Eine Serie von 15 sieglosen Spielen in Folge ist kein Zufall. Eine Serie von 15 sieglosen Spielen hat Gründe, die nichts mit äußeren Umständen zu tun haben. Eine Serie von 15 sieglosen Spielen muss Folgen haben. Markus Gisdol muss die Probleme beim 1. FC Köln in den Griff bekommen – und zwar sofort. Schafft er dies nicht, muss es jemand anderes versuchen. Doch wie lange bekommt Gisdol noch Zeit?
Ein Kommentar von Marc L. Merten
Markus Gisdol ist seit nahezu einem Jahr Trainer des 1. FC Köln. Ob er sein einjähriges Jubiläum allerdings noch erleben wird, hängt womöglich schon von den nächsten beiden Spielen ab. Sollte der FC auch gegen den FC Bayern (so schwierig das ist) und beim SV Werder Bremen nicht gewinnen, wäre ein Verbleib des 51-jährigen über die dann folgende Länderspielpause hinaus eine Überraschung. Denn dann hätte Gisdol sage und schreibe 17 Spiele und damit eine ganze Bundesliga-Halbserie nicht gewonnen. Darf sich ein Trainer eine solch lange Durststrecke wirklich erlauben?
Sportchef Horst Heldt fragte vor dem Stuttgart-Spiel: “Was in Gottes Namen hat die letzte Saison mit dieser zu tun?” Damit überraschte der Geschäftsführer Sport so manchen Beobachter am Geißbockheim. Denn Heldt müsste eigentlich sehr genau wissen, dass zehn nicht gewonnene Spiele am Ende einer Saison eine riesige Hypothek für die nächste Spielzeit darstellen. Darüber hinaus war die vergangene Saison für Heldt und seinen Co-Geschäftsführer Alexander Wehrle sehr wohl ein ausreichend guter Grund, dem Trainer im Sommer einen neuen Vertrag zu geben. Wenn also positive Entwicklungen in der vergangenen Saison genügende Gründe für die Entscheidungen über eine Saison hinaus sein dürfen, müssen negative Entwicklungen in gleichem Maße mit einbezogen werden.
Manche Statistiken machen Hoffnung – andere Statistiken zeigen das Scheitern
Heldt und Wehrle wollten mit der Vertragsverlängerung ein Zeichen des Vertrauens und des Aufbruchs aussenden und Gisdol als starken Trainer etablieren. Tatsächlich hat Gisdol mit seinen Spielern in den letzten Wochen läuferisch und kämpferisch im Vergleich zum Saisonende die Kurve bekommen. Das ist ein wichtiger Hoffnungsschimmer. Die Spieler haben die Arbeit unter Gisdol keinesfalls eingestellt, sondern sind gewillt, körperlich alles zu investieren. Doch die Mängel gerade in der Defensive sind offensichtlich und lassen sich auch anhand von Statistiken belegen: Seit dem Bundesliga-Restart im Mai kassierte der FC die zweitmeisten Gegentore, bekam die zweitmeisten Schüsse aufs Tor, produzierte die zweitmeisten individuellen Fehler vor Gegentoren und blieb als nur eine von zwei Mannschaften in dieser Zeit kein einziges Mal ohne Gegentor.
Gisdol ist kein Stöger
Und dann kommt noch ein anderer Faktor dazu: Gisdol ist kein Stöger. Als Peter Stöger nach 14 sieglosen Spielen gehen musste – noch nie hatte ein FC-Trainer so lange ohne Sieg im Amt bleiben dürfen -, liebten ihn die Spieler noch immer und weinten ihm im wahrsten Wortsinne nach. Bei Gisdol ist die Lage anders. Der FC-Trainer wird zwar respektiert, doch längst nicht mehr von allen Spielern. Einige fühlen sich übergangen, andere haben nicht das Gefühl, dass das Leistungsprinzip noch zählt. Gisdol hält fast schon stur an manchen Spielern fest, lässt andere dafür links liegen. Sein angekündigter Umbruch in der Hierarchie blieb aus, und hatten schwache Leistungen im vergangenen Dezember noch Folgen für die Spieler, ist dies aktuell nicht der Fall.
Natürlich musste Gisdol mit erheblichen Einschränkungen die Vorbereitung absolvieren. Und tatsächlich hat er allen Kritikern zum Trotz (auch uns) die Mannschaft wieder fit gemacht. Doch nun muss Gisdol seine Linie wiederfinden, in den personellen Entscheidungen genauso wie in den taktischen Vorgaben. Seit Monaten wird der FC-Trainer zumindest intern nicht mehr an den Ergebnissen gemessen, die er mit seinem Team liefert. Eine außergewöhnliche Situation, die er sich mit dem großen Erfolg im Winter und Frühjahr erarbeitet hatte. Doch das muss sofort enden. Denn eines ist klar: Der FC braucht Ergebnisse, braucht Erfolge, ehe es zu spät ist. 2017 entließ man Peter Stöger aufgrund der großen Erfolge der Vorjahre zu spät (nach drei Punkten aus 14 Spieltagen). 2019 zog man gerade noch rechtzeitig die Reißleine beim überforderten Achim Beierlorzer (nach sieben Punkten aus elf Spieltagen). 2020 ist nun auch Markus Gisdol früh unter Druck geraten. Horst Heldt will ihm die Zeit geben, die Wende zu schaffen. Doch Zeit ist im Abstiegskampf ein Luxus-Gut. Und Luxus kann sich der FC nicht leisten.
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