport zu vermitteln. Denn nur wer Spaß hat, kann auch guten Fußball spielen und erfolgreich sein.”
FC vor Keller-Krimi: “Potsdam hat weniger zu verlieren”
Was für ein Spiel erwarten Sie am Samstag in Potsdam?
“Von der Qualität und unserem Anspruch her sollten wir die bessere Mannschaft sein. Nichtsdestotrotz hat Potsdam weniger zu verlieren. Deswegen werden sie mutig agieren. Es wird mit Sicherheit kein einfaches Spiel und am Ende wird wahrscheinlich das Team gewinnen, das den Sieg mehr will.”
Das Thema Nervenstärke dürfte vermutlich auch eine große Rolle spielen, oder?
“Ja, das hat man extrem in den letzten beiden Spielen gemerkt, dass die Verunsicherung sehr groß war und dass man Angst hatte, etwas falsch zu machen. Aber auch das haben wir in den Einzelgesprächen hinterfragt. Man braucht keine Angst zu haben auf dem Platz. Man muss sich wieder mehr an diese positiven Momente erinnern und sich auch darüber freuen, wenn etwas gelungen ist. Über jeden Zweikampf, den man gewinnt, darf man sich freuen, denn das ist nicht selbstverständlich und kann zusätzlich pushen. Aber genauso ist es auch ganz wichtig, dass die Welt nicht untergeht, wenn wir ein Gegentor kassieren. Dann muss man das zum Anlass nehmen, zu sagen: Okay, wir erzielen trotzdem noch eins mehr als der Gegner.”
Was war denn die größte Veränderung im Alltag, nachdem Sie jetzt das Kommando übernommen haben?
“Ich bin ein bisschen strenger, was den Spielerinnen aber jetzt nicht negativ auffällt, sondern sie in dieser Situation brauchen. Wir arbeiten sehr intensiv. Das tut den Mädels gut, aber sie sind jetzt auch in der Pflicht. Wir von draußen können nur Input geben, können natürlich in der Trainingswoche darauf hinarbeiten, aber am Ende sind die Spielerinnen diejenigen, die die Tore schießen und ein Spiel gewinnen können.”
Sind Sie eigentlich in die Suche nach einem Nachfolger für Daniel Weber eingebunden? Immerhin müssen Sie auch mit dem oder der Neuen zusammenarbeiten.
“Das ist aktuell gar nicht entscheidend. Ich denke schon, dass ich irgendwann nach meiner Meinung gefragt werde. Aber grundsätzlich involviert bin ich aktuell nicht, sondern konzentriere mich auf unsere Mannschaft.”
Stellen wir uns mal vor, die nächsten beiden Spiele in Potsdam und danach gegen Leipzig verlaufen positiv. Ist es ausgeschlossen, dass aus der Interimslösung mit Ihnen eine Dauerlösung wird?
“Das kann ich nicht beantworten. Ich bin bereit für die Aufgabe und freue mich darauf, sie so lange zu machen, wie es der Club möchte.”
Gab es denn schon mal Gespräche in diese Richtung?
“In die Richtung noch nicht, nein. Grundsätzlich bin ich mit Nicole Bender-Rummler immer im engen Austausch, weil sie natürlich auch stark daran interessiert ist, dass es hier gut läuft, und sie mit uns im Trainerteam natürlich versucht, positive Impulse reinzubringen. Fakt ist, dass ich die nächsten zwei Spieltage an der Seitenlinie stehe. Alles Weitere darüber hinaus steht in den Sternen.”
Dünker: “Kopf ausschalten und einfach spielen “
Sie wurden 2023 Meister in der Schweiz und spielten danach in der Champions League. Wie groß war die Umstellung für Sie nun, in den Abstiegskampf in der Bundesliga zu geraten?
“Die Schweizer Liga ist nicht so hoch angesehen und auch qualitativ nicht so gut wie die deutsche Bundesliga. Grundsätzlich war die Umstellung nicht so schwer. In Zürich hatte man den Druck, jedes Spiel gewinnen zu müssen. Hier ist die Ausgangslage anders, weil man nicht immer der klare Favorit ist, hat dadurch aber eine andere Form von Druck.”
Sie haben die vergangenen Monate hautnah miterlebt. Was war der Grund für den Absturz?
“An der einen oder anderen Stelle hat uns ein bisschen das Glück gefehlt. Ist man erfolgreich, spielt man immer mutig, dann riskiert man auch mehr. Verliert man oder hat man viele Nackenschläge, dann hinterfragt man sich auch mal. Bei der Art und Weise, wie wir Fußball spielen wollten, ist es extrem wichtig, nicht diese Zweifel im Kopf zu haben. Ich sage den Spielerinnen ganz häufig, dass sie den Kopf ausschalten und einfach spielen sollen. Genau daran gilt es jetzt zu arbeiten, dass man den Glauben daran wieder hat und auch wieder mutig und positiv nach vorne geht.”
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