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69 Stadion-Entwürfe: So lief der Wettbewerb des heutigen Stadions

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Das Stadion wurde während des laufenden Spielbetriebs umgebaut. (Foto: imago images / Chai v.d. Laage)

[nextpage title=”Versäumnisse in der Ausschreibung”]

Am 8. Juni 2000 entschied die Stadt Köln, das altehrwürdige Müngersdorfer Stadion in eine reine Fußballarena umzuwandeln. Nachdem der Traum des 1. FC Köln, ein eigenes Stadion bauen zu dürfen, geplatzt war, folgte eine öffentliche Ausschreibung der Stadt Köln, bei der insgesamt 69 Stadion-Entwürfe eingereicht wurden. Der GEISSBLOG.KOELN blickt im zweiten Teil der Serie auf den Stadion-Wettbewerb zurück, der letztlich zum Bau des heutigen RheinEnergieStadions führte. 

Von Sonja Eich und Marc L. Merten

Der Tod von Oberbürgermeister Harry Blum am 17. März 2000 hatte für den 1. FC Köln das Aus der Vision eines eigenen Stadions bedeutet. Keine drei Monate später, am 8. Juni 2000, traf die Stadt Köln eine weitreichende Entscheidung für die Stadt wie für seinen Fußballklub. Das Müngersdorfer Stadion würde nicht vom FC, sondern von der öffentlichen Hand abgerissen und neu gebaut werden. Der bis dahin entwickelte Plan inklusive Finanzierung war hinfällig, die Überlegungen begannen bei null. Die Stadt brachte zusammen mit dem FC eine gänzlich neue Ausschreibung für einen Architekten-Wettbewerb auf den Weg.

Einen Tag nach der Entscheidung der Stadt verschickte der 1. FC Köln, namentlich Geschäftsführer Claus Horstmann, einen Brief an das zuvor favorisierte Architekten-Quartett um Jürgen Büscher, Michael Kraus, Juan Pablo Molestina und Markus Schebalkin. In dem Schreiben, das dem GEISSBLOG.KOELN vorliegt, hieß es: „Gemeinsam mit der Stadt Köln ist gestern der Beschluss gefasst worden, dass die neue Kölner Fußball-Arena durch die Stadt Köln als Bauherr realisiert wird.“ Und weiter: „Wir möchten uns für die bisherige Zusammenarbeit bedanken.“ Mit diesen wenigen Worten waren die ursprünglichen Pläne beerdigt.

Schramma erklärt: So kam es zu der städtischen Ausschreibung

Für die neue Ausschreibung begannen dagegen die Gespräche zwischen der Stadt, dem FC und der Kölner Sportstätten GmbH, die ohne diese Entscheidung einen Großteil ihrer Daseinsberechtigung wohl eingebüßt hätte. Ein wichtiger Meilenstein für die Anforderungen an das neue Stadion war der 6. Juli 2000. An diesem Tag erteilte die FIFA Deutschland den Zuschlag für die Ausrichtung der WM 2006. Köln sollte dabei einer der Spielorte werden und konnte nun bei der Planung des neuen Stadions alle Anforderungen an eine WM-Arena für 2006 in die Ausschreibung übernehmen.

Doch erst musste Köln sich politisch neu aufstellen. Nach Blums Tod stand die OB-Wahl an. Nach einer Stichwahl gegen Anke Brunn von der SPD wurde Fritz Schramma am 17. September 2000 zum neuen Oberbürgermeister gewählt. Der damals 53-jährige FC-Fan hatte sich bereits zuvor für einen Stadionneubau eingesetzt und das prestigeträchtige Objekt zum Wahlkampf-Thema gemacht. Doch während sein Vorgänger Harry Blum dem FC den Stadionbau überlassen wollte, war Schramma anderer Meinung, wie er dem GEISSBLOG.KOELN rückblickend bestätigte. „Ich war damals der Meinung, dass die Stadt nicht den Fehler von der WM 1974 wiederholen darf und das neue Stadion zu spät fertig wird“, sagte Schramma. Deshalb habe er sich dafür eingesetzt, die neue Arena unter städtischer Führung bauen zu lassen. Darüber hinaus habe er Zweifel an der privaten Durchführbarkeit gehabt. „Von Seiten des FC gab es keine klare Zusage der Finanzierung“, sagte Schramma. Diese jedoch hatte der Klub sehr wohl vorgelegt, wie Dokumente zeigen, die dem GEISSBLOG.KOELN vorliegen. Die Deutsche Bank hatte bereits Anfang 2000 mit dem FC und der Stadt an einem Tisch gesessen und bestätigt, dem Klub einen entsprechenden Kredit geben zu wollen, falls der FC das Stadion selbst bauen wollte – wozu es nicht kommen sollte.

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Fritz Schramma begann den Abriss des alten Stadions. (Foto: imago images / Werek)

Unter Schrammas Führung wurde im Herbst 2000 die Ausschreibung erarbeitet. Das Ziel: die Errichtung „einer der modernsten Fußball-Arenen Deutschlands“, wie es letztendlich in der Ausschreibung hieß. Am 1. Dezember veröffentlichten die Stadt Köln und der 1. FC Köln schließlich gemeinsam die Anforderungen an den „Umbau des Müngersdorfer Stadions in ein modernes, neues Fußballstadion“. Dabei wurde ein Stadion „mit einer Gesamtkapazität von 45.000 witterungsgeschützten Zuschauer-Sitzplätzen und allen dazugehörigen komfortablen Servicefunktionen für Zuschauer und Fußballer“ gefordert. Die Nutzbarkeit des neuen Stadions sollte für den 1. FC Köln im Vordergrund stehen, gleichzeitig forderte man „weitere Sportnutzungen wie z.B. ein Second-Home-Team“. Etwas, das faktisch nur von den Cologne Centurions zwischen 2004 und 2007 geschah. Gleichzeitig sollte das Stadion für Sonderveranstaltung wie Konzerte nutzbar sein. Zudem sollten „stadionnahe oder stadionintegrierte Ergänzungen mit weiteren Physiotherapie-, Rehabilitations- und Wellness-Bereichen einschließlich privater Arztpraxen“ berücksichtigt werden. Diese sucht man heute jedoch vergebens.

Mitentscheidend über die Vergabe sollte eine Leitlinie sein, die in der Ausschreibung unter dem Punkt „Besondere Stadionanforderungen“ formuliert wurde: die Wirtschaftlichkeit. Mehrfach wurde darauf hingewiesen, dass der beschlossene Kostendeckel nicht überschritten werden durfte. „Die Kostenobergrenze von 180 Millionen D-Mark/netto für die Gesamtkosten der Maßnahme ist von den Wettbewerbsteilnehmern einzuhalten. Der Nachweis günstiger Betriebs- und Unterhaltungskosten ist zu führen.“ Ein Faktor, der später noch einmal wichtig werden sollte – denn er entschied über den Sieger der Ausschreibung.

Der Kostenfaktor wird am Ende entscheiden

Auch der Zeitrahmen wurde vorgegeben, schließlich hatte Schramma Zweifel geäußert, dass im Falle eines privaten Baus das Stadion rechtzeitig zur WM 2006 fertig werden würde. Zwar standen öffentliche Bauvorhaben in Köln nie unter dem Eindruck, zeitlich wie finanziell den Vorgaben zu folgen, doch die Stadt wollte mit dem Stadion zeigen, dass es auch anders ging. Der geplante Spatenstich sollte am 20. Dezember 2001 erfolgen und das Stadion am 31. Januar 2004 fertiggestellt werden. Zumindest zeitlich wurde der Plan am Ende tatsächlich eingehalten. Finanziell hingegen nicht.

Insgesamt umfasste die „Auslobung zum Kombinierten Wettbewerb“, wie es hieß, 27 Seiten. Aus der heutigen Sicht enthielten die Pläne jedoch mehrere Versäumnisse. Erstens fehlte die Anforderung, dass durch eine modulare Bauweise eine Erweiterung des Stadions um einen dritten Zuschauerrang möglich wäre. Zweitens verzichtete die Stadt Köln darauf, die Umwandlung des Müngersdorfer Stadions, damals noch Ausrichter internationaler Leichtathletik-Meetings, mit dem verpflichtenden Bau eines neuen Leichtathletik-Stadions an anderer Stelle (auf der West- oder Ostkampfbahn) zu verbinden. Ein Gedanke, den der FC in seiner eigenen Planung berücksichtigt hatte, indem er das neue Stadion auf die Westkampfbahn hatte bauen wollen, um die Hauptkampfbahn in eine Leichtathletik-Arena umzubauen. Stattdessen verlor die Sportstadt Köln mit dem Bau des reinen Fußballstadions die Austragung internationaler Sportwettbewerbe und schwächte sich als Olympia-Stützpunkt.

[nextpage title=”Die Entwürfe der Finalisten und die Kostenfalle”]

Stadt ignoriert ursprüngliche FC-Pläne

Dabei wäre es ein Leichtes gewesen, diese Versäumnisse zu umgehen. Schließlich hatte der 1. FC Köln in den Monaten zuvor detaillierte Pläne für einen Stadionneubau vorgelegt, die all diese Punkte sowie weitere Ideen wie ein Hotel am Stadion und vollständige Geschäftsräume für den FC im Stadion beinhaltet hatten. Doch die Verantwortlichen der Stadt, allen voran die Kölner Sportstätten GmbH, hatten öffentlich kundgetan, dass die Pläne des FC nicht zu verwirklichen seien. So wurden Anforderungen für den Neubau außen vor gelassen, die sich 20 Jahre später rächen sollten.

Doch wie fiel letztlich die Entscheidung für das heutige Stadion? Zunächst konnten sich Architektenteams für den Bau des neuen Stadions mit ersten Entwürfen bewerben. Insgesamt 69 Bewerber reichten ihre Ideen ein. Am 6. und 7. März 2001 entschieden 17 Fach- und Sachpreisrichter, darunter Fritz Schramma, Hans Rütten und Albert Caspers, über die sieben besten Entwürfe, die es in die Endrunde des Wettbewerbs schafften. In der darauffolgenden zweiten Phase mussten die verbliebenen Teilnehmer ihr Gesamtkonzept konkretisieren. Bis zum 7. Juni konnten die sieben Bewerber ihre Unterlagen einreichen, um für die Preisgerichtssitzung sechs Tage später, am 13. Juni 2001, berücksichtigt zu werden.

Es war eine knappe Entscheidung mit 9 zu 8 Stimmen

Im Mittelpunkt dieser zweiten Ausarbeitung standen unter anderem die „räumlichen und funktionalen Qualitäten der neuen Stadionebenen für den Fußball einschließlich VIP- und Medienbereiche und ergänzender multifunktionaler Anforderungen“ sowie der entscheidende Punkt, der auch in den Bewertungskriterien immer wieder formuliert worden war: die Wirtschaftlichkeit. Dort hieß es: „Realisierungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit des Gesamtkonzeptes und der Bauabschnitte“ sowie „Einhaltung des Kostenrahmens für die Investition bei günstigen Betriebskosten“.

Am 13. Juni 2001 fiel schließlich die Entscheidung. Es gewann der Entwurf der Architektengruppe gmp von Gerkan. In der Jury-Beurteilung, die dem GEISSBLOG.KOELN vorliegt, hieß es: „Den Verfassern gelingt ein Stadion-Entwurf, der sich gut in die Parklandschaft einfügt und sich maßstäblich mit den denkmalgeschützten Abel-Bauten auseinandersetzt.“ Die charakteristischen Eck-Pylonen wurden als „Markenzeichen“ mit „unverwechselbarer Identität“ betitelt, ernten aber auch Kritik für die offenen Ecken, die nach Ansicht der Preisrichter „überinstrumentalisiert“ und nicht zeitgemäß erschienen. Insgesamt bewertete die Jury den Entwurf als „eine überzeugende klare Arbeit, der allerdings noch ein Stück Seele einzuhauchen ist“. Ein wichtiger Punkt folgte an dieser Stelle: Der Nachweis über die genauen „Leistungsgrenzen hinsichtlich des Kostenangebotes“ war zum Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht geprüft – und sollte zu einem späteren Streitpunkt werden.

Denn: „Es war eine knappe Entscheidung mit 9 zu 8 Stimmen“, bestätigte Schramma im GBK-Gespräch. Was zu diesem Zeitpunkt jedoch niemand ahnte: Die Gewinner hatten sich in ihrem Entwurf zwar an den Kostenrahmen von 180 Millionen Mark gehalten. Tatsächlich sollte das Stadion später aber 240 Millionen Mark kosten. Die prognostizierten, geringeren Kosten waren es gewesen, die letztlich den Ausschlag für den gmp-Entwurf gegeben hatten.

Kosten steigen nach Entscheidung von 180 auf 240 Mio. Mark

Auf Platz zwei des Wettbewerbs war genau jene Architekten-Gruppe gelandet, die vor der Neuausschreibung mit dem FC bereits den Bau des Stadions auf der Westkampfbahn geplant hatte: jene Gruppe um Juan Pablo Molestina und Markus Schebalkin. Sie hatten in ihrem Entwurf Kosten von über 200 Millionen Mark angegeben, was ihnen letztlich im Vergleich zu gmp den entscheidenden Nachteil einbrachte – obwohl das Gewinner-Stadion am Ende tatsächlich weit über 200 Millionen Mark kosten sollte. Zwar hatte der Entwurf der Zweitplatzierten durch eine „wirkungsvolle Vernetzung mit der umgebenden Landschaft“ und der „Ausbildung eines individuellen Daches“ mit „der Integration zahlreicher Technikbestandteile“ viel Lob geerntet, doch am Ende aufgrund der Kostenfrage den Kürzeren gezogen.

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Slideshow: Die Entwürfe der sieben Finalisten. (Bilder: zvg) 

Das bestätigte auch Schramma dem GEISSBLOG.KOELN. „Das Gewinner-Stadion überzeugte optisch, versprach eine besondere Atmosphäre, passte in das Landschaftskonzept, konnte während des laufenden Spielbetriebs gebaut werden und folgte dem Kostenplan, den wir uns gesetzt hatten.“ Zumindest hatte man das damals noch gedacht. Derweil ließ FC-Präsident Albert Caspers im Interview mit der Kölnischen Rundschau zwei Tage nach der Entscheidung durchklingen, dass es eine Kompromisslösung gewesen sei: „Es war ein langwieriger und schwieriger Vorgang. Ich hätte mit allen drei Entwürfen, die zuletzt zur Diskussion standen, leben können. Nach eingehender Debatte habe ich mich der Meinung angeschlossen, dass wir richtig entscheiden, so wie wir entschieden haben. Das jetzt beschlossene Modell ist am sichersten in der Durchführung.“

Tatsächlich entpuppte sich das heutige RheinEnergieStadion als architektonisch so stimmungsfördernd und -gewaltig wie kaum eine andere Arena in Deutschland. Wirtschaftlich und perspektivisch jedoch war die Entscheidung eine Niederlage für den FC. Die Vision eines Vorreiter-Klubs im deutschen Fußball mit eigenem Stadion und eigener Infrastruktur war dahin. Die Stadt selbst hatte, ob willentlich oder fahrlässig, ihren Vorzeigeklub klein gehalten. Die Versäumnisse in der Ausschreibung und die finanzielle Belastung durch die Pacht sollten für den FC zu einem Millionengrab werden statt zur Sanierung und Stärkung des Klubs beitragen. Das heutige Stadion wurde unbestritten zum emotionalen Gewinn für den Klub und die Stadt und zu einem Ort der Identifikation für Fans und Spieler. Allerdings beschwor der Weg zum Bau der Arena genau jene Probleme herauf, die heute die Stadt und den FC einholen.

Morgen lest ihr im 3. Teil der exklusiven GBK-Serie: Ausbau schon eingeplant: Hätte dieser Stadion-Entwurf gewinnen müssen?”

Hier geht es zum 1. Teil: Der ursprüngliche Plan – als die Vision eines neuen FC platzte

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