Steffen Baumgart ist geforderter denn je: Der Trainer muss den 1. FC Köln aus der ersten Krise seiner Amtszeit führen. Im ersten Teil* des großen GEISSBLOG-Interviews erklärt der 51-Jährige unter anderem, worauf es jetzt ankommt und was für ihn entscheidend ist. Zudem spricht Baumgart über eine mögliche Vertragsverlängerung und seine Zukunftspläne.
Das Interview führten Sonja Eich, Josef Diller und Marc L. Merten
GEISSBLOG: Herr Baumgart, Sie haben mal gesagt, dass Sie gespannt seien, wie das Umfeld reagiere, wenn es mal nicht laufe. Wie nehmen Sie es jetzt wahr?
STEFFEN BAUMGART: „Ich versuche, mich aus den Dingen rauszuhalten. Ich weiß, was im Umfeld los ist, das hat aber nichts damit zu tun, dass Köln etwas Besonderes ist, sondern damit, dass es Fußball ist. Man kann sich auf solche Situationen nicht einstellen. Alle sorgen sich, und das berechtigterweise. Ich habe aber nicht das Gefühl, dass hier alle ‚on fire‘ sind. Dass ich in so einer Situation als Trainer gefordert bin, liegt auf der Hand.“
Macht man sich beim FC auch intern Sorgen?
„Wir wissen, wo wir hinwollen und trauen uns das auch zu 100 Prozent zu. Wir zittern nicht alle. Und ich habe auch nicht das Gefühl, dass im internen Kreis mit Christian Keller, Thomas Kessler und meinem Trainerteam jemand unruhig wird. Jeder weiß, was zu tun ist.“
Bleiben in der Krise auch die Abläufe gleich?
„Ja. Wir gehen natürlich in die Auswertung und reden über Dinge, die nicht gut laufen. Das ist aber nicht anders als zuvor. Wir ziehen hier nicht die Daumenschrauben an. Wir gehen sachlich mit der Situation um und versuchen, den Weg zu gehen, von dem wir überzeugt sind, dass er erfolgreich sein wird.“
Sie haben Ihre Art von Fußball immer so beschrieben wie Jürgen Klopp. Die Lust am Gewinnen muss größer sein als die Angst am Verlieren. Ist es aktuell schwieriger, den Spielern das zu vermitteln?
„Ganz klar, ja. Die Spieler wollen – das ist zu sehen. Jetzt merkt man aber schon, dass die Jungs sich Gedanken machen. Viele Sachen gehen nicht mehr so einfach von der Hand. Wir alle müssen uns da rausarbeiten – und einige Spieler wie Dejan Ljubicic zum Beispiel sind auch persönlich nicht zufrieden – das ist nach seiner Verletzung ganz normal. Davie Selke arbeitet aus meiner Sicht sehr gut, steht aber immer wieder im Fokus. Florian Kainz macht es offensiv weiter gut, überlegt aber defensiv manchmal zu viel. Das ist menschlich. Aber, und davon bin ich überzeugt: Es wird wieder funktionieren.”
Was müssen Sie als Trainer jetzt tun?
„Am Ende muss jeder in einer solchen Situation bei sich bleiben. Das hat mir auch als Spieler immer geholfen. Ich habe mich nicht beeindrucken lassen, bin vorausgegangen. Du musst dir Gedanken machen, was jetzt die wichtigen Elemente, die einfachen Sachen sind.“
Das können manche Spieler besser als andere. Müssen Sie jetzt ihre Startelf genau danach ausrichten, wer mit dieser Situation besser umgehen kann?
„Wir schauen immer sehr genau hin, wen wir auf dem Platz haben wollen. Das hat nichts mit dem System zu tun, sondern damit, wem wir am meisten zutrauen, dass wir gegen Gladbach erfolgreich sein können. Welche Jungs sind in der Lage, das Einfache abzurufen, um wieder in ruhige Fahrwasser zu kommen? Darauf schauen wir sehr.“
Können Sie ein Beispiel nennen?
„Bei Eric Martel weiß ich, dass er das, was er macht, mit 100 Prozent macht – egal, ob er 21 oder 28 Jahre alt ist. Das ist ein Spieler, der in so einer Situation mehr gefragt ist als jemand, der seine Vorteile im Spielerischen hat.“
Baumgart: “Hoffen allein hat noch nie geholfen”
Im Dezember 2019 hat Markus Gisdol den 17-jährigen Jan Thielmann gegen Leverkusen aus dem Nichts ins kalte Wasser geschmissen. Es hat funktioniert, er hat zur Wende beigetragen. Können Sie sich auch vorstellen einen Youngster einfach mal reinzuwerfen?
„Wenn die Trainingsleistung stimmt, ja. Tim Lemperle hat im Training in den letzten zwei Monaten einen Riesensatz gemacht. Trotzdem ist der Übertrag in die Bundesliga noch nicht so, wie ich mir das vorstelle. Der Druck, in Köln vor 50.000 Zuschauern zu spielen, ist für die ganz Jungen nicht einfach. Jemanden einfach so reinzuwerfen, ist ein bisschen blauäugig und hat mehr mit Hoffen zu tun. Aber ich habe es nicht so mit Hoffen. Hoffen allein hat noch nie geholfen.“
Da Sie Tim Lemperle ansprechen: Der FC hat den Vertrag mit ihm verlängert. Im Herbst war man sich noch nicht sicher, in welche Richtung es gehen könnte.
„Es ging uns immer darum, ihn zu behalten. Es war aber wichtig, ihm klar zu sagen: Du kannst weiter einfach nur glauben, dass du es schaffst – oder du machst. Du kannst weiter Fußballtennis spielen und denken, du arbeitest hart. Oder du arbeitest an deinem ersten Kontakt und konzentrierst dich in den Spielen darauf. Wenn du das hinkriegst, ist dein Spiel schon um zehn bis 20 Prozent besser. Wenn du in der Bundesliga zehn Minuten spielst und von drei Bällen zwei ins Aus gehen, setzt dich kein Trainer der Welt ein. Schaffst du aus diesen drei Aktionen zwei sehr gute, werden aus zehn Spielminuten das nächste Mal 20 und aus drei Aktionen fünf. Wenn du nicht an dir arbeitest und denkst, alles kommt, weil du das Talent hast, wird das nichts. Deshalb finde ich es überragend, wie er arbeitet. Er geht mittlerweile sehr gut mit Fehlern um. Daran sieht man den Unterschied zwischen talentierten Spielern und Spielern, die es in die Bundesliga schaffen.“
Ist er erwachsen geworden?
„Er ist noch nicht erwachsen, aber sein Spiel wird erwachsener.“
Bei ihm, wie bei anderen Spielern wie Noah Katterbach, ging es zwischenzeitlich auch um den Einfluss von außen, auch von Beraterseite.
„Das sollten wir weglassen. Wenn es ein Spieler gut macht, ist er gut. Wenn nicht, ist der Berater schuld. So schwarz-weiß ist es auch nicht. Wir versuchen im Umgang mit Beratern trotzdem einen anderen Weg zu gehen und uns nicht von außen Entscheidungen aufdrücken zu lassen. In diesem Verhältnis besteht grundsätzlich ein Interessenkonflikt. Der Berater will Geschäft machen, ich bin aber kein Geschäftsmann, sondern Trainer. Ich will Tim besser machen, weil ich Erfolg haben will. Nicht, weil ich Geld mit ihm machen will.“
Kommen wir zu Ihrem Vertrag: Christian Keller hat gesagt, dass schon mehr besprochen sei als nach außen kommuniziert. Wann verlängern Sie?
„Ich habe noch einen Vertrag bis 2024. Es wäre schön, wenn ich diese Zeit auch bekomme. Es ist alles besprochen. Wenn es dazu kommen sollte, dass der FC mit mir weitermachen will, wird es keine großen Gespräche geben. Das haben wir schon besprochen und es wird keine Verhandlungen mehr geben. Trotzdem sollten wir die aktuelle Situation nicht aus den Augen verlieren.“
Das heißt, wenn der FC die jetzige Krise hinter sich lässt, werden Sie bis 2025 verlängern?
„Richtig. Das heißt aber nicht, dass wir zum Freiburger-Modell übergehen und jedes Jahr um ein weiteres Jahr verlängern. Wenn der FC will, werde ich bis 2025 verlängern. Danach möchte ich mir offen halten, etwas anderes zu machen. Das hat nichts damit zu tun, dass ich hier nicht gerne bin. Ich will mich nur nicht hinstellen und sagen: Ich bleibe ewig.“
Sie waren vier Jahre in Paderborn. 2025 wären Sie vier Jahre in Köln. Sind vier Jahre die Zeitspanne, die Sie bei einem Verein sein wollen?
„Davon sind wir ja noch weit weg. Vor vier Wochen hat jeder gehofft, dass der Trainer verlängert. Jetzt bin ich mir ziemlich sicher, dass einige sagen: Wartet doch noch ein bisschen ab! Aber grundsätzlich überlegst du nach vier Jahren natürlich, was du machen möchtest.“
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Hier geht’s zum zweiten Teil des großen GEISSBLOG-Interviews mit Steffen Baumgart.
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