Der 1. FC Köln kann und will finanziell im Werben um nationale wie internationale Top-Talente nicht mithalten. Im ersten Teil des GEISSBLOG-Interviews spricht Lukas Berg, der Leiter der FC-Akademie, unter anderem über Transfers im Nachwuchs und den Wettbewerbsvorteil des FC.
Das Interview führten Sonja Gauer, Juline Mittag und Marc L. Merten
GEISSBLOG: Herr Berg, der 1. FC Köln hat kürzlich die Türen am Geißbockheim geöffnet und die Veränderungen im Nachwuchs dargestellt. Warum war dem FC das zu diesem Zeitpunkt wichtig?
LUKAS BERG: „Wir hatten als Verein vor acht Jahren eine Mitgliederkampagne, da stand auf den Plakaten: ‚Mit deinen Beiträgen renovierst du die Kabinen des Nachwuchses.‘ Das Problem: Zu der Zeit ist gar nichts passiert. Die Infrastruktur war sicher der anschaulichste Weg zu zeigen, dass sich jetzt hier etwas tut. Aber wir haben viele Themen, um die wir uns in der Akademie kümmern, nicht nur infrastrukturell, sondern auch personell, konzeptionell und im Kinderfußball. Wir haben viele große Bereiche, in denen wir Nachholbedarf haben und vorankommen wollen und es auch tun.“
Um den Anschluss nicht zu verlieren?
„Klar merken wir, dass die Konkurrenz nicht schläft und gerade auch die großen Clubs mit mehr Budget andere Möglichkeiten haben. Daher müssen wir Wettbewerbsvorteile durch gute Ideen, konzeptionelle Arbeit und persönliche Betreuung erzielen. Unser Ansatz darf nicht nur von Wochenende zu Wochenende, von Saison zu Saison, von Sommerpause zu Sommerpause stattfinden. Dann werden wir durch die Strahlkraft des 1. FC Köln auch weiter richtig gute Jungs bekommen und ausbilden.“
FC will und muss „anderweitig überzeugen“
Trotzdem muss der FC auch finanziell mithalten können. Andere Topclubs zahlen U17-Talenten hohe Monatsgehälter. Davon ist Köln weit entfernt.
„Es kommt immer auf die Verpflichtungsstrategie an. Direkte Konkurrenten aus der Region beispielsweise fahren eine andere Strategie als wir. Diese Clubs verfügen über die Möglichkeiten, im U19-Bereich die Top-Jungs aus dem In- und Ausland zu holen und dann zu den Profis zu transportieren. Wir setzen auf einen anderen strategischen Ansatz, mit dem wir vor allem frühzeitig auf Spieler aus unserer Region setzen.“
Was aber natürlich häufig auch internationale Ausnahmetalente sind.
„Das stimmt, aber trotzdem ist auch die Baseline der Spielergehälter viel höher in diesen Clubs. Da liegt der Normalverdiener teilweise deutlich über unseren Topverdienern. Das ist die Realität. Wir müssen hier anderweitig überzeugen.“
Da reden wir von welchen Clubs? Dortmund, Bayern, Leverkusen, Leipzig?
„Unter anderem – wir merken aber auch, dass Clubs wie Borussia Mönchengladbach oder Eintracht Frankfurt in den letzten Jahren einen deutlich höheren Fokus auf die Nachwuchsarbeit gelegt haben, um die Durchlässigkeit zu erhöhen.“
„Können nicht nur Luft und Liebe verkaufen“
Das heißt, die Jungs, die zum FC kommen oder hier verlängern, müssen sich dazu bekennen, weniger zu verdienen. Wie schafft man es, dass sie trotzdem geduldig bleiben und nicht unzufrieden werden?
„Unsere Jungs bringen die Überzeugung mit, dass sie es hier schaffen können. Natürlich müssen wir auch finanziell den Wettbewerb mitgehen und können nicht nur Luft und Liebe verkaufen. Trotzdem sagen wir in den Gesprächen: Bevor wir über Zahlen sprechen, brauchen wir ein Bekenntnis der Jungs zum FC. Wer unseren Weg nicht mit Haut und Haaren mitgehen will, soll es lassen. Wenn dieses Bekenntnis da ist, finden wir für den Rest eine Lösung. Die Lösung kann dann so aussehen, dass – wenn sie sich entwickeln – wir diese Lücke auch finanziell schließen können.“
Reicht das aus?
„Wir hätten wahrscheinlich im Gesamtkosmos 1. FC Köln keinen Schmerz, nochmal zusätzlich zum bisherigen Budget mehr Geld in die Hand zu nehmen und auf die Gehälter der U-Spieler zu verteilen. Das würde im Gesamtetat 1. FC Köln gar nicht so arg zu Buche schlagen. Ich will damit sagen: Wir könnten es, wir wollen es aber nicht. Denn selbst wenn wir jetzt mehr Geld in die Gehälter stecken würden, würde es im Vergleich zu den anderen Clubs nichts an der Ausgangssituation ändern. Wir lägen immer noch dahinter, müssten immer noch mit anderen Werten überzeugen. Wir wollen dieses Rattenrennen nicht mitgehen. Wir fahren hier gerade in den jüngeren Mannschaften eher einen „Taschengeldansatz“ und versuchen ganz bewusst, die sportliche Entwicklung in den Mittelpunkt zu stellen. Das muss den Ausschlag geben und nicht die Zahlen.“
Und trotzdem entscheidet am Ende der Markt, wie viel ein Spieler im Gehalt wert ist. Das ist bei den Profis wie im Nachwuchs so. Wenn der FC oben dranbleiben will, muss auch der FC diesen Weg zumindest in Teilen mitgehen. Ansonsten wird der FC am Ende abgehängt, oder?
„Absolut. Wir überzeugen aber allen voran durch unsere hohe Durchlässigkeit. Die großen Vereine, die mit der Lizenzspielermannschaft in den europäischen Wettbewerben unterwegs sind, haben häufiger das Problem, dass sie die Jungs nicht nach oben transportiert bekommen. Einige der Jungs werden mit großen finanziellen Paketen geholt, stehen am Ende der U19 aber ohne Chance auf die erste Mannschaft da und wissen nicht mehr, wie es weitergeht. Teilweise kommt es sogar vor, dass sie nicht direkt einen neuen Verein finden, weil ihr Gehalt die Möglichkeiten von Vereinen aus der Regionalliga oder 3. Liga weit übersteigt. Das merken die Spieler und Berater mittlerweile. Es findet ein Umdenken statt. Nicht die Gehälter in der U17 oder U19 sind entscheidend, sondern das, was danach kommt. Wir versuchen hier einen Weg zu finden, auf dem die Jungs ihre Verträge auch noch weiterentwickeln können.“
FC wirbt nicht um deutsche U16-Nationalspieler
Ist das also dann letztlich der Wettbewerbsvorteil, auf den der FC setzt? Diese oder andere Spieler auf dem zweiten Weg zu bekommen?
„Wir konzentrieren uns darauf, wie wir eine maximale Durchlässigkeit generieren können. Damit überzeugen wir. Wir schaffen ein Argument, das zum Tragen kommt, wenn der finanzielle Aspekt nicht der entscheidende ist. Wir haben eine U21 in der Regionalliga, über die wir die Spieler an den Profifußball heranführen. Quasi jeder, der bei uns aus der Akademie kam und Profi geworden ist, hat U21 gespielt. Es gibt keinen, der diesen Schritt nicht gehen musste. Anschließend schauen wir, ob es direkt nach oben gehen kann, oder ob wir über eine Leihe nachdenken müssen, weil der Schritt vom Franz-Kremer-Stadion zum RheinEnergieStadion vielleicht noch zu groß ist. Wir stellen den Sport in den Vordergrund und überlegen uns, wie die Jungs ihren Traum verwirklichen können. Unsere Aufgabe ist es, den Jungs zu jeder Zeit den richtigen Entwicklungsschritt zu ermöglichen.“
Können Sie sagen, wie häufig die Gespräche aus finanziellen Gründen nicht zum Abschluss kommen?
„Sagen wir es so: Häufig sagen wir schon vorher ab. Wir wissen mittlerweile sehr genau, was unser Markt ist. In ein Werben um einen deutschen U16-Nationalspieler einzusteigen, an dem das ganze Land dran ist, ergibt für uns nur selten Sinn. Da ist der Markt dann zu umkämpft, damit wir hier einen Zuschlag erhalten, ohne, dass wir unseren Weg verlassen.“
Das ist früh, wenn man bedenkt, dass es sich um den Jahrgang 2009 handelt und die Jungs erst 15 oder 16 sind.
„Das ist aber die Realität, weshalb wir unsere Sichtungsmärkte anpassen. Wir setzen vor allem auf unsere Region und auf kleinere Vereine. Wir versuchen schon früh herauszufinden, ob wir es mit einem realistischen Szenario zu tun haben. Wenn wir merken, dass es nicht passt, sprechen wir gar nicht erst über konkrete Zahlen. Dann gibt es aber auch einen möglichen Karriereweg wie bei Julian Pauli. Er galt als internationales Toptalent. Trotzdem haben wir noch einmal Zugriff auf ihn bekommen, weil er sich dort, wo er war, nicht am richtigen Ort gefühlt hat. Generell geht es in dem Alterssegment darum, nicht nur dem Spieler, sondern auch der Familie einen guten und authentischen Weg aufzuzeigen. Neben der sportlichen Ausbildung legen wir sehr viel Wert auf den Menschen und seine Familie. Uns ist wichtig, dass der Junge bei uns im Internat gut aufgehoben ist, eine gute Schule besucht, einen Schulabschluss macht und gut aufgestellt ist für ein Leben nach dem Fußball. Wir haben uns auf die Fahne geschrieben, dass wir uns vollumfänglich um die Spieler kümmern – auf und neben dem Platz. Das ist eine unserer Stärken.“
So schnappte sich der FC Luca Mijatovic
Das heißt, die Familie von Luca Mijatovic (2009er Jahrgang, wechselt im Sommer 2025 von Austria Wien zum 1. FC Köln) fand gut, was der FC vorgestellt hat?
„Luca ist ein gutes Beispiel. Wir kennen ihn schon lange und haben die Familie über eine lange Zeit begleitet. Natürlich hat so ein Spieler noch andere Angebote. Der Familie war es wichtig, zu sehen, dass der Junge gut aufgehoben ist. Darüber konnten wir punkten, weil wir ein sehr familiärer Verein sind. So eine Entscheidung fällt dann sehr natürlich und man muss nicht lange verhandeln. Bei Luca war auch kein Berater dabei – hier hat die Familie die zentrale Rolle gespielt.“

Es ist ja eher selten, dass der FC einen so jungen Spieler aus dem Ausland holt. In einem solchen Fall muss der Junge etwas mitbringen, was die aufnehmende Mannschaft nicht hat. Was bringt Mijatovic mit?
„Unser 2009er Jahrgang ist schon lange zusammen. Der Kader wurde immer dann, wenn mit dem Alter das Spielfeld größer wurde, erweitert. Dadurch ist er homogen und qualitativ hochwertig gewachsen. So haben sich auch Nationalspieler wie Milan Nikolic und Brian Adoga entwickelt, die jetzt schon in der U17 eine sehr wichtige Rolle spielen. Für uns ist es wichtig, in so einer gewachsenen Mannschaft nur punktuell neue Spieler hinzuzufügen. Jetzt haben wir klar gesagt, dass wir einen Flügelstürmer brauchen, der das Niveau hebt. Regional gab es keine Möglichkeiten, nochmal ein anderes Level nachzulegen. In diesem Jahrgang sind bei uns auch schon einige Nationalspieler unterwegs. Für uns war daher relativ anspruchsvoll ein passendes Profil zu finden. Luca kannten wir als Nationalstürmer von Österreich natürlich schon. Wir waren dann sehr speziell auf der Suche nach diesem Außenbahnprofil mit einem guten Eins-gegen-Eins, einem guten Torabschluss und auch charakterlichen Fähigkeiten. Er ist auch Kapitän seiner Mannschaft und hat eine Leader-Mentalität. Darauf können wir uns freuen. Trotzdem möchte ich betonen, dass der Junge 16 Jahre alt ist und wir ihm hier erstmal alle Zeit geben, die er braucht, um sich einzufinden.“
Im zweiten Teil des GEISSBLOG-Interviews mit Lukas Berg (erscheint am Mittwoch) spricht der Akademie-Chef unter anderem über die Folgen der Transfersperre im Nachwuchs, die Entwicklungspläne der Talente sowie die jüngsten Neuzugänge.
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