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Viele Fragen bleiben: Die Antworten werden Zeit brauchen

Die Kölner Hooligans auf der Tribüne in Nizza. (Foto: IMAGO / Treese)
Die Kölner Hooligans auf der Tribüne in Nizza. (Foto: IMAGO / Treese)

Nach den Vorfällen in Nizza rund um das Conference-League-Spiel des 1. FC Köln bei OGC Nizza bleiben viele Fragen offen. Dies wird wohl auch noch mehrere Wochen so bleiben. Nicht nur innerhalb des FC wird es Zeit benötigen, um sich Klarheit zu verschaffen. Auch rund um die Geißböcke wird es noch viele Gespräche brauchen, um aufzuarbeiten, was passiert ist und was dies nun für den Klub bedeutet.

Aus Nizza berichten Sonja Eich und Marc L. Merten 

Ereignisse wie die Ausschreitungen in Nizza kommen immer mit weiteren Problemen daher. Für die Verantwortlichen der beteiligten Vereine, für die Behörden, für die Fans, für die Berichterstatter vor Ort.

Alle wollen sich so schnell wie möglich ein möglichst umfassendes Bild machen. Doch das Beispiel Nizza zeigt, dass zuverlässige Informationen erst im Laufe vieler Stunden und Tage, womöglich erst Wochen eintreffen. 

FC und Polizei rufen Ermittlungsgruppe ins Leben

Bis dahin bleiben viele Fragen offen, und die gilt es vornehmlich zu benennen. So auch nach dem Aufeinandertreffen französischer und deutscher Fans rund um das Stade de Nice – wobei schon hier der Begriff „Fans“ vorsichtig benutzt werden muss, da manch friedlicher Fan mit den Tätern von Donnerstagabend nicht mit derselben Bezeichnung in einen Topf geworfen werden will.

Der 1. FC Köln hat eine umfassende Aufarbeitung angekündigt, mit einer Ermittlungsgruppe in Kooperation mit der Kölner Polizei. „Neben den internen Abstimmungen besteht Kontakt zu allen relevanten Sicherheitsträgern, der UEFA und natürlich auch zur Fanszene.“ Und weiter: „Die nun angestoßene Aufarbeitung der Vorfälle wird dabei Zeit benötigen und den 1. FC Köln sowie die Sicherheitsbehörden über mehrere Wochen hinweg beschäftigen.“

Welche Rolle spielt die Gruppe “Supras Auteuil” aus Paris?

In dieser Zeit will sich der FC zahlreichen Fragen annehmen. Im Mittelpunkt werden Fragen zu den Abläufen und Hintergründen der Geschehnisse in Nizza stehen: Wie kam es zu den Angriffen durch Nizzaer Fans schon vor dem Stadion, zunächst auf dem Parkplatz eines Schnellimbiss‘ und anschließend, aus einer Baustelle heraus und dann an einer Haltestelle, u.a. in Form von Bengalo-Beschuss und Steinwürfen. Und warum war der Fan-Marsch von Seiten der örtlichen Behörden nicht besser geschützt?

Auch zu klären ist, welche Rolle die Hooligans und Ultras der Gruppe “Supras Auteuil” aus Paris spielten. Schon bei den Ausschreitungen vor dem Stadion, aber vor allem dann bei der Massenschlägerei im Stadion. Obwohl die Gruppe in Frankreich schon lange verboten ist, ist sie noch immer aktiv- und mit mehreren Kölner Ultra-Gruppen eng befreundet. Wusste der FC im Vorfeld von deren Teilnahme? Was wussten die Nizzaer Behörden? War das Sicherheitskonzept darauf ausgerichtet? Und muss der FC nicht versuchen Einfluss zu nehmen, dass offenbar derart gewaltfreie Fans anderer Klubs nicht aktiv von der Kölner Fanszene zu FC-Spielen in die Stadien geholt werden?

Warum war Nizza so schlecht vorbereitet?

Weitere Fragen betreffen die Geschehnisse im Stade de Nice. Warum ignorierte OGC Nizza die Kölner Sicherheitsbedenken? Warum gab es keine Sektorentrennung? Warum waren so wenige Ordner und zunächst so wenige Polizisten im Stadion im Einsatz? Und warum war der Gastgeber offensichtlich mit dem Fan-Ansturm an den Eingangsbereichen derart überfordert?

Viele dieser Fragen sind vor allem von der UEFA und vom OGC zu beantworten. Der FC muss sich derweil insbesondere um Fragen zu seinen eigenen Fans kümmern. Wer wirkte bei den Angriffen auf den Nizzaer Block mit? Wer waren die Rädelsführer? Wer lässt sich identifizieren und wie kann man potentielle Mitwisser dazu bewegen, ihr Wissen zu teilen, um die Täter ausfindig zu machen und zu bestrafen? 

Welche Rolle spielt die “Revolte”?

Die Aufarbeitung von Kölner Seite wird aber noch weitergehen müssen und betrifft die Zukunft der aktiven Fanszene. Ein viel diskutiertes Thema in Nizza war die Rolle der „Revolte“, eine Ultra-Gruppe, die sich mit Gleichgesinnten von Borussia Dortmund und Rot-Weiß Essen zu einer Allianz zusammengeschlossen hat und in Teilen der Kampfsport-Szene nahe stehen soll. Welche Ziele verfolgen die Gruppierung und die Allianz? Und wie positioniert sich der Südkurve 1. FC Köln e.V. in dieser Entwicklung?

Und schließlich muss sich auch der Vorstand des 1. FC Köln die Frage stellen, wie es mit dem Fan-Dialog nun weitergehen soll. Werner Wolf hatte als Präsident persönlich immer wieder für den Dialog geworben, der nun zumindest von einer schlagkräftigen Minderheit aufkündigt wurde. War der Vorstand zu blauäugig? Auch mit Blick auf die Stimmen, die man in zehn Tagen bei der Mitgliederversammlung für die Wiederwahl braucht? 

Schweigen des Vorstands – auch in Nizza

Warum schwieg der Vorstand nach dem Youth-League-Skandal in Genk? Warum schwieg der Vorstand nach dem Spielabbruch bei der U21 gegen Oberhausen? Und warum schickte der Vorstand in Nizza Christian Keller vor, statt sich selbst den Fragen der Medien zu stellen? Keller ist erst seit wenigen Monaten im Amt, kennt viele Verbindungen in Fan-Kreisen noch nicht im Detail. Der Vorstand ließ den Sport-Geschäftsführer öffentlich alleine und tauchte ab. Das nächtlich veröffentlichte Statement des Präsidiums, das es noch nicht einmal auf die Vereinswebsite schaffte, war eine Ansammlung austauschbarer Allgemeinplätze. 

Die Liste an Fragen, auf die es Antworten braucht, ist also lang und geht weit über die Vorfälle in Nizza hinaus. Gelingt dem FC in den kommenden Wochen eine saubere Aufarbeitung, besteht in dem Skandal vom Donnerstag auch eine Chance für den Klub. Doch dafür braucht es wichtige Zutaten: Beweise in Form von Bildmaterial, die Unterstützung von Mitwissenden, viel Geduld, vor allem aber den Willen aller Beteiligten zu einer schonungslosen Analyse. 

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