Kaum Neuzugänge nach Transfersperre: „Konzentrieren uns auf den Sommer“

Lukas Berg (rechts) gemeinsam mit Thomas Kessler (links) und Sascha Bigalke. (Foto: Bucco)
Lukas Berg (rechts) gemeinsam mit Thomas Kessler (links) und Sascha Bigalke. (Foto: Bucco)

Im ersten Teil des GEISSBLOG-Interviews hat Akademie-Chef Lukas Berg über das finanzielle Werben von Top-Talenten gesprochen (hier geht’s zu Teil eins). In Teil zwei erklärt Berg unter anderem die Ausrichtung des 1. FC Köln im Nachwuchs und die Folgen der Transfersperre.

Das Interview führten Sonja Gauer, Juline Mittag und Marc L. Merten

GEISSBLOG: Herr Berg, wie messbar sind Talentprognosen im Nachwuchs wirklich?

„Das ist der heilige Gral des Scouting. Wie genau kannst du etwas prognostizieren? Wir nähern uns der Frage an, indem wir herausfinden wollen, welche Einflüsse talentverhindernd sind. Das ist eher entscheidend. Die guten Entscheidungen sind die, die wir nicht treffen. Es gibt so viele Rahmenbedingungen – Charaktereigenschaften, Familienkonstellationen, allgemein das Umfeld –, die dagegensprechen können, dass es ein erfolgreicher Weg werden kann. Parameter, die verhindern könnten, dass eine Karriere erfolgreich wird. Auf diese Spieler setzen wir dann nicht, aber eine Glaskugel gibt es nicht. 

Spricht eine Entwicklung wie die des 2009er Jahrgangs nicht dagegen, die U8 bis U10 abzuschaffen, wie es der FC jetzt tut?

„Nein. Die Abschaffung der U8 bis U10 läuft unter der Mission, dass wir alles beibehalten wollen, ohne es aber am Geißbockheim isoliert und selbst zu machen. Wir haben uns intensiv mit der Frage beschäftigt, ob Kinder in diesem Alter wirklich in ein Nachwuchsleistungszentrum gehören. In einer U8 sind es in der Regel nur ein oder zwei Spieler, die den Weg lange erfolgreich bei uns bestreiten werden. Da ist es unsere Aufgabe, diese Talente zu finden und sicherzustellen, dass sie auch zum 1. FC Köln wechseln. Das klingt auf den ersten Blick etwas widersprüchlich, der Zweck ist allerdings größer.“

Viktoria-Leihe „kulturelle Sensation“

Gibt der FC in diesem Zuge die eigenen Trainer an andere Clubs ab?

„Wir stellen Trainer selbst ein und entsenden sie dann, um die Qualität der Ausbildung in den Partnerclubs zu gewährleisten. Es spricht aber auch nichts dagegen, Trainer aus den Clubs zu überführen und in das Konstrukt einzubinden. Wir wollen die Partnervereine entlasten, indem wir qualifiziertes Personal zur Verfügung stellen.“

Gehen wir hinsichtlich Partnerclubs eine Stufe höher: Gibt es Pläne beim FC, einen offiziellen Partnerclub zu finden, zum Beispiel in der deutschen 3. Liga oder in der 2. Liga in den Niederlanden? Für den Fall, dass – wie Sie sagten – das Franz-Kremer-Stadion zu klein, das RheinEnergieStadion aber noch zu groß ist?

„Das ist ein sehr wichtiges Thema für uns, gerade in den Ausbildungsstufen, die die Jungs gehen müssen. Ich finde, wir sind schon deutlich besser geworden in der Auswahl der Leihclubs. Wir versuchen, die Zusammenarbeit mit Viktoria Köln weiter voranzutreiben. Wir haben in der U19 jetzt auch erstmalig einen Spieler an die Viktoria verliehen. Das ist eine kulturelle Sensation, dass das mittlerweile zwischen den Clubs funktioniert. Und seien wir ehrlich: Die Konstellation mit dem FC und der Viktoria lässt sich im Reagenzglas ja eigentlich nicht besser erzeugen. Dennoch sind wir immer individuell auf der Suche nach den richtigen Entwicklungsschritten für die Jungs. Für Elias Bakatukanda ist Linz der richtige Schritt. Für Said und Malek ist die Viktoria der richtige Schritt.“

Wegen Transfersperre: FC musste kreativ werden

Wenn wir schon von den Leihspielern sprechen: Der FC hat im vergangenen Sommer vier junge Spieler verpflichtet und sie weiterverliehen. Said El Mala soll kommen. Bei den anderen Dreien scheint es noch unklar. Wohin führt ihr Weg im Sommer?

„Das ist ligaabhängig. So weit sind wir noch nicht. Es entwickeln sich aber gerade alle sehr gut.“

Die genannten Transfers waren Folgen der Transfersperre. Wie hat die FC-Akademie die Zeit erlebt?

„Das war hoffentlich eine dieser ‚Once in a Lifetime‘-Geschichten. Wir haben Spieler verpflichtet, die wir dann nochmal verliehen haben. Wir waren – im positiven Sinne – dazu gezwungen, auf unsere eigenen Spieler zu setzen. Einige Jungs konnten ihre Chance nutzen und von der Transfersperre total profitieren. Gleichzeitig mussten wir Transfers, die wir intensiv vorbereitet hatten, auf Eis legen oder kreative Lösungen finden. Zum Beispiel mussten wir schauen, wie wir Patrik Kristal zu uns holen, mit dem wir gerne früher zusammengearbeitet hätten.“

Trotzdem hat der FC im Winter für den Nachwuchs wenig auf dem Transfermarkt gemacht.

„Im Winter haben wir wenig gemacht, weil wir nichts überstürzen wollten und die Mannschaften sich gut entwickelt haben. Wir haben eher die Kader reduziert und verkleinert. Wir haben nur punktuell Spieler mit dazu genommen wie Yannick Mausehund, Leo Isufi und Bernie Lennemann. Ansonsten konzentrieren wir uns auf den Sommer.“

In der U19 ist Tyron Fernandes noch dazugekommen.

„Tyron Fernandes haben wir auf der Rechtsverteidiger-Position dazu geholt, weil wir dort dünn besetzt waren. Er verstärkt uns in die Breite, kommt aber aus einer Phase in Leverkusen, in der er gar nicht gespielt hat. Das merkt man ihm immer noch an, aber er fängt an aufzublühen und sich erste Spielzeiten zu holen. Er hat einen klaren Plan, jetzt über anderthalb Jahre sein Potenzial zu entfalten.“

Das ist der Plan mit den Neuzugängen

Sie haben Yannick Mausehund, Leo Isufi und Patrik Kristal genannt. Solche Spieler holt der FC – genauso wie Luca Mijatovic – nicht ohne Einbindung der Profiabteilung. Was ist mit diesen Jungs perspektivisch geplant?

„Unser Job ist es, die Jungs an die Schwelle zu bringen, dass der Profibereich sie abgreifen kann. Du kannst es nie genau planen. Die U21 ist für uns der Prüfstein, da müssen alle durch. Salopp gesagt lauten die Entwicklungsschritte in der Regionalliga für einen jungen Spieler: erstens nichts kaputt machen, zweitens mitspielen und drittens auffällig werden. Am Beispiel von Emin Kujovic hat das gut funktioniert. Nachdem er eine sehr gute Entwicklung genommen hat, fällt er nun deutlich in der Regionalliga auf. Das soll auch für die genannten Spieler gelten.“

Der 1. FC Köln arbeitet im Nachwuchs mit Entwicklungskarten, die jeder Spieler erhält. Was hat es damit auf sich?

„Wir haben uns intensiv Gedanken gemacht, was die heutige Generation Z im Nachwuchs auszeichnet. Wir müssen unsere Arbeit unserer Zielgruppe anpassen. Deswegen haben wir eine individualzentrierte Spielerentwicklung ins Leben gerufen, die darauf abzielt, mit maximaler Partizipation der Spieler an ihrer Entwicklung zu arbeiten. Das heißt, dass die Jungs daran beteiligt werden, zu entscheiden, woran sie jeden Tag arbeiten wollen. Um diesen Prozess zu dokumentieren, haben wir eine Entwicklungskarte gebaut.“

Wie eine FIFA-Karte mit den jeweiligen Stärken des Spielers?

„Etwas komplexer ist es schon (lacht). Wir setzen auf eine stärkenorientierte Ausbildung. In Deutschland wird bei einem Fußballer häufig darauf geachtet, was er noch nicht kann. Wir wollen davon weg und uns darauf konzentrieren, was die Jungs schon gut können. Wir sind davon überzeugt, dass ein guter Fußballer sich am Ende über seine Stärken definieren muss. Diese Stärken wollen wir weiter verbessern, das macht für die Jungs auch mehr Spaß. Das alles wird in dieser Karte zusammengeführt. Wir legen gemeinsam Zielwerte fest und besprechen, was die nächsten Entwicklungsstufen sind, damit sie in ihren Stärken noch besser werden. Dazu legen wir fest, wie wir das erreichen wollen, welche Maßnahmen es braucht und mit wem die Spieler daran arbeiten.“

Über wie viele Stärken reden wir da?

„Wir definieren zwei Stärken und vier Potenziale. Die Potenziale zielen immer auf Technik, Taktik, Athletik und Mentalität ab. Wir richten die Potenziale aber inhaltlich so aus, dass sie auf die Stärken einzahlen. Und dann gibt es noch einen weiteren Bereich, der heißt „Freier Kopf“. Wir müssen auch Themen abfangen, die neben dem Platz passieren. Das ist unsere Aufgabe. Drei bis vier Mal im Jahr finden dann Entwicklungsgespräche zwischen Spielern und Trainern statt. Das ist sehr viel Arbeit, aber individualzentriert und stärkenorientiert. Die Jungs brauchen Committment, Wertschätzung und Kommunikation.“

Die Rolle von Sascha Bigalke

Welche Rolle spielt Sascha Bigalke? Der Ex-Profi wurde im vergangenen Sommer als Betreuer der Toptalente hinzugeholt.

„Sascha arbeitet mit den Jungs, die wir definiert haben, hauptsächlich im Eins-zu-Eins. Er arbeitet mit Spezialisten zusammen, um die Spieler Tag für Tag weiterzubringen. Die Qualität seiner Arbeit liegt auch darin, dass Sascha autark arbeiten kann, wir ihm total vertrauen und er uns nicht alles erzählen muss, was er mit den Spielern bespricht. Dadurch entsteht ein Vertrauensverhältnis zwischen ihm und den Spielern. Sascha steht so wenig wie möglich mit auf dem Platz. Sascha ist vielfältig ausgebildet – auch in psychologischen Themen und im Coaching. Uns war wichtig, in dieser Rolle einen Ex-Profi zu haben, der viel erlebt hat.“

Definierte Spieler heißt, dass er nicht mit allen Nachwuchsspielern arbeitet. Wie viele Spieler betreut er denn?

„Alle Spieler zu betreuen, würde rein quantitativ gar nicht gehen. Aktuell sind das zwölf bis 13 Fokusspieler, die aber auch immer wieder bewertet werden, ob sie in diesen Pool noch reinpassen, oder möglicherweise ein anderer dazukommt.“

Abschließend, die Vertragssituation der Nachwuchstrainer ist fast geklärt. Stefan Ruthenbeck ist unbefristet gebunden, Evangelos Sbonias und Vladyslav Moschenski auch noch über die Saison hinaus. Einzig Manuel Hartmanns Vertrag läuft aus. Bleibt er beim FC?

„Wir befinden uns mit Manuel Hartmann in guten Gesprächen und sind auf einem sehr guten Weg. Wir wollen uns auf den Trainerpositionen über Konstanz auszeichnen. Da wird es außer Rotationen in den Altersbereichen, aller Voraussicht nach, keine Veränderungen geben.“

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