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Zeugnis des Präsidiums: Denn wir wissen nicht, was sie tun

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Wettich, Wolf, Sauren: Der FC-Vorstand. (Foto: Bucco)

Seit 638 Tagen ist das Präsidium um Dr. Werner Wolf im Amt. Die Vereinsbosse des 1. FC Köln bekamen 78,2 Prozent der Stimmen auf der Mitgliederversammlung im September 2019. Kein überragendes, aber ein gutes Ergebnis angesichts der Spannungen, die vor knapp zwei Jahren im Verein herrschten. Doch aus dem Wahlversprechen des Vorstands, den Klub wieder zu einen, ist nichts geworden. Ein Zwischenzeugnis.  

Köln – Am 13. Mai 2019 wurden sie offiziell vorgestellt: Werner Wolf, Eckhard Sauren und Jürgen Sieger sollten für den Vorstand des 1. FC Köln kandidieren und den Klub in eine ruhigere, harmonischere Zukunft führen. Das Trio, das vom Mitgliederrat in einem mehr als einjährigen Prozess ausgesucht worden war, trat mit dem Willen an, Gräben zuzuschütten, Brücken zu bauen und den FC strukturell besser und personenunabhängiger aufzustellen. Doch in vielen Bereichen wurden die Ziele bislang weit verfehlt. Der Vorstand kämpft dabei mit einem großen Problem: Kaum jemand weiß, worin die bislang geleistete Arbeit des Präsidiums wirklich besteht.

Personal

Das, was man von außen am einfachsten wahrnehmen kann, sind die Personalentscheidungen: Seit Amtsantritt mussten zwei Sportchefs (Veh und Heldt) und zwei Cheftrainer (Beierlorzer und Gisdol) gehen – in 21 Monaten. Darüber hinaus wurde Mediendirektor Tobias Kaufmann mitten in der Sommer-Vorbereitung 2020 entlassen, obwohl die Entscheidung bereits Wochen zuvor festgestanden hatte. Letzterer Umstand erinnert verdächtig an die Heldt-Entlassung und hatte ähnliche Folgen (siehe Kommunikation). Nach Kaufmann wurde Jürgen Homeyer als Interims-Lösung installiert, der nur wenige Monate später ohne Akzeptanz und vorzeigbare Leistung wieder gehen musste, weil der ausgewählte Kaufmann-Nachfolger erst vorgestellt wurde, die Zusammenarbeit zwei Tage später aber auf öffentlichen Druck wieder aufgelöst werden musste. Seitdem sind erneut vier weitere Monate vergangen, einen neuen Mediendirektor hat der FC noch immer nicht, die nächste Kandidatenrunde mit dem nächsten Headhunter Zehnder führte zu keinem Ergebnis. Dem Vernehmen nach muss die Suche zum zweiten Mal neu gestartet werden – zehn Monate nach dem Kaufmann-Rauswurf. Parallel gab der Vorstand bekannt, sich für die Suche nach dem nächsten Geschäftsführer Sport bis zu einem Jahr Zeit nehmen zu wollen. Bis dahin wird der sportliche Bereich von der Interimslösung Jörg Jakobs geleitet.

Kommunikation

Die Personalien Kaufmann und Heldt zeigen, woran es dem Vorstand und dem FC am meisten fehlt: an kommunikativer Kompetenz. Weder waren die Vereinsbosse in der Lage, ihre Personalentscheidungen sauber zu kommunizieren und zu erklären, noch erreichten sie ihr Ziel, Trennungen ohne Schlammschlacht zu vollziehen. Vizepräsident Eckhard Sauren hatte nach der Heldt-Entlassung gesagt, man habe versucht die Prozedur “so würdevoll und menschlich wie möglich” zu gestalten. Die Süddeutsche Zeitung kommentierte anschließend: “Das Gegenteil kam dabei heraus, eine beachtliche Leistung.” Auch den Vorwurf, in der Corona-Pandemie unterzutauchen, konnte das Präsidium nie entkräften. Im Gegenteil: Selbst Retter-Trainer Friedhelm Funkel klagte hinterher, vom Vorstand nichts mitbekommen zu haben. Angelehnt an den FC-Slogan “spürbar anders” witzelte so mancher Fan irgendwann, der Vorstand sei “spürbar woanders”. Oder mit dem biblischen Ausspruch “Vater, vergib ihnen, sie wissen nicht, was sie tun!” ausgedrückt: Wir wissen nicht, was sie tun.

Finanzen

Sicher ist, dass der Vorstand seit März 2020 vornehmlich mit der Corona-Pandemie zu tun hatte. Zusammen mit Geschäftsführer Alexander Wehrle erreichten Wolf, Sauren und Wettich, dass der FC zumindest kurzfristig halbwegs stabil durch die Krise kam und die Lizenz für die nächste Bundesliga-Saison ohne Auflagen bekam: dank verlängerter Kreditlinien bei den Hausbanken, mit einer Landesbürgschaft, mit der Mezzanine-Anleihe. Bemerkenswert ist, dass im Hintergrund die Debatte um die Deutungshoheit darüber begonnen hat, wer sich in welchen Bereichen besonders hervorgetan hat – Wehrle oder der Vorstand. Klar ist, dass der Vorstand der Versuchung widerstand, in der Krise erste Anteile des Klubs zu verkaufen, sondern bei seiner Linie blieb, mit der er 2019 angetreten war: der FC soll den Mitgliedern gehören. Wie stabil die wirtschaftliche Lage des FC perspektivisch wirklich ist, ist noch nicht klar.

Strategie

Nach der Heldt-Trennung gab der Vorstand bekannt, einen Sieben-Jahres-Plan vorlegen zu wollen, mit dem die Geißböcke sich in der Bundesliga wieder etablieren wollen. Die Süddeutsche kommentierte süffisant, ein solcher Sieben-Jahres-Plan “war schon in der DDR keine gute Idee, im kurzatmigen Fußballgeschäft aber erst recht eine irreale Vision”. Dennoch ist man im Vorstand von dem Weg überzeugt. Kern der Strategie soll sein, dass der FC in all seinen Geschäftsfeldern abseits des Bundesliga-Tagesgeschäfts (Marketing, Merchandising, Internationalisierung, etc.) so viel besser arbeitet, dass der Umsatz um bis zu 30 Millionen Euro jährlich gesteigert werden kann. Dieses Geld soll dann in die sportliche Leistungsfähigkeit fließen. So will der FC-Vorstand nachhaltiger Gelder akquirieren als über einmalige Investorenzuschüsse. Ausgearbeitet wurde dieser Plan von der Unternehmensberatung McKinsey, dessen Senior Partner Dr. Klaus Behrenbeck im FC-Beirat sitzt. Dadurch sollen trotz der Finanzkrise auch Projekte wie der Geißbockheim-Ausbau oder gar der Ausbau des RheinEnergieStadions möglich gemacht werden. Ob diese Strategie mehr beinhaltet als einfache Vorgaben, Marketing-Umsätze zu steigern, ist noch nicht bekannt. Auch nicht, warum der Vorstand seit der offiziellen Vorstellung im Mai 2019 über zwei Jahre brauchte, einen solchen Plan vorzulegen. Wolf, Sieger und Sauren sowie später Wettich waren schon über viele Jahre Mitglieder im Beirat bzw. Mitgliederrat, hätten eine solche Strategie also eigentlich schon deutlich früher vorlegen müssen. Am 17. Juni muss das Präsidium zeigen, was es vor hat – und die Bosse müssen es auch kommunizieren können.

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