Timo Schultz will den 1. FC Köln in der Bundesliga halten. Doch wie soll das gelingen und wie geht es nach der Saison weiter? Der GEISSBLOG hat den Trainer im Trainingslager in Algorfa zum Interview getroffen.
Das Interview führten Sonja Gauer und Marc L. Merten
GEISSBLOG: Herr Schultz, wie fällt ihr Fazit nach zwölf Wochen beim 1. FC Köln aus?
TIMO SCHULTZ: „Ich habe im sportlichen Bereich selten einen so gut strukturierten Verein erlebt. Es ist für jeden klar, was er zu tun und zu lassen hat. Das habe ich zuletzt in Basel ganz anders erlebt, auch wenn man das von außen gar nicht erwarten würde.“
Warum hat es für Sie in Basel nicht funktioniert?
„Basel ist ein geiler Verein, mit geilen Fans und einem geilen Stadion. Aber im Sommer wurden 17 Spieler für 60 Millionen Euro verkauft. Da war überhaupt keine Mannschaft mehr. Ende August hat man dann gemerkt, dass man noch ein paar neue Spieler dazu holen sollte, und sich dann gewundert, warum es nicht funktioniert. Ich würde sagen, dass ich am richtigen Ort zur falschen Zeit war.“
Sind Sie jetzt beim FC zur richtigen Zeit am richtigen Ort?
„Das hoffe ich doch (lacht). Spaß beiseite: Es ist absolut der richtige Ort, der richtige Verein und auch die richtige Zeit. Natürlich ist es eine schwierige sportliche Phase, das weiß ich und das sieht ja auch jeder. Dass es eine Herausforderung wird, war mir klar. Aber wenn ich sehe, wie der Verein strukturiert ist, wie man auch perspektivisch trotz der Transfersperre aufgestellt ist, bin ich mir sicher, dass der Verein gestärkt daraus hervorgehen kann.“
Sportlich haben Sie mit dem FC dennoch nur acht Punkte geholt und stehen inzwischen auf einem direkten Abstiegsplatz.
„Natürlich hätten wir uns gewünscht, mehr Punkte zu holen. Wenn man die Spiele sieht, glaube ich, wäre auch mehr drin gewesen, aber wir brauchen uns nicht in die Tasche zu lügen. Über die Distanz kriegst du immer das, was du verdienst. Und das sind halt bis jetzt leider nur acht Punkte. Trotzdem haben wir die Gewissheit, dass wir – abgesehen von Leipzig – in jedem Spiel auf Augenhöhe waren. Daraus können wir Zuversicht für den Rest der Saison ziehen.“
Hat der Kader Ihre Erwartungen erfüllt?
„Ja. Wir haben eine Mannschaft, die im Training Vollgas gibt, die im Spiel permanent bis zu 125 Kilometer läuft, sprintet ohne Ende, ihr Herz auf dem Platz lässt und Bock hat, Widerstände anzunehmen. Das ist ein Riesenpfund. Das Fundament ist komplett da.“
Leidenschaft und Wille reichen aber nicht zum Klassenerhalt.
„Die Themen, die wir haben, liegen ja auf der Hand. Wir schießen zu wenig Tore. Allerdings hatten wir auch drei Ausfälle in der Offensive, die schwer zu verkraften sind. Trotzdem gibt der Kader das her, was ich mir erhofft hatte. Und wenn wir die Jungs nach der Länderspielpause beinahe komplett zusammen haben, haben wir einen richtig guten Konkurrenzkampf.“
So lief der Kontakt zu Steffen Baumgart
Hatten Sie eigentlich nach dem Trainerwechsel Kontakt zu Steffen Baumgart?
„Ja, tatsächlich. In der Zeit, in der ich übernommen habe, sind wir uns ein, zwei Mal begegnet, haben uns auch per WhatsApp hin und her geschrieben. Es war ein wertschätzender, freundschaftlicher Austausch und er hat mir viel Glück gewünscht. Wir kennen und mögen uns. Vielleicht sehen wir uns in der Relegation ja wieder.“
In dem Fall würde er Ihnen aber vermutlich kein Glück wünschen…
„Wohl nicht. (lacht) Aber ich hätte da richtig Bock drauf. Das kann sich sicher jeder denken, mit meiner Historie als ehemaliger St. Pauli-Trainer beim HSV im Stadion zu stehen.“
Wäre das nicht ein Vorteil für den HSV, da Steffen Baumgart die Mannschaft bestens kennt?
„Natürlich kann das ein Vorteil sein, wenn du die ganze Mannschaft kennst. Es kann aber auch ein Nachteil sein. Ohnehin gibt es heutzutage im Fußball mit all den Scouting-Feeds, Daten und Statistiken nichts mehr, was geheim ist.“
Wie gehen Sie persönlich damit um, dass unklar ist, wie es im Sommer weitergeht? Der Ausgang der Saison kann ja auch für Sie entscheidend sein.
„Diese Frage darf mich nicht beschäftigen. Mich interessiert nur, mit der Mannschaft gut zu trainieren, die nötigen Punkte zu holen, die richtigen Maßnahmen zu ergreifen und Zuversicht auszustrahlen. Wenn ich mich jetzt schon damit beschäftigen würde, was Ende Mai oder Anfang Juni ist, würde mich das nur Energie kosten. Ich bin mir sicher: Wenn wir unsere Schritte machen, haben wir hier ein Fundament mit einer leistungswilligen Truppe und mit ganz viel Talent, sodass wir hier nächstes Jahr eine ganz andere Rolle spielen können. Aber in der Situation sind wir gerade nicht. Daher konzentriere ich mich nur auf die Mannschaft und auf die tägliche Arbeit.“
Dennoch ist dieser Zeitpunkt der Saison ja eigentlich auch eine Phase, in der die nächste Saison geplant werden muss.
„Die Planung über den Sommer hinaus läuft natürlich. Es wäre ja auch blauäugig, wenn die Geschäftsführung das nicht machen würde. Aber mich interessiert gerade null komma null, wo das Trainingslager im Sommer stattfindet und wer die Testspielgegner sein könnten. Die Kaderplanung dagegen gestaltet sich einfacher. Wir haben die Leihspieler, die wir zurückholen können und mit denen wir in Kontakt sind. Alle anderen Spieler wissen: Wenn sie hier einen Vertrag haben, werden sie nächste Saison hier spielen.“
Ist das wirklich so einfach trotz der Unsicherheit der Liga-Zugehörigkeit?
„Mehr Klarheit als hier gibt es doch gar nicht. Wir haben eine Transfersperre, und die bedeutet: Egal, ob wir in der Bundesliga bleiben oder absteigen – jeder Spieler, der Vertrag hat, kann davon ausgehen, dass er weiter hier spielen wird. Es ist nur bei wenigen Spielern offen. Aber auch da ist klar definiert, was passieren kann. Das lasse ich deshalb nicht gelten. So, wie ich die Spieler wahrnehme, wollen alle hier spielen. Hier will keiner weg. Die wissen, wie geil es beim FC ist.“
Was ist denn mit den wenigen Spielern, deren Verträge auslaufen? Nehmen wir zum Beispiel Benno Schmitz!
Ich schätze Benno sehr und Benno hat einen immensen Wert für die Mannschaft. Alles Weitere warte ich als Trainer ab, das interessiert mich auch nicht. Ich weiß, was ich an Benno habe. Ich glaube, er hat seinen Stellenwert oft genug unter Beweis gestellt. Er ist ein extrem erfahrener Spieler, der eine Bärenruhe ausstrahlt, und deshalb bin ich froh, dass er da ist.“
Führt die Transfersperre eigentlich dazu, dass der FC schon jetzt überlegt, was auf dem Transfermarkt im Januar oder Sommer 2025 möglich wäre?
„Natürlich denken wir perspektivisch, haben die Schattenkader und schauen, was aus dem eigenen Nachwuchs kommt. Aber ganz ehrlich: In diese Themen bin ich aktuell überhaupt nicht involviert. Ich bin gerade ganz weit weg vom Sommer 2025.“
Das Trainingslager kommt ja zu einem ungewohnten Zeitpunkt in der Saison. War ein Grund für die Reise auch, dass man die Mannschaft abschotten und den Fokus klar ausrichten wollte?
„Natürlich musst du in unserer Situation auch mal anders denken und neue Ideen entwickeln. Wir müssen uns bewusst machen, dass sich unsere Lage noch weiter zuspitzen kann. Jetzt sitzen wir hier im Trainingslager, haben am Wochenende kein Spiel. Das sieht in fünf Wochen anders aus. Dann ist Crunchtime, dann spielen wir in Mainz. Die drei Tage davor werden anders aussehen als hier. Auch darauf können wir uns jetzt schon vorbereiten. Nicht nur ich als Trainer, sondern auch als Gruppe.“
Wie zum Beispiel?
„Bis jetzt lautete unsere Prämisse, Punkt für Punkt einsammeln und die Leistung zu stabilisieren. Jetzt aber, wenn die Spiele weniger werden, müssen wir Spiele gewinnen. Und da müssen auch wir im Trainerteam umdenken. Wir werden in gewissen Situationen mehr riskieren müssen. Noch mal drei Unentschieden werden uns nicht voranbringen. So einfach ist das. Also müssen wir womöglich früher oder offensiver wechseln, müssen einen vorwärts gerichteten Ansatz wählen. Am Ende werden wir Tore schießen müssen, um auch mal drei Spiele hintereinander gewinnen zu können.“
Bedeutet die Crunchtime auch, dass Sie darauf achten werden, welche Spieler mental am besten dafür geeignet sind?
„Das gehört auch dazu. Letztendlich geht jeder Spieler anders mit Druck um. Da gilt es für mich als Trainer jetzt rauszufinden, auf wen ich noch am 33. oder 34. Spieltag setzen kann. Wer traut sich in der 88. Minute zu ins Dribbling zu gehen oder den entscheidenden Elfmeter zu schießen? Wie geht die Gruppe miteinander um? Wer übernimmt die Führung? Wer hadert eher mit sich? Wer ist lösungsorientiert? Wer hat einfach Bock Gas zu geben? Und wer zieht sich in sein stilles Kämmerlein zurück, weil er unzufrieden ist oder nicht das höchste Selbstvertrauen hat? Das ist der Job eines Trainerteams diese Gefühlslagen zu erkennen, um am Ende unser Ziel zu erreichen.“
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