Steffen Baumgart rückt gegen den FC Bayern München von einer jahrelangen Devise ab. Der Trainer des 1. FC Köln überrascht taktisch – nur den Gegner nicht. Das liegt auch an einem Spieler.
Als der 1. FC Köln am Freitagabend seine Aufstellung kommunizierte, gab es eine Überraschung: Der FC stellte dem FC Bayern München defensiv eine Dreierkette entgegen. Luca Kilian rechts, Jeff Chabot im Zentrum, Timo Hübers links. Nun mag sich so mancher Fan denken: Eine Dreierkette ist doch nichts besonderes. Für Steffen Baumgart aber sehr wohl.
“Es ist für mich insgesamt das erste Mal gewesen, dass ich mit einer Dreierkette habe agieren lassen. Das habe ich auch in Paderborn nie gemacht”, sagte der 51-Jährige hinterher. Das erste Mal als Profi-Trainer ließ Baumgart ein Pflichtspiel mit einer Dreierkette beginnen – und dann gegen den FC Bayern München. Es war Chance und Risiko zugleich – und beides konnte man am Freitagabend sehen.
Erst der geparkte Bus funktioniert
In den ersten 30 Minuten ging das taktische Experiment komplett schief. Danach bekam der FC die Bayern in den Griff, zumindest hatten die Münchnern kaum noch größere Tormöglichkeiten. Der Unterschied war die Umsetzung der Dreierkette: In der ersten halben Stunde ließ Baumgart seine Spieler vorne attackieren, sodass hinten riesige Lücken klafften. Danach parkte der FC den Bus vor dem eigenen Tor. Eine Taktik, die man unter Baumgart so noch nie freiwillig gesehen hat.
“Die eigentliche Überlegung war, dass wir mehr Leute beim Anlaufen haben”, erklärte Baumgart. “Wir wollten die Räume dahinter nicht zu groß werden lassen, wollten es trotz des hohen Anlaufens kompakt machen, aber das ist uns nicht gelungen. Das ist uns erst gelungen, als wir uns tief gestellt haben und die Bayern in der eigenen Hälfte verteidigt haben.”
Harry Kane als Auslöser
Der Grund, warum es in der ersten Halbzeit kaum gelang, hatte einen Namen. Und der Name war der Grund gewesen, warum der FC sich überhaupt für eine Dreierkette entschieden hatte: Harry Kane. Der Super-Stürmer erzielte das Tor des Tages, hatte darüber hinaus aber fast keine weiteren Torchancen. Was nicht bedeutete, dass er keinen Einfluss auf das Spiel gehabt hatte. Im Gegenteil.
Thomas Kessler erklärte es später so: “Wir wollten im Zentrum mit Jeff Chabot Harry Kane etwas aus dem Spiel nehmen. Was nicht gut funktioniert hat, war die Übergabe zwischen unserer Dreierkette und dem Mittelfeld. Kane ist sehr variabel, lässt sich gerne fallen. Wir haben es da verpasst, loszulassen, das Zentrum wieder zu schließen und dass der Sechser ihn übernimmt. Wir haben ihn zu lange verfolgt. So waren die Bayern mit einem guten Ball hinter die Kette dann immer wieder gefährlich.”
Anders ausgedrückt: Kane sollte mit Chabot eigentlich einen direkten Bewacher bekommen, wahlweise auch Hübers oder Kilian, je nach dem, wohin sich Kane fallen ließ. Doch immer, wenn Kane sich ins Mittelfeld zurückfallen ließ, übergaben die FC-Verteidiger aus der Dreierkette die Bewachung nicht an die Kölner Doppelsechs (Kainz und Martel), sondern liefen dem Stürmer hinterher. So entblößten sie hinter sich riesige Räume, die die schnellen Coman und Sané ebenso wie Choupo-Moting nutzen konnten.
Die Folge waren zahlreiche Überzahlsituationen der Bayern durch einfache, lange Bälle, die Kane teils sogar selbst aus dem Mittelfeld heraus spielte. Diese Bälle hatten erst keinen Erfolg mehr, als der FC reagierte und von einem 3-4-1-2 auf ein 5-4-1 umstellte. Baumgart erkannte hinterher an: “Die ersten 30 Minuten nehme ich komplett auf meine Kappe, da habe ich die Jungs einfach zu hoch gejagt”, sagte der FC-Trainer. “Wir wollten die Müdigkeit der Bayern ausnutzen, das ist aber total daneben gegangen. Wir haben keinen Stich gesehen.”
Dreierkette weiter eine Option?
Ist die Dreierkette nun wieder Geschichte? Gegen Darmstadt 98 und Mainz 05 dürfte Baumgart wieder zur alten Formation zurückkehren und mit einer Viererkette agieren. Oder doch nicht? “In unserer Situation machen wir uns sehr viele Gedanken”, sagte Kessler. “Das Trainerteam arbeitet sehr akribisch. Wir haben es probiert, werden es analysieren. Das heißt aber nicht, dass wir eine generelle Umstellung planen.” Es dürfte also wohl ein Kane- und Bayern-begründetes Novum gewesen sein.
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