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Acht Tore für einen Neuanfang. Keine schlechte Ausbeute, wenn man der 1. FC Köln ist, fünf Spiele in Folge nicht gewonnen hat, der gerade erst vier Monate alte Trainer in die Kritik gerät und der Favoritenstatus zu bröckeln beginnt. Das Offensiv-Feuerwerk gegen Dynamo Dresden hat den Effzeh von seinen größten Sorgen befreit und soll als Katalysator für den Aufstieg dienen.
Köln – Erinnern Sie sich noch an Peter Stöger? Also nicht an die schlechten Zeiten unter dem Österreicher, sondern an jene Monate und Jahre, in denen es mit dem 1. FC Köln stetig bergauf ging? Zu dieser Zeit folgte Stöger einem einfachen Mantra, wenn es darum ging, seine Spieler auf den Rasen zu schicken: “Sie sollen sich wohl fühlen.” In dem, was das Trainerteam von ihnen erwartete, im taktischen Korsett, in der Art, wie sie Fußball spielen sollten.
Mancher Fan mochte sich zwar ob der vielen Vorstellungen der Geissböcke nicht wohl gefühlt haben, wenn hinten mal wieder die Null stand und vorne der liebe Gott oder Anthony Modeste halfen. Doch die Ergebnisse waren über viele Jahre da, die Leidenschaft, mit der die FC-Profis ihre Möglichkeiten ausschöpften, musste imponieren. Viele Spieler wuchsen über sich hinaus, sie wussten, was von ihnen erwartet wurde und was nicht. Die Aufgaben waren einfach, das Spiel auf dem Rasen ebenfalls. Zwar war es auf diese Art in seiner Entwicklung limitiert und selten berauschend ansehnlich, doch der Erfolg gab den Verantwortlichen lange Recht.
Variable Defensive für mehr Stabilität
Der Erfolg gab auch Markus Anfang zu Saisonbeginn Recht. Die Geissböcke waren auf dem Weg zu einem persönlichen Startrekord, erzielten die meisten Tore in der Liga, trotz einiger Mängel trumpfte die Offensive im System des neuen Trainers derart auf, dass kaum eine gegnerische Mannschaft dem FC Paroli bieten konnte. Ein erster Rückschlag gegen Paderborn wurde mit drei Siegen in Folge ausgebessert, die “Entwicklung” und der “Prozess” im 4-1-4-1 schienen sich fortzusetzen. Was darauf folgte, waren jedoch erste Wirkungstreffer. Zunächst ein Stolperer gegen Duisburg, dann ein Tiefschlag in Kiel, ein Schwinger ins Leere gegen Heidenheim und schließlich der Zusammenbruch auf allen Ebenen gegen den Hamburger SV.
Gegen Dresden ging es für den FC darum, einen technischen K.o. in Runde 13 abzuwenden. Das hatte offenbar auch Trainer Markus Anfang so erkannt, denn er ließ seine Mannschaft nicht mehr wie zuvor in den Kampf ziehen, sondern mit einer neuen Marschroute. Defensiv bot Anfang eine Dreierkette auf, die durch Marcel Risse auf rechts und Jonas Hector auf links je nach Angriffsseite des Gegners zu einer Vierer- oder gar Fünferkette werden konnte. Zudem waren stets genügend Spieler verfügbar, um Marco Höger im defensiven Mittelfeldzentrum auszuhelfen.
Die Flügel defensiv wie offensiv wichtig
Hector und Risse waren auch mitentscheidend für die gute Leistung der Offensive. Der Nationalspieler, der die Rolle als alleiniger Linksaußen defensiv wie offensiv bereits aus der Nationalmannschaft kennt, ist läuferisch jederzeit in der Lage, über 90 Minuten die Linie rauf- und runterzulaufen. Auf der anderen Seite wurde Risse aus seinem Leid als Rechtsverteidiger erlöst. Der gelernte Rechtsaußen durfte endlich wieder offensiver ran, seine Stärke bei Flanken einbringen und, wenn nötig, eben doch hinten aushelfen, weil er dies ja durchaus auch beherrscht, nur eben nicht als allein Verantwortlicher in einer Viererkette.
[nextpage title=”Anfang kommt seinem Kader entgegen”]
Schaub als Schlüssel in der Offensive
Hector links und Risse rechts waren dann auch – zusammen mit Dominick Drexler – die Schnittstellenläufer, die vornehmlich von einem hervorragend aufgelegten Louis Schaub bedient werden konnten. Der Österreicher machte nach dem Spiel keinen Hehl daraus, dass er sich im Zentrum und nicht auf der Außenbahn deutlich mehr zuhause gefühlt hatte. “Wir haben ein bisschen umgestellt und das hat richtig gut funktioniert”, sagte der Torschütze zum 7:1 und Vorlagengeber zum 2:0 (indirekt), 3:0 und 5:0. “Ich habe mich im Zentrum sehr wohl gefühlt. Jeder hat sich wohl gefühlt.”
“Jeder hat sich wohl gefühlt” – dieser Satz dürfte entscheidend sein für Markus Anfang, an diesem neuen System auch in den kommenden Wochen festzuhalten. Zumindest, sofern sich der Eindruck festigen und auch in der Liga bestätigen sollte. Dass die beiden Stürmer, Simon Terodde und Jhon Cordoba, sich erstmals in dieser Saison als Doppelspitze versuchen durften und brillierten (mehr dazu hier), dürfte ebenfalls dazu beitragen, am neuen Zwei-Stürmer-Ansatz festzuhalten.
So kannst du dann Chancen kreieren
“Nach dem Spiel in Hamburg haben wir viel gesprochen, der Trainer hat sich ein neues System einfallen lassen – mit zwei Stürmern”, sagte Timo Horn nach dem 8:1. “Dadurch konnten wir mehr Druck aufbauen. Cello (Marcel Risse) hat immer wieder starke Bälle in die gefährlichen Räume gespielt, dafür ist er bekannt. So kannst du dann Chancen kreieren.” Dem Vernehmen nach war gerade die fehlende Konsequenz, aber auch die personelle Besetzung der einzelnen Positionen wichtige Themen in den Gesprächen zwischen Trainer und Mannschaft nach dem blamablen Auftritt in Hamburg. Anfang zog die Konsequenzen, erfand seine Spielidee neu und hatte damit Erfolg.
Auch, weil er damit personell seinem Kader mehr entgegen kommt. Links können nun Jonas Hector und Jannes Horn die einzige echte Flügelposition besetzen, weil beide offensiv wie defensiv denken. Rechts ist Risse die Idealbesetzung, bis Christian Clemens wieder fit ist. Die Dreierkette in der Defensive ist mit Jorge Meré im Zentrum, links Rafael Czichos und rechts Benno Schmitz gut besetzt, mit Frederik Sörensen (aktuell) und Lasse Sobiech (nach der Winterpause) gibt es zwei kopfballstarke Alternativen, auch Jonas Hector hat dort in der DFB-Auswahl schon gespielt. Marco Höger im Zentrum konnte nach den schwachen letzten Wochen seine Leistung stabilisieren, auch Salih Özcan kann diese Position spielen. Die beiden kreativen Positionen vor Höger sind mit Dominick Drexler, Louis Schaub und Vincent Koziello überdurchschnittlich besetzt. Und im Sturm könnte neben Terodde und Cordoba auch Serhou Guirassy profitieren, der nun nicht mehr auf der linken Außenbahn eingesetzt werden muss, sondern als Stürmer Nummer drei im Zentrum “jokern” darf.
Wirkt Dresden ähnlich wie das 9:1 im Pokal?
“Wir haben auch schon vorher mal auf zwei Stürmer umgestellt”, sagte Anfang nach dem 8:1 gegen Dresden, wohl wissend, dass diese Aussage freilich nur auf die Schlussminuten einiger Spiele zutraf, in denen der FC zurückgelegen hatte. Der Trainer hat eine deutliche Veränderung vorgenommen, die seinen Worten vor dem Spiel nicht unbedingt zu entnehmen gewesen war. Doch der 44-Jährige hat sich darauf eingelassen und wurde belohnt. Ob das 8:1 gegen Dresden eine ähnliche Wirkung haben wird wie das 9:1 in der ersten DFB-Pokal-Runde? Danach hatte der FC wochenlang wie entfesselt aufgespielt. Sollte das wiedergekehrte Wohlgefühl auf dem Rasen erhalten bleiben, spricht vieles für erfolgreiche Wochen bis zur Winterpause. Denn aus den alten Zeiten beim FC weiß man, wie wichtig ein gutes Gefühl der Spieler für den Erfolg ist.
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