Davie Selke musste beim 1. FC Köln erst die Zweifler überzeugen. Nach seinen Toren hat der FC nun verlängert. Der 28-Jährige ist schnell zum Sympathieträger aufgestiegen. So soll es weitergehen.
Das Interview führten Sonja Gauer und Marc L. Merten
GEISSBLOG: Herr Selke, zuallererst: Herzlichen Glückwunsch zur Vertragsverlängerung bis 2026. War bei Ihrem Wechsel im Winter bereits abgesprochen, sich nach der Saison erneut zusammen zu setzen?
DAVIE SELKE: “Nein, das nicht. Im Winter hatte der FC hatte seine Vorstellungen und ich meine. Damals haben wir uns in der Mitte getroffen und gesagt, dass wir schauen, wie es läuft. Es war eine wichtige Entscheidung für mich, weil ich einen Verein wollte, bei dem ich vor allem sportlich reinpasse. Gegen Ende der Rückrunde war dann klar, dass wir uns zusammensetzen werden und gucken, ob sich der Standpunkt verändert hat oder nicht. Dann ging die Verlängerung eigentlich relativ zügig.”
Die Verlängerung ist das Zeichen, dass die Erwartungen von beiden Seiten voll aufgegangen sind.
Das stimmt, absolut. Der Start war natürlich schwierig, das habe ich so auch noch nicht erlebt. Da hatte ich sprichwörtlich die Scheiße am Fuß. Aber ich bin gut da durchgekommen, auch, weil mein Glaube mir geholfen hat. Mein Onkel ist Pastor und wir haben viel Zeit zusammen verbracht. Als ich dann verletzungsfrei geblieben bin, ist es so gelaufen, wie ich es mir vorgestellt habe.
Das System mit den vielen Flanken ist dabei ja auch perfekt auf einen Stürmertypen wie Sie zugeschnitten.
Genau deswegen bin ich zum FC gekommen, wegen den Bällen in die Box, die eine extrem hohe Qualität haben. Wenn man sich anschaut, wie ich die Tore gemacht habe, war das genauso, wie wir es besprochen hatten.
Könnte die Spielweise durch die Rückkehr von Mark Uth und Neuzugang Luca Waldschmidt jetzt noch variabler und vielleicht unberechenbarer werden?
Ja, das glaube ich schon. Kainzi (Florian Kainz, d. Red.) hat es auch echt gut gemacht auf der Zehn. Aber außen ist er auch ein extrem wichtiger Spieler für uns. Wie er die Bälle von den Flügeln in die Box schlägt, ist schon sensationell. Mit Mark und Luca werden wir im Zentrum mehr Variabilität bekommen und die Steckbälle werden noch gezielter kommen. Das hat man in den ersten Trainingseinheiten schon gesehen.
Als gebürtiger Schwabe und Wahl-Berliner: Wie erleben Sie die Stadt Köln?
Wir Schwaben sind schon ein bisschen eigen, das bin ich auch (lacht). In Berlin haben meine Frau und ich uns sehr wohl gefühlt, weil man dort so viele Optionen und trotzdem seine Ruhe hat. Köln ist schon ein bisschen ähnlich zu Berlin, nur etwas kleiner. Und der FC hat in der Stadt natürlich einen ganz anderen Stellenwert als die Hertha in Berlin. Daran muss man sich auch erstmal wieder gewöhnen. Aber wir sind sehr glücklich, dass wir jetzt in Köln sind.
Hat der letzte Spieltag mit der Verabschiedung von Timo Horn und Jonas Hector für Sie gezeigt, was den FC und Köln ausmachen?
Auf jeden Fall. Ich fand es geil, dass so viele Leute geblieben sind, obwohl die Bayern noch ihre Meisterfeier vorher hatten. Aber alle haben gewartet, bis es anfängt. Ich glaube, das ist einzigartig. Das ist auch keine Floskel, die ich raushaue. Wie man den Jungs ihren Abschied gegeben hat, den sie mehr als verdient hatten, ist etwas Besonderes. Beide haben viel für den Verein riskiert, als sie mit in die Zweite Liga gegangen sind und eine lange Zeit geprägt. Deswegen ist es schön, dass ich das miterleben konnte.
Wie waren jetzt die ersten Trainingseinheiten ohne die beiden in der Kabine?
Anders. Beide waren sehr präsent in der Kabine. Ich bin eher etwas lauter, aber sie haben es auf ihre Art und Weise gemacht. Wir müssen uns jetzt neu orientieren und als Mannschaft daran gewöhnen. Daran arbeiten wir gerade.
Welche Rolle wollen Sie in der Kabine übernehmen?
Ich glaube, dass ich eine Menge Erfahrung habe und diese auch gerne weitergebe. Vor allem auch an die jungen Stürmer, die jetzt hochkommen. Sie sind sehr offen und fragen immer mal wieder nach. Ich bin schon ein Typ, der Verantwortung übernimmt und das auch auf dem Platz zeigen will. Ich werde immer der Typ sein, der redet und sich stellt, egal ob es gut oder schlecht läuft – auch unabhängig der Rolle, die vielleicht irgendwann definiert wird.
Das haben Sie schon unmittelbar nach Ihrem Wechsel gemacht.
So bin ich einfach. Ich komme nicht nur, wenn ich einen Doppelpack gemacht habe. Solange es fair bleibt, bin ich da, auch wenn es unangenehm ist. Wenn ich den Ball aus zwei Metern über das Tor schieße und geschrieben wird: ‚Der blinde Selke‘, dann stimmt das in dem Moment halt auch. Nur wenn es in die persönliche Richtung geht, bin ich sehr sensibel.
In der Öffentlichkeit haben Sie sich ein gewisses ‚Bad Boy‘ Image aufgebaut. Wie kam es dazu?
Das ist schwierig zu beantworten, weil ich einfach so bin wie ich bin. Ich fühle auf dem Platz – und ich lebe auf dem Platz. Ich sitze nicht vor dem Spiel in der Kabine und denke: Heute zettle ich eine Schubserei an, damit die Leuten denken, ich sei ein richtiger Bad Boy. In den Situationen geht es immer ums Gewinnen. Ich glaube, das verwechseln die Leute manchmal. Ich tue alles für meine Mannschaft und haue alles für den FC rein. Jede einzelne Situation kann darüber entscheiden, ob wir die drei Punkte holen oder verlieren. Aber ich kann das verstehen: Ich weiß ja, wie das manchmal rüberkommt. Aber wenn die anderen meckern und wir die drei Punkte holen, passt das für mich absolut.
Hat sich das Verhältnis der FC-Fans zu Ihnen seit Ihrem Wechsel irgendwie verändert?
Auf jeden Fall. Ich glaube, dass sie mich jetzt einfach besser kennen. Auch von meiner anderen Seite. Es ist immer einfacher einen Spieler wie mich im eigenen Team zu haben als in der gegnerischen Mannschaft. Diese Veränderung habe ich schon wahrgenommen, und das ist alles andere als selbstverständlich. Nach meinem Tor in Hoffenheim habe ich sogar Sprechchöre bekommen. Das war der Wahnsinn. Ich kann das alles einordnen, aber das hat natürlich gut getan. Auch, weil ich ja auch schon eine Zeit in der Vergangenheit hatte, in der das nicht so der Fall war.
Die FC-Fans haben ja sogar den Davie-Selke-Samstag ausgerufen.
Man hat mir nach dem Derbysieg sogar so einen Sticker zum Training mitgebracht. Das finde ich schon sehr witzig, darüber konnte ich auf jeden Fall lachen.
Dabei lief es vorher alles andere als gut für Sie in Berlin.
Ich bin sehr reflektiert, versuche immer bei mir anzusetzen. Ich habe meine Stärken in der Box, bin kein Typ, der sich an der Mittellinie den Ball abholt, zwei aussteigen lässt und dann nach einem Doppelpass abschließt. Ich brauche die Jungs, die mich im Strafraum in Szene setzen. Dann habe ich eine hohe Qualität, die Dinger wegzumachen. Bei meinen früheren Vereinen war der Spielstil nicht immer darauf ausgerichtet. Deshalb habe ich auch bewusst die Entscheidung für den FC getroffen.
Weil Sie wussten, dass es hier Flanken hagelt.
Ja, das habe ich immer wieder gesehen. Es gab mal ein Spiel, da hat Mark Uth Anthony Modeste eine Flanke am Fünfer serviert und der musste nur noch einnicken. Da habe ich gedacht: So eine Flanke für einen selber wäre auch nicht schlecht. (lacht)
Sie haben bei der Hertha insgesamt eine turbulente Zeit erlebt, in der – von außen betrachtet – alles schief gelaufen ist.
Alles würde ich nicht sagen, aber sehr viel. Trotzdem will ich gar nicht über die Hertha reden, kann vielmehr sagen, warum es beim FC läuft. Der Grund ist die gesunde Kabine, wo eine Hierarchie existiert. Diese Hierarchie ist über Jahre gewachsen, wurde nur punktuell verändert. So ein Gerüst sollte man immer haben, kann aber nicht existieren, wenn jede Transferperiode zehn Spieler kommen und zehn gehen. Am FC kann man sehen, was ein Kollektiv ausmacht und dass ein Kollektiv individuelle Klasse schlägt.
Was sind Ihre Ziele für die neue Saison?
Das erste Ziel ist gesund zu bleiben. Das steht für mich über allem. Dafür tue ich alles. Ich achte auf meinen Körper, regeneriere gut. Dann bin ich mir sicher, dass ich daran anknüpfen kann, wo ich aufgehört habe. Ich will möglichst viele Tore schießen. Ich glaube, dass in der nächsten Saison viel für mich möglich ist. Deswegen habe ich auch verlängert. Ich kann hier meine Ziele erreichen. Ich sage nicht, dass ich 17 Tore machen will. Das bringt nichts. Ich will maximal viele Tore schießen. Und wenn ich gesund bleibe, dann werde ich das auch.
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