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„Im San Siro!“ Strubers erste FC-Liebeserklärung und ein unterhaltsames Gerücht

FC-Trainer Gerhard Struber und sein Assistent Thomas Hickersberger in Estepona. (Foto: GEISSBLOG)
FC-Trainer Gerhard Struber und sein Assistent Thomas Hickersberger in Estepona. (Foto: GEISSBLOG)

Im zweiten Teil des GEISSBLOG-Interviews blickt Gerhard Struber auf eine ereignisreiche Hinrunde zurück. Was für den Cheftrainer „Fantasie pur“ war und warum es ihm beim 1. FC Köln inzwischen „voll taugt“.

Das Interview führten Marc L. Merten und Martin Zenge

GEISSBLOG: Der 1. FC Köln bereitet sich als Winterkönig auf die Rückrunde vor. Das hätten Sie im Herbst, nach den Niederlagen gegen Darmstadt und Paderborn, vermutlich nicht gedacht. 

GERHARD STRUBER
„Ich hatte immer einen großen Glauben an diese Mannschaft. Dieser hat uns auch nach den zwei schwierigen Spielen nicht verlassen – und wir sind nicht aktionistisch nach links oder rechts gesprungen. Wir haben in der Phase gute Entscheidungen getroffen und sind jetzt dort, wo wir sind. Jetzt gilt es, sukzessive draufzubleiben.“ 

Gab es in Ihrem ersten Halbjahr beim FC Dinge, die Sie überrascht haben?

„Die Schnelligkeit und Wucht, wie alles verteufelt wurde. Es ging zwei Spiele bergab und vieles stand infrage. Ich wusste, dass es ein sehr emotionaler Standort ist, aber dass es aus allen Richtungen so auf uns einprasselt, hatte ich nicht erwartet. Wir wussten nach den zwei Spielen selbst, dass das nicht unser Anspruch ist. Aber diese emotionale Wucht ist völlig okay und zeichnet den FC auch aus.“

Struber: „Das ist auf positive Art verrückt“

Ist das der größte Unterschied zu Ihren Ex-Vereinen? 

„Ich habe vorher bei Vereinen gearbeitet, bei denen man kurze Wege hatte. Hier gibt es Gremien und andere Strukturen. Dazu gibt es ein riesiges Umfeld, aus dem viele ihre Meinung abgeben. Nach den zwei verlorenen Spielen war es natürlich mal etwas unruhiger, das gehört dazu. Wir haben uns dann abgekapselt und nicht zerreißen lassen, sondern sind unserer Linie treu geblieben, obwohl wir uns kritisch hinterfragt haben.“ 

Haben Sie etwas Zeit gebraucht, um in Köln anzukommen?

„Ja, schon. Ich komme wie gesagt aus einer anderen Fußballwelt. Rauszugehen auf den Trainingsplatz und da sind dann Hunderte oder auch mal 1000 Zuschauer – das habe ich noch nie so gehabt, das war alles neu. Auch, dass man als Cheftrainer so bekannt ist, dass man durch die Stadt geht und überall erkennen dich die Menschen. In New York war ich drei Jahre und habe Anonymität pur erlebt, Fußball hat keinen interessiert. In Köln ist das natürlich gar nicht der Fall. Jeder sympathisiert mit dem FC, das ist echt auf positive Art verrückt.“

Wenn es gutgeht, weiß ich, dass man als Trainer eine gewisse Folklore erntet.

Gerhard Struber

Wie geht Ihre Familie damit um?

„Die Familie spürt diese Begeisterung, wenn sie im Stadion ist. Beim letzten Mal habe ich auf die Tribüne geschaut, zu meinem Sohn Basti. Er saß fünf Reihen hinter mir und hat große Augen gehabt, weil er das so auch noch nie erlebt hatte. Meiner Familie, und das ist mir auch wichtig, gefällt’s in Köln. Die sind gerne da. Ich hatte keine so einfache Zeit in Salzburg, auch für meine Family war das nicht leicht. Wenn man vor der Haustür einen Club betreut, ist das noch mal etwas ganz anderes, als wenn man eine gesunde Entfernung hat. Wenn es gutgeht, weiß ich, dass man als Trainer eine gewisse Folklore erntet. Aber man bewegt sich eben in einem Spannungsfeld, mit dem man in guten wie in herausfordernden Zeiten leben muss.“

Rund um den FC gab es zwischenzeitlich das Gerücht, dass Sie mit der Umstellung auf Dreierkette gegen Ihren Vertrag verstoßen hätten. 

„Das ist Fantasie pur, entspricht nicht den Tatsachsen. Es war hin und wieder schon unterhaltsam, wenn man die Zeitung aufgeschlagen hat. Ich würde mich in meiner Trainerkompetenz niemals beschneiden lassen. Das würde alles ad absurdum führen, was ich als Trainer brauche – und das sind gewisse Freiheiten.“ 

„Unglaubliche Bereicherung für die Mannschaft“

Die Wende zum Positiven nach den Niederlagen gegen Darmstadt und Paderborn war klar auf Ihre Entscheidungen zurückzuführen. Wie fühlt sich das an?

„Dafür bin ich da. Gemeinsam mit dem Trainerteam muss ich den Jungs eine Unterstützung sein – wir waren zu diesem Zeitpunkt gefordert. Ich habe gemerkt, dass uns in Spielmomenten die Erfahrung fehlt. Der Systemwechsel hat auch dazu geführt, dass wir mit Dominique Heintz einen Zufluss an Erfahrung dazubekommen haben. Er ist eine unglaubliche Bereicherung für die Mannschaft.“ 

Mit Marvin Schwäbe kam auch auf der Torhüter-Position Erfahrung in die Mannschaft. Das war für Sie sicherlich keine einfache Entscheidung. 

„Das war vor allem für Jonas Urbig ein ganz schwieriger Moment, weil es sportlich nicht viele Punkte gab, ihn rauszunehmen. Der Erfahrungswert, den Marvin Schwäbe mitbringt, war aber entscheidend. Es ist wichtig, wie es harmoniert und welche Dynamik zwischen einzelnen Mannschaftsteilen herrscht. Da hat Marvin einen riesigen Einfluss.“ 

Wie lässt sich dieses Luxusproblem im Tor langfristig moderieren? 

„Man darf nicht so langfristig denken. Wir müssen im Hier und Jetzt schauen, wer richtig gut liefert. Diese ganzen Prognosen zum Karriereweg sind eine nette Geschichte. Davon hatte ich schon einige. Natürlich haben es einige zu Liverpool oder Bayern geschafft. Andere sind aber auch in der Versenkung verschwunden. Bei Jonas ist es gerade ein normaler Schritt in der Entwicklung. Du kriegst ab und zu ein Stoppschild, dann musst du aber trotzdem dranbleiben. Und irgendwann kommt der Moment, an dem es weitergeht. Und da musst du auf einem Top-Level sein. Ich kann nicht in die Glaskugel gucken, doch Jonas hat großes Potenzial und haut sich weiterhin voll rein. Das stellt für mich eine gute Situation dar.“ 

Wir haben uns von der Abstiegsgeschichte gelöst und Fahrt aufgenommen, davon bin ich überzeugt.

Gerhard Struber

Ein Spieler, der derzeit eine ähnliche Situation wie Jonas Urbig hat, ist Max Finkgräfe. 

„Das stimmt. Max trägt auch Dinge in sich, die hochspannend sind. Leart Pacarada hat uns aber eine gewisse Stabilität gegeben. Er hat nach vorne einen richtigen Push, ist bei vielen Toren und Chancen dabei. Substanziell hat er eine Power, die hilfreich für uns ist.“ 

Ist der 1. FC Köln nach der Herbstmeisterschaft der große Favorit auf den Aufstieg?

„Ich glaube schon, dass wir eine Mannschaft sind, die alle für den Aufstieg auf der Rechnung haben. Alle wissen und kennen die Tabelle. Alle kennen aber auch die Situation rund um die Winterkönige, was da in der Vergangenheit noch alles passiert ist. Wir wissen mittlerweile, was wir können, und dass sich jeder – ob Spieler, Manager oder Trainer – gut mit dieser 2. Liga auseinandersetzt. Jeder sieht, wie eng alles beieinander ist. Ich glaube, das wird ein Rennen, das noch eine Zeit lang dauern kann. Zumal ich auch andere Mannschaften sehr gut einschätze.“ 

Zum Beispiel?

„Wenn ich den Kader des HSV oder von Hertha BSC sehe, denke ich: Die sind richtig gut, die haben Unterschiedsspieler. Die haben wir auch, keine Frage. Dann gibt es die Vereine, die vielleicht nicht das schickste Etikett haben, aber richtig guten Fußball spielen. Ich kann mich noch erinnern, wie wir nach Elversberg gefahren sind. Da hieß es: Wenn ihr die nicht schlagt, dann keinen. Aber die machen einen richtig guten Job. Man muss einfach alle Mannschaften ernst nehmen und sollte auch die psychologische Situation nicht unterschätzen. Der Anspruch und die Erwartungshaltung in Köln sind klar. Dennoch haben wir uns von der Abstiegsgeschichte gelöst und Fahrt aufgenommen, davon bin ich überzeugt.“

„Solche Dinge müssen ausgesprochen werden“

Im Trainingslager haben Sie auf Workshops mit der Mannschaft gesetzt. Was kann man sich darunter vorstellen? 

„Diese Workshops sind kein spezielles Spektakel, wir reden einfach darüber, was uns erwartet. Und das sehr offen, in einer engen und vertrauen Umgebung. Ich bin davon überzeugt, dass wir uns inhaltlich immer wieder gut auseinandersetzen müssen mit unseren Spielprinzipien und der Frage, wie wir gemeinsam als Mannschaft stabil bleiben. Da geht es um Teamdynamik.“

Und auch um die angesprochene Erwartungshaltung?

„Natürlich. Wie geht man mit dem Druck um und was macht der Druck mit uns? Ich weiß, dass einige Jungs die Sorge hatten, bei einem 0:0 in der Halbzeitpause unter Pfiffen in die Kabine zu gehen. Man glaubt immer, dass das Profis sind, die das wegstecken müssen – nein, das sind ganz normale Burschen, die solche Themen in der Gemeinsamkeit viel besser schultern können. Solche Dinge müssen ausgesprochen werden, um zu verstehen: Na hoppala, eigentlich geht es meinem Kollegen genauso. Wenn man diese Themen auf mehrere Schultern verteilt, lassen sie sich besser händeln.“

Wir haben in jedem Heimspiel 50.000 Fans. Wo sollte ich das sonst haben? Das hatten wir in der Champions League mit Salzburg, wenn wir auswärts im San Siro oder in Lissabon gespielt haben.

Gerhard Struber

Haben Sie Bedenken, dass Ihre Mannschaft wieder zweifeln könnte, sollte die Ungeschlagen-Serie reißen?

„Wir wären naiv, zu glauben, dass wir nicht mehr verlieren. Aber ich denke schon, dass wir uns mit den letzten Wochen befreit haben von diesem Rucksack des Abstiegs. Die Mannschaft ist in sich jetzt stabiler und kann sowas gut wegstecken. Der Glaube in uns selbst ist gerade sehr stark, auch wenn es sehr wahrscheinlich wieder die eine oder andere Niederlage geben wird.“

Wir haben über Ihre Vision für den FC gesprochen. Was ist Ihr persönlicher Karriereplan? 

„Es gibt die Bundesliga, die mich brutal reizt. Aber man muss immer das Hier und Jetzt gut im Auge haben. Das, was man glaubt, irgendwo in Zukunft haben zu können, hat damit zu tun, wie man im Hier und Jetzt performt und handelt. Deswegen bin ich mit voller Überzeugung da und das richtig gern – mir taugt’s in Köln. Ich habe nicht irgendwo das Gefühl: Da wär’s cool oder dort, mir taugt’s grad voll. Ich habe eine richtige Gaudi mit meinem Trainer-Staff und wir haben eine Gruppe an Fußballern beieinander, die voll mitziehen. Wir haben einen richtig coolen Schulterschluss mit der Mannschaft. Und: Wir haben in jedem Heimspiel 50.000 Fans. Wo sollte ich das sonst haben? Das hatten wir in der Champions League mit Salzburg, wenn wir auswärts im San Siro oder in Lissabon gespielt haben. Wir beim FC haben das daheim gegen Ulm, das weiß ich schon zu schätzen. Es passt gerade richtig gut.“

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