Wieder eine extrem schwache erste Halbzeit, wieder große Probleme im Ballbesitz, wieder praktisch keine Ideen im Spiel nach vorne: Dem 1. FC Köln ist trotz des Punktgewinns gegen Eintracht Frankfurt (1:1) in der Offensive kaum etwas eingefallen. Warum findet die Mannschaft immer erst mit dem Rücken zur Wand die Courage etwas nach vorne zu versuchen?
Köln – Der 1. FC Köln hat feine Fußballer im Kader. So ist das nicht. So mancher FC-Spieler würde durchaus gerne gepflegten Ballbesitzfußball spielen, geordnet von hinten aufbauen, sich ballsicher durch das Mittelfeld kombinieren und die Offensivspieler gekonnt einsetzen. So mancher FC-Spieler kann dies auch überdurchschnittlich gut. Doch die meisten dieser begabten Kicker sitzen dieser Tage auf der Bank.
Jorge Meré wäre sicherlich einer der besten Innenverteidiger der Bundesliga, wenn der deutsche Fußball nicht zum großen Teil aus Hochgeschwindigkeitssprints und harten Zweikämpfen bestehen würde. Dominick Drexler gehört statistisch nachgewiesen zu den besten Flankengebern der Liga, ist technisch versiert und spielt, so sagt man ihm nach, ähnlich unorthodox wie Thomas Müller. Doch beim FC hat man aktuell nur bedingt Verwendung für den wohl ungewöhnlichsten Fußballer im FC-Kader. Noah Katterbach mag am Ende der vergangenen Rückrunde in ein Leistungsloch gefallen zu sein. Doch damit war er nicht alleine. Trotzdem sitzt der Linksverteidiger aktuell draußen, obwohl er zu jenen FC-Kickern gehört, die gerne mal etwas nach vorne versuchen, mit Auge, auch mal mit einem Dribbling, mit flachen Pässen. Und dann wäre da noch Salih Özcan, der Rückkehrer aus Kiel, der bei Holstein eine neue Ballsicherheit gefunden hat, die er beim FC praktisch noch gar nicht unter Beweis stellen durfte.
Fast nur lange Bälle auf Andersson
Das Quartett findet bei den Geißböcken bislang kaum statt. Markus Gisdol wird dafür seine Gründe haben, zumal das Beobachten der Trainingseinheiten durch Corona kaum möglich und der Eindruck von außen sehr eingeschränkt ist. Doch dass Gisdol aktuell vor allem auf körperliche Attribute setzt und weniger auf fußballerisch Filigranes, fällt auf. Das Resultat: Der FC brachte gegen Frankfurt in Hälfte eins kaum einen Angriff zustande. Ondrej Duda, einer der wenigen Techniker auf dem Platz, wirkte komplett verloren, ohne Auftrag, ohne Ideen. Stattdessen flogen nahezu ausschließlich lange Bälle in Richtung Sebastian Andersson. Wer einen solchen Stürmer vorne drin hat, kann dies natürlich tun. Doch erst in der zweiten Hälfte bekam der Schwede auch die nötige Unterstützung, um die Pässe abzulegen und sich wieder anzubieten. Es schien, als musste dies erst in der Pause angesprochen und erklärt werden.
Warum findet die Kölner Mannschaft immer erst mit dem Rücken zur Wand die Courage nach vorne zu spielen? Warum tut sie sich grundsätzlich in den ersten Halbzeiten so schwer? Und liegt es wirklich nur an den fehlenden Automatismen, dass es im Kreativspiel derart hakt? “Wir zeigen nach wie vor zwei Gesichter”, beklagte auch Sportchef Horst Heldt am Montag nach dem 1:1 gegen Frankfurt. “Wir müssen anhand der zweiten Halbzeit den nächsten Schritt machen und mehr spielerische Akzente setzen. Es läuft noch nicht rund, daran müssen wir ansetzen. Dafür haben wir bis zur nächsten Länderspielpause Zeit, weil bis dahin alle Spieler da sein werden.”
Drei Wochen Zeit für Gisdol und den FC?
Der “Feinschliff”, den sich Heldt wünscht, soll also nun erarbeitet werden, in den drei Wochen bis zu nächsten Länderspielpause. Das ist auch der Zeitraum, da muss man kein Prophet sein, in dem Markus Gisdol erste Ergebnisse liefern muss, nicht nur in Form von Spielkultur, sondern in Form von Punkten. Dann werden sieben Spieltage gespielt sein, das erste Fünftel der Saison, und es wird die Bilanz des Saisonstarts gezogen. Bislang fällt das Fazit ernüchternd aus. Doch bislang gab es noch zu viele Gründe, die die Verantwortlichen für die schwachen Leistungen anführen konnten. Das Fußballspielen beim FC ist freilich nicht unerwünscht, bislang jedoch kaum einstudiert. Schon nach dem Trainingslager in Donaueschingen hatte Gisdol darauf hingewiesen, dass man sich noch zu wenig mit dem Spiel nach vorne beschäftigt habe. Das rächt sich nun und muss dringend nachgeholt werden.
Die Gegner bis zur nächsten Länderspielpause heißen Stuttgart, Bayern und Bremen. Nach einem Punkt aus vier Spielen und einer durchaus denkbaren Niederlage gegen den FC Bayern werden es also die Spiele beim VfB und SV Werder sein, die als Gradmesser für den Kölner Fortschritt zählen werden. Auch für jene Spieler, die am Sonntag auf dem Rasen standen. Denn will Gisdol Automatismen entwickeln, wird er dem Gros dieser Spieler weiter vertrauen müssen.
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