Salih Özcan entscheidet sich gegen sein Herz und für den nächsten Karriereschritt. Das gilt es zu respektieren, wenn ein 24-Jähriger von Özcans Klasse die Chance bekommt, bei Borussia Dortmund um Titel mitzuspielen. Der 1. FC Köln wird dadurch zu einem neuen Weg gezwungen – hoffentlich auch zum Glück. Ein Kommentar.
Vor einem Jahr wäre es unvorstellbar gewesen, dass Salih Özcan als potentieller Schlüsselspieler zu Borussia Dortmund wechseln könnte. Im Sommer 2022 ist es die logische Folge und Wahl – für Özcan und den BVB gleichermaßen. Özcan hat sich zu einem der besten Sechser der Bundesliga entwickelt. Die Schwarz-Gelben hingegen brauchen dringend einen solchen Abräumer, der ihnen zuletzt fehlte.
Und so wechselt Özcan zu einem Klub, der national um Titel und international um die K.o.-Phase der Champions League mitspielen will. Abgesehen davon, dass der 24-Jährige bis zu fünf Millionen Euro verdienen soll, ist der BVB womöglich die perfekte Adresse für Özcan. Ein emotionaler Klub mit Fans, die Özcans Spielweise lieben werden. Eine Mannschaft, die auf seiner Position praktisch überhaupt nicht besetzt ist. Und ein neuer Trainer (womöglich Edin Terzic), der einen solchen Abräumer für die vielen Offensivzauberer braucht, die sich aber viel zu häufig nicht um die Defensive scheren.
Spielerverkäufe sind nichts Schlechtes
Özcan wird in der kommenden Saison vor der Dortmunder Innenverteidigung Niklas Süle und Nico Schlotterbeck verteidigen und Spielern wie Jude Bellingham, Karim Adeyemi und Marco Reus den Rücken freihalten. Wer hätte diese Chance nicht beim Schopf ergriffen? Wer kann es Salih Özcan wirklich verdenken, dass er für diesen Klub seinen Heimatverein verlässt? Zumal er aufgrund der Nähe trotzdem in Köln wird wohnen bleiben können.
Der 1. FC Köln muss sich derweil nicht grämen, Özcan nicht gehalten zu haben. Es war unmöglich – wegen der Ausstiegsklausel, ohne die man den Spieler schon im Sommer 2021 nicht mehr hätte halten können. Vor allem aber muss der FC aus diesem Verkauf lernen. Denn nur so werden die Geißböcke in den kommenden Jahren wieder erfolgreich sein können: durch die Entwicklung von Talenten und durch den Verkauf dieser Spieler, bevor sie ablösefrei gehen.
Drei Beispiele, wie es funktionieren kann
So wurde Borussia Mönchengladbach unter Lucien Favre über Jahre hinweg zum Top-Klub, weil die Fohlen bei allen sportlichen Kopfschmerzen jedes Jahr mindestens einen Leistungsträger für eine zweistellige Millionenablöse verkaufte: Marco Reus, Marc-André ter Stegen, Max Kruse, Mo Dahoud, Granit Xhaka, Jannik Vestergaard und Thorgan Hazard.
So wurde Eintracht Frankfurt unter dem damaligen Sportchef Fredi Bobic zu dem Klub, der in dieser Woche die Europa League gewann, weil die Eintracht kluge Leihgeschäfte mit Kaufoptionen tätigte, sich Juwelen schnappte und diese für insgesamt dreistellige Millionensummen verkaufte (Haller, Jovic, Rebic, Silva). Sogar die Trainer wurden ihnen zweimal weggekauft (Kovac, Hütter) – doch der Kurs blieb derselbe und führte nun über die Europa League in die Champions League.
Su wurde Union Berlin unter Urs Fischer vom krassen Außenseiter in der Bundesliga zum Klub, der zum zweiten Mal nach Europa ging. Weil die Eisernen sich fast ausschließlich auf ablösefreie Spieler und Leihspieler konzentrierten und weil sie keine Angst davor hatten, selbst in dieser Saison drei Leistungsträger und Führungsspieler gehen zu lassen (Andrich, Friedrich, Kruse).
Wer Angst hat, ist auf dem Transfermarkt verloren
Wer Angst hat, Spieler für gutes Geld zu verkaufen, der kann den nächsten Schritt nicht gehen. Wer im Verkauf eines Leistungsträgers jedoch eine Chance sieht, kann mutig auf dem Transfermarkt nach den nächsten Juwelen Ausschau halten. Der 1. FC Köln hat in der Vergangenheit zu häufig aus Romantik an vermeintlichen Top-Spielern festgehalten und den richtigen Zeitpunkt verpasst sie zu verkaufen. Das hat jetzt ein Ende, weil es gar nicht anders geht. Özcan wird nur der Anfang sein. Auch andere Stars werden den Klub verlassen. Wichtig ist, dass man sie mit Fantasie und Mut ersetzt. Und dass man ihnen nicht nachtrauert. Dann kann der Verkauf von Salih Özcan für den 1. FC Köln gezwungenermaßen der Start in eine bessere Zukunft sein.
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