Carlson im Interview: „Ich möchte mehr Ambitionen in die Mannschaft bekommen“

Britta Carlson will mit dem 1. FC Köln raus aus dem Abstiegskampf. (Foto: Bucco)
Britta Carlson will mit dem 1. FC Köln raus aus dem Abstiegskampf. (Foto: Bucco)

Die Bundesliga-Frauen 1. FC Köln wollen mit Britta Carlson in eine erfolgreiche Zukunft gehen. Im ersten Teil des großen GEISSBLOG-Interviews spricht die neue Trainerin unter anderem über die ersten Spiele, ihre Ziele mit dem FC und die Planungen für die kommenden Jahre.

Das Interview führten Sonja Gauer, Juline Mittag, Martin Zenge und Marc L. Merten

GEISSBLOG: Frau Carlson, Sie sind seit knapp zwei Monaten Cheftrainerin des 1. FC Köln. Fühlen Sie sich in Köln schon halbwegs zuhause? 

„Beim FC ja, aber wohnlich kann ich noch gar nicht viel dazu sagen, weil ich eigentlich nie da bin. Ich bin die meiste Zeit arbeiten und abends erst spät zuhause. Ich habe noch gar nicht so viel von der Stadt mitbekommen. Ich hoffe, das kommt gegen Frühjahr. Zeitlich ist es im Moment noch schwierig. Wenn man neu anfängt, gibt es viel zu tun. Grundsätzlich wird Schleswig-Holstein aber meine Homebase bleiben. Das ist meine Heimat.“

Wie kommt man als Norddeutsche im Rheinland zurecht? 

„Der Norddeutsche wirkt ja immer kühl und zurückhaltend. Das ist in unserem Freundeskreis nicht so, wir sind sehr offene Menschen. Ich mag Rheinländer und ich habe viele Freunde hier in Köln, insofern ist das jetzt kein Neuland. Ich bin schon immer gerne hier gewesen.“ 

Als Co-Trainerin mit dem VfL Wolfsburg haben Sie im RheinEnergieStadion ja auch schon einige Pokal-Titel feiern dürfen.  

„Ja, wir haben hier einige Feste gefeiert. Von daher kennen wir auch ein paar gute Bars (lacht). Ich bin gerne hier in Köln, sonst hätte ich das auch nicht gemacht. Zusätzlich zu der Vision des FC, die mich überzeugt hat , ist das Umfeld für mich auch mitentscheidend gewesen. Ansonsten hätte ich bewusst den Schritt ins Ausland gewählt.“

Wolfsburg-Spiel als Benchmark

Kommen wir zum Sportlichen: Sie sind mit einem starken 0:0 gegen Wolfsburg gestartet. Es folgten ein Unentschieden gegen Essen und eine Niederlage gegen Freiburg. Wie fällt ihr persönliches Fazit aus? 

„Durchwachsen. Ich bin sehr ambitioniert, sehr ehrgeizig. Ich glaube, wir haben uns in bestimmten Dingen stabilisiert, auch defensiv. Fakt ist aber auch: wir haben kein Tor geschossen und das stört uns. Wir hätten auch nicht gegen Freiburg verlieren müssen. Essen war kein gutes Spiel, da kann man nicht drüber hinwegreden und das wissen die Spielerinnen auch.“ 

Hat die Leistung gegen Wolfsburg die Benchmark für die Rückrunde gesetzt?

„Die Benchmark für den jetzigen Augenblick, aber die ist mir noch nicht hoch genug. Das war ein super Einstieg, weil das natürlich auch Vertrauen in dem auslöst, was du mit deinem Trainerteam entwickelt hast. Das mache ich nicht allein, das macht das Team zusammen. Und die Spielerinnen sehen, dass es geht. Aber es geht wirklich nur, wenn alle ihre maximalen Potenziale abrufen und zusammenarbeiten. Wenn ein paar Spielerinnen nicht an ihr Maximum kommen, wird es für uns schwer.“

An welchen Punkten müssen Sie mit der Mannschaft noch konkret arbeiten? 

„Mir war es sehr wichtig, dass wir in die Defensive eine gewisse Stabilität reinbekommen. Den Zug zum Tor und die Durchsetzungsfähigkeit, gerade in den offensiven Eins-gegen-Eins-Duellen, müssen wir verbessern. Dazu zählen auch die Abläufe und die Genauigkeit. Daran haben wir noch viel zu arbeiten.“ 

In unserem Team fehlt eine Unterschiedsspielerin.

Britta carlson

Wie weit sind Sie schon auf diesem Weg? 

„Das wird aber noch ein bisschen dauern. Jetzt waren einige Spielerinnen zehn Tage lang nicht da. Generell haben wir keinen großen Kader. Ich würde mir wünschen, dass wir untereinander noch konkurrenzfähiger werden. Ich möchte mehr Ambitionen in die Mannschaft und in unser Leistungsvermögen bekommen. Den Spielerinnen kann man keinen Vorwurf machen, sie sind sehr fleißig, hören zu und wollen lernen. Es bedarf auch Zeit.“ 

Mit Blick auf den kleinen Kader: Wären dann nicht mehr Neuzugänge als Amélie Delabre und Aurora Mikalsen hilfreich gewesen? 

„Nein, das war so abgesprochen und ist für den jetzigen Zeitpunkt richtig so. Unser Kader ist stark genug, um zu bestehen, aber es braucht Zeit, neue Ideen einzubringen. Klar ist aber, dass uns im Offensivspiel momentan noch die Durchschlagskraft und in unserem Team  auch eine Unterschiedsspielerin fehlt. Die haben wir gerade einfach nicht.“

Der 1. FC Köln hat eine mannschaftsübergreifende Spielidee implementiert. Wie passt diese zu Ihren Vorstellungen? 

„Tendenziell gut. Aber ich bin ehrlich, noch können wir sie nicht vollends umsetzen, weil wir erstmal stabiler stehen müssen. Normalerweise spielen wir ein Pressing, das höher angesetzt wird und auch spielerisch aus dem 4-3-3 kommt. Da wollen wir auch wieder hin. Das ist mit Christian Keller und Nicole Bender-Rummler abgesprochen und sie stehen dahinter. Wir sind nicht komplett von der Idee entfernt, momentan sind wir aber eher eine Umschalt-Mannschaft und wir agieren mit zwei Sechsern.“ 

„Ich gebe nicht die Besserwisserin“

Was wollen Sie mit dem 1. FC Köln erreichen? 

Wir möchten die nächsten Jahre nicht immer gegen den Abstieg spielen. Das Primärziel ist, eine Mannschaft zu werden, die sich im kommenden Jahr im Mittelfeld der Liga etabliert.  Dann kannst du die nächsten Schritte gehen. Das traue ich uns zu.“  

Der 1. FC Köln will seit vielen Jahren raus aus dem Abstiegskampf. Warum fällt die Umsetzung so schwer und wie soll es jetzt mit Ihnen gelingen? 

„Du musst eine bestimmte Kultur entwickeln, um dahin zu kommen. Du musst auf und neben dem Platz die vielen Potenziale erkennen und dann freisetzen. Das ist hier im Verein allen bewusst. Ich komme nicht hierher und gebe die Besserwisserin. Ich brauche vielleicht auch ein bisschen mehr Geduld, auch wenn das nicht unbedingt meine Stärke ist. Aber deswegen haben sie mich, glaube ich, auch geholt.“ 

Besserwisserin muss in dem Fall ja nichts Negatives bedeuten. Sie haben schließlich bereits viele erfolgreiche Strukturen miterlebt. 

„Ich durfte schon viele Erfahrungen sammeln. Wir haben in Wolfsburg ähnlich angefangen. Als ich noch gespielt habe und dann 2008 Co-Trainerin wurde, haben wir immer gegen den Abstieg gespielt und es maximal ins Mittelfeld geschafft. Dann haben wir die ersten zwei, drei Top-Nationalspielerinnen geholt. Die waren zwar schon etwas älter, für alle anderen aber die Leuchttürme, um den nächsten Schritt zu gehen. Ich habe die Steps von dort bis in die Champions League mitgemacht. Ich glaube, die Rahmenbedingungen sind hier relativ ähnlich.“

So plant der FC die nächste Saison

Wie weit sehen Sie den FC schon? 

„Nicole Bender-Rummler hat zusammen mit Christian Keller schon viele gute Basics gelegt und die gilt es weiter auszubauen und zu ergänzen. Ich finde, wir haben jetzt auch schon eine Mannschaft, die normalerweise nichts mit dem Abstieg zu tun haben sollte. Da wird öffentlich meinem Vorgänger auch ein bisschen Unrecht getan, denn auch im letzten Jahr hatte man viele Ergebnisse, die knapp waren, aber vielleicht das Quäntchen Glück gefehlt hat.“

Hilft es in der aktuellen Situation zu wissen, dass der Abstieg in dieser Saison praktisch nicht mehr möglich ist? 

„Ich bin sehr mathematisch und ich mag es nicht, wenn es rechnerisch noch möglich ist. Wir spielen auch noch gegen Potsdam. Ich finde es gut, wenn man relativ früh weiß, dass man nichts mehr mit dem Abstieg zu tun hat. Den Druck haben wir also schon noch, aber ich finde den jetzt auch nicht negativ. Ich kann mit Druck gut umgehen.“

Realistisch gesehen können Sie aber wohl schon ein weiteres Bundesliga-Jahr planen. 

„So planen wir auch. Ich wollte mir bis zur jetzigen Länderspielpause ein Bild vom Kader machen, von allen Spielerinnen konnte ich das aber verletzungsbedingt noch nicht. Natürlich sprechen wir schon darüber, wie der Kader nächstes Jahr aussehen könnte. Einige Verträge laufen auch am Ende der Saison aus. Wir sprechen jetzt im Detail darüber, wo wir Bedarf sehen. Wir haben ebenfalls schon besprochen, dass wir eine andere Kadergröße benötigen. Nächstes Jahr werden wir noch mehr Spiele haben, wenn es 14 Mannschaften in der Liga gibt. Ich habe da sehr klare Vorstellungen – da sind wir intern aber auch einer Meinung.“

Ist es notwendig, dafür noch mehr Geld in die Hand zu nehmen? 

„Wir haben einen vertrauensvollen Austausch über meine Vorstellung, ob und wie sie umsetzbar sind, entscheidet dann die sportliche Leitung. Wir treffen alle Entscheidungen aber immer gemeinsam. Wir wollen den Kader vergrößern und sukzessive verstärken. Wenn du im Frauenfußball die nächsten Schritte gehen willst, musst du sicherlich weiter investieren. Der FC macht da alles mit Verstand und so ticke ich auch.“ 

40.000 Euro? „Damit haben wir nichts zu tun“

Es klingt, als würden Sie zwei, drei Säulenspielerinnen dazu holen wollen. 

„Wir brauchen noch mehr Erfahrung. Wir brauchen auch Spielerinnen, die schon mal auf Top-Niveau gespielt haben und vielleicht auch schon mal etwas gewonnen haben. So eine Sieger-Mentalität hilft der Mannschaft. Wir haben sicherlich erfahrene Spielerinnen, aber davon noch ein, zwei Typen mehr zu haben, die schon mal international gespielt haben, würde helfen. Diese zu bekommen, ist aber nicht leicht. Der Markt ist gerade extrem.“ 

Was bedeutet das konkret?  

„Wenn eine deutsche Top-Nationalspielerin ins Ausland geht, kann sie dort auch bis zu 40.000 Euro im Monat verdienen. Damit haben wir nichts zu tun und das ist auch nicht unsere Zielgruppe. Es gilt in Zukunft eine Mischung aus erfahrenen Spielerinnen, die für die Vision brennen und Talenten, die sich an den erfahrenen Spielerinnen orientieren können, zu finden. Dafür benötigen wir ein gutes Scouting und Netzwerk.“

Womit kann der FC in den Gesprächen punkten?  

„Wir können mit uns punkten. Ich habe mich auch bewusst für den Club entschieden. Man sieht, dass hier etwas bewegt wird. Club und Stadt sind ein Pfund, das wäre für mich als Spielerin schon relevant. Es ist schon viel wert, dass wir alle zwei Wochen vor 2000 Fans spielen. Der Club ist schon besonders, auch die familiäre Atmosphäre. Es ist leicht, sich hier wohlzufühlen. Die Rahmenbedingungen werden sukzessive besser und wir können unseren Hut überall mitreinwerfen.“  

Im zweiten Teil des GEISSBLOG-Interviews (erscheint am Donnerstag) spricht Britta Carlson unter anderem über die Umstellung von der Co-Trainerin zur Chef-Trainerin, ihre bisherige Karriere sowie das Highlight-Spiel gegen den FC Bayern München im RheinEnergieStadion (hier geht’s zu den Tickets).

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