Erst die Trennung von Steffen Baumgart, dann der CAS-Schock – einen Tag wie den 21. Dezember 2023 hatte selbst der 1. FC Köln noch nicht erlebt. Der GEISSBLOG hat die Geschehnisse ab der Niederlage bei Union Berlin zusammengefasst.
Als Präsident Werner Wolf, Sportchef Christian Keller und Finanzboss Philipp Türoff am Freitagmittag zur Pressekonferenz im Geißbockheim Platz nahmen, lagen hinter dem 1. FC Köln eineinhalb Tage, die zu den schwersten einer ohnehin bewegten Club-Historie zählen. Der finale sportliche Absturz, das nächtliche Trennungsgespräch mit Steffen Baumgart, der CAS-Schock – so liefen die rabenschwarzen Stunden hinter den Kulissen.
Mittwoch, 20.26 Uhr: Bei Deniz Aytekins Abpfiff an der Alten Försterei ahnt zwar noch kaum jemand, welch Drama über den 1. FC Köln hereinbrechen würde, aber die Situation ist eigentlich schon schlimm genug. Durch die 0:2-Niederlage gegen Union Berlin stürzt der FC auf Rang 17 ab, verbringt die Winterpause also auf einem direkten Abstiegsplatz. Zehn Punkte aus 16 Spielen bedeuten die zweitschlechteste Bilanz der Vereinsgeschichte. Während die mitgereisten Fans die Mannschaft erstmals seit Jahren kollektiv auspfeifen, ist Steffen Baumgart in den Katakomben verschwunden – unüblicherweise direkt nach Schlusspfiff. Er will wohl mit der sich anbahnenden Gewissheit, dass sein 98. Pflichtspiel als FC-Trainer das letzte bleiben wird, alleine sein.
“Nicht überraschend für die Mannschaft”
Mittwoch, 20.35 Uhr: Nachdem er in einem Sky-Interview ein Zukunftsgespräch mit Baumgart angekündigt hat, führt Christian Kellers Weg in die Gästekabine. Dort sitzen die völlig enttäuschten FC-Profis und spüren das bevorstehende Aus ihres Trainers bereits. “Die Entscheidung kam nicht überraschend für die Mannschaft”, sagt Keller rund 40 Stunden später, bei der Krisen-PK am Freitagmittag, rückblickend: “Die Spieler haben ein sehr feines Gefühl für die emotionale Situation und wie sich die Dinge entwickeln. Wer am Mittwochabend noch in der Kabine war, wusste im Prinzip schon, was passieren würde. Wir konnten nur noch nicht darüber sprechen.”
Mittwoch, 21.01 Uhr: Als Baumgart dann sprechen muss, auf der Pressekonferenz an der Alten Försterei, ahnt auch die Öffentlichkeit, dass er vor dem Abschied steht. „In der Situation, in der wir sind, hinterfragen wir alles – auch den Trainer”, sagt der 51-Jährige und lässt seinen Zweifeln, dass er noch der Richtige ist, um den FC zum Klassenerhalt zu führen, freien Lauf.
Die Spieler verabschieden sich derweil in den Weihnachtsurlaub. Nach der letzten Partie des Jahres ist die Mannschaft freigestellt, muss nicht mit zurück nach Köln reisen. “Sie haben sich dann in alle Länder verteilt, die meisten sind zu ihren Familien gefahren oder direkt in den Urlaub”, erzählt Keller im Nachgang.
Mittwochnacht: In den Stunden nach dem Spiel kommt es zum entscheidenden Krisengipfel zwischen Trainer Baumgart, Sportchef Keller und Lizenzbereich-Leiter Thomas Kessler. “Wir haben nach dem Spiel sehr lange alles besprochen, was wir schon in den Tagen zuvor getan hatten. Am Ende hat Steffen uns gesagt, dass es ihm in der aktuellen Situation sehr schwer fallen würde, weiter so vorneweg zu gehen”, gewährt Keller Einblicke: “Für uns war dann klar, dass es der richtige Zeitpunkt ist, ganz respektvoll zu sagen: Dann gehen wir diese Herausforderung nicht mehr gemeinsam an. Dann geht Steffen seines Weges und wir werden ab Januar die Herausforderung in einer anderen Konstellation angehen. Wir haben uns gemeinschaftlich für eine Beendigung entschieden.”
Donnerstagmorgen: Kurz nachdem Keller um 7 Uhr vom Flughafen BER aus die Rückreise nach Köln antrat, geht es für Baumgart ein paar Gates nebenan in den Skiurlaub nach Saalbach-Hinterglemm. Weihnachten und Silvester hat er bereits in den vergangenen Jahren stets mit seiner Familie in Österreich verbracht – dieses Jahr kann er die Ablenkung auf der Ski-Piste wohl gut gebrauchen. Seine Tochter Fiona ist extra aus Australien angereist.
Einzeiler leitet CAS-Schock ein
Donnerstagvormittag: Zurück am Geißbockheim, gilt es für Christian Keller, die beschlossene Trainer-Trennung zu fixieren. Also: Baumgarts noch bis 30. Juni 2025 laufenden Vertrag aufzulösen. Trotz eigener Zweifel ist der gebürtige Rostocker nicht zurückgetreten, auf dem club-eigenen YouTube-Kanal wird der Modus später “Freistellung” genannt. Baumgart kassiert also eine Abfindung, auch wenn Keller dies nicht kommentieren will.
Donnerstag, 14 Uhr: Der FC erhält eine Vorwarnung aus Lausanne, dass das Berufungsurteil des CAS in der Causa Jaka Cuber Potocnik noch im Laufe des Tages zugestellt wird. “Ein Einzeiler per E-Mail”, beschreibt Keller.
Donnerstagnachmittag: Die seit Mittwochabend ahnenden Spieler erhalten die Gewissheit, dass Baumgart nicht mehr ihr Trainer sein wird, wenn am 2. Januar 2024 die Vorbereitung auf die zweite Saisonhälfte beginnt. Am Nachmittag, als die Trennung auch formell fix ist, findet ein Videocall der sportlichen Leitung mit Mannschaft und Trainerstab statt. “Da haben wir über alles gesprochen und ausführlich dargelegt, was die Beweggründe waren”, berichtet Keller. 15.30 Uhr folgt die öffentliche Verkündung, mit der Überschrift “FC und Steffen Baumgart beenden Zusammenarbeit”.
Donnerstag, 15.45 Uhr: Die Gewissheit, der Schock flattert ins Mail-Postfach der FC-Verantwortlichen. Der CAS bestätigt in seinem Berufungsurteil die ursprünglich von der FIFA verhängte Transfersperre über zwei Wechselperioden. „Ich habe gedacht: Was für eine Scheiße, das auch noch an diesem Tag”, beschreibt Keller am Freitag seine erste Reaktion. Doch selbst im schwersten Moment seiner noch nicht allzu langen FC-Amtszeit kommt er nicht an seinem Mantra – “Es gibt keine Alternative zum Optimismus” – vorbei. Denn: “Der nächste Gedanke war, und das können diejenigen bestätigen, die mit mir im Büro waren: Okay, dann gehen wir es halt so an. Wir haben uns darauf vorbereitet, entsprechend war um 15.46 Uhr die Stimmung auf Angriff und nicht auf Scheiße.”
Donnerstag, 16.45 Uhr: Der FC veröffentlicht das Urteil samt Stellungnahme von Keller auf der Club-Homepage. Die Botschaft auch hier: Optimismus. “In jeder Herausforderung liegt immer auch eine Chance.”
Donnerstagabend: Präsident Wolf, dessen WhatsApp-Postfach inzwischen von enttäuschten Fan-Nachrichten geflutet ist, tauscht sich telefonisch mit dem freigestellten und in Österreich weilenden Baumgart aus. “In Teilen war es relativ emotional” , lautet tags darauf Wolfs Beschreibung des Gesprächs.
“Einmaliges” Urteil, aber keine Konsequenzen
Freitag, 12.01 Uhr: Keller, Türoff und Wolf beginnen mit ihrer Pressekonferenz zur aktuellen Lage. Es folgen viele Dankesworte für Baumgart – aber keine der Selbstkritik und schon gar keine Konsequenzen. Trotz des sportlichen Absturzes und des, wie Wolf selbst sagt, “in der Bundesliga einmaligen” CAS-Urteils. Natürlich hätte man sich etwas anderes erhofft, aber: “Es ist, wie es ist.” Und es bleibt so.
Weil die Stimmung beim überwältigenden Teil der Fans – anders als bei Keller seit Donnerstag, 15.46 Uhr – noch immer auf “Scheiße” sein dürfte, holt der Sportchef nach der knapp einstündigen Medienrunde zu einer emotionalen Abschlussrede aus und appelliert an dem Zusammenhalt im Club. Der Blick gehe nach vorne. Wolf schließt nach seinen Weihnachtswünschen mit der Hoffnung, dass das neue Jahr “für den 1. FC Köln gut weitergeht” ab.
Freitag, 12.59 Uhr: Mit dem Ende der Pressekonferenz beginnt die Trainer-Suche. Nun, wo auch die Öffentlichkeit informiert ist, wolle man anfangen, Kandidaten zu kontaktieren, so Kellers vorherige Ankündigung. Vor den FC-Verantwortlichen liegt ein Weihnachtsfest, das mit Besinnlichkeit wenig zu tun wird.
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