Der 1. FC Köln ist sehenden Auges in die Krise gesteuert. Die Probleme sind hausgemacht und teils lange bekannt. Die Frage lautet nun: Darf Sportchef Christian Keller noch mit ihrer Lösung beauftragt werden?
Ein Kommentar von Marc L. Merten
Als Gerhard Struber im Sommer von Christian Keller ausgesucht wurde, den 1. FC Köln als Cheftrainer zu betreuen, war klar: Keller ging ins Risiko. Der Österreicher hatte keine Erfahrung in Deutschland oder im Bundesliga-Unterhaus. Er bekam ein ebenso unerfahrenes Trainerteam an die Seite. Und man merkte schnell, was Strubers Stärken waren – und was nicht.
Der 47-Jährige präsentierte sich als akribischer Arbeiter, als Taktiker, als Analytiker, als einer, der daran glaubt, dass eine Mannschaft vor allem dann erfolgreich sein kann, wenn sie topfit ist und inhaltlich bestmöglich vorbereitet. Insofern passte Struber zu dem ebenfalls analytischen Keller. Was aber zum Problem werden konnte, wurde ebenfalls schnell offensichtlich.
Köln ist nicht Salzburg, der FC nicht RB
Struber fremdelte mit der großen Öffentlichkeit, die in Köln herrscht. Die vielen Fans am Trainingsgelände, die öffentlichen Einheiten, bei denen hunderte Anhänger zuschauten. Die Journalisten, die mehr erwarteten als einmal in der Woche eine Pressekonferenz in klinischer Atmosphäre. Die Mitglieder, die auf der Mitgliederversammlung deutlich machten, dass ihnen vieles nicht passt. Struber musste konstatieren: Köln ist nicht Salzburg, der FC ist nicht RB. Hier herrschen Emotion, Tradition. Anspruch wird hier anders definiert. Im Guten wie im mancherlei Hinderlichen.
Zudem musste Struber sich einer besonderen Herausforderung stellen: Er übernahm eine komplett verunsicherte Mannschaft, die nicht nur eine neue taktische Ausrichtung brauchte, sondern allen voran seelische Streicheleinheiten. Doch genau damit tut sich der Österreicher schwer. Zu Saisonbeginn reichte die akribische Neugestaltung des Spielstils aus, um die Spieler dafür zu interessieren und ihnen mit neuen Ideen auch neuen Mut zu geben. Doch je mehr Rückschläge kamen, desto mehr kamen Kellers Versäumnisse der Vorjahre in der Kaderplanung wieder zum Vorschein.
Struber ist kein Menschenfänger
Nicht nur, dass viele von Keller für die Bundesliga verpflichtete Spieler selbst in der 2. Liga nicht weiterhelfen. Es wurde wieder klar, dass Keller mehrheitlich solide Teamspieler, manchmal aber auch Mitläufer und vor allem keine Führungsspieler verpflichtet hatte. Streitbare Charaktere waren abgegeben worden oder verloren gegangen. Verpflichtet worden waren eher Spieler der Marke Schwiegersohn, aber keine Leader, keine Profis, die auch mal unangenehme Wahrheiten aussprechen. So herrscht bis heute ein Führungsproblem, welches erst zum Abstieg und nun in die Niederrungen der 2. Bundesliga führte.
Struber konnte dieses Problem bislang nicht beheben. Auch, weil er zu so manchem Spieler noch keinen Zugang gefunden hat. Er konnte noch nicht nachweisen, dass er ein Menschenfänger ist. Peter Stöger oder Steffen Baumgart konnten zeitweise fast alle Spieler hinter sich vereinen. Als sie gingen, flossen Tränen. Nicht von ungefähr waren ihre Amtszeiten die erfolgreichsten der letzten 35 Jahre in Köln. Will Struber noch die Kurve kriegen, muss er in kürzester Zeit zeigen, dass er mehr kann als Taktik und Analyse.
Wenn Struber scheitert, ist Keller gescheitert
Längst ist klar: An Strubers Zukunft hängt auch die Zukunft von Christian Keller. Sollte Struber scheitern, ist auch Keller gescheitert. Der Sportchef wusste im Sommer, dass er aufgrund der Transfersperre mit der Trainer-Entscheidung nur diese eine Möglichkeit hatte, auf den sportlichen Bereich einzuwirken. Sollte Keller nach Timo Schultz auch mit Struber daneben gelegen haben, hat der Sportchef keine Argumente mehr. Dann gäbe es keinen Grund mehr zu glauben, er könne doch noch den richtigen Trainer, geschweige denn im Winter die richtigen Spieler auswählen, um die vielen Probleme zu beheben.
Und so wird Struber mit seinem Erfolg oder Misserfolg in den nächsten Tagen die Frage beantworten: Darf Keller überhaupt noch Teil der Lösung der vielen Probleme sein? Dass sich Präsident Werner Wolf am Samstag nicht hinter den Sportchef stellte, ist ein Zeichen, dass der Vorstand inzwischen auch zu dieser Einsicht gekommen ist. Offenbar hat auch Wolf nun erkannt: Für die vielen vielversprechenden Talente im Kader kann Keller nichts, für die vielen verfehlten Transfers hingegen schon. Und sollte nun auch sein zweiter Trainer scheitert, wäre Keller nicht mehr zu halten.
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