Im Jugendfußball zeichnen sich einschneidende Reformen ab: Die U19- und U17-Bundesligen stehen vor dem Aus, stattdessen sollen Systeme ohne Abstieg etabliert werden, die ausschließlich Vereinen mit professionellen Nachwuchsleistungszentren nach DFB-Standard vorbehalten sein sollen. Im „GEISSBLOG Pro & Contra“ meint unser Reporter Daniel Mertens: Diese Reform wird vor allem eines bewirken: Diese Ausbootung der Amateurvereine wird die Zweiklassengesellschaft im Fußball weiter zementieren.
Ein Kommentar von Daniel Mertens
Die Pläne der DFB-Kommission „Projekt Zukunft“ kommen einer Revolution gleich: Geht es im Moment im U19- und U17-Bereich, analog zum Seniorenfußball, primär um Punkte, Siege und Tabellenplätze, soll schon ab der Saison 2022/23 alles anders werden. 91 Seiten umfasst das jüngste Strategiepapier aus dem Oktober 2020, das die DFB-Arbeitsgruppe den Vereinen zur Diskussion vorgelegt hat.
Geht es nach den Ideen der Arbeitsgruppe, gehören die Bundesligen im U19- und U17-Bereich bald der Vergangenheit an. In der U17 sollen zunächst regionale Entwicklungsspiele ohne Tabelle ausgetragen werden. Im zweiten Schritt sollen Entwicklungsturniere folgen, die in vier Divisionen zu je vier bis fünf Gruppen aufgeteilt sind. In der U19 sollen ebenfalls zunächst Entwicklungsspiele stattfinden und in der zweiten Phase Ausscheidungsspiele. In beiden Systemen sollen am Ende weiterhin deutsche Meister gekürt werden. In der U19 soll zudem der DFB-Pokal auf 64 Mannschaften ausgedehnt werden, unter anderem sollen sich fortan alle 21 Landespokalsieger für die erste Runde qualifizieren. Der Verband bewirbt diese Reform damit, dass mehr Amateurvereine als bisher im Spielbetrieb vertreten seien (der GEISSBLOG berichtete).
Die Vorschläge haben vor allem einen Zweck
Doch genau dies ist Augenwischerei. Formal mag es stimmen, dass insbesondere im U19-Bereich durch den DFB-Pokal mehr Amateurvereine als bisher am Leistungsspielbetrieb teilnehmen. Realistisch betrachtet dürften jedoch die wenigsten Amateure über die erste Runde hinauskommen. Der Mehrwert für die Amateure speist sich also aus einem einzigen Spiel, das zudem vermutlich nicht selten deutlich verloren gehen dürfte. Ein sportlicher Mehrwert darf bezweifelt werden.
Die Vorschläge haben vor allem einen Zweck: den Status Quo für die NLZ-Vereine zu sichern. Durch die Abschaffung des Abstiegs und die Schaffung eines eigenen Kosmos einzig aus NLZ-Vereinen wird der sportliche Gedanke ab absurdum geführt. Amateurvereine, die hervorragende Arbeit leisten, sind fortan von der Belohnung in Form eines Bundesliga-Aufstiegs ausgeschlossen. So verwundert es kaum, dass die NLZ-Vereine, darunter auch der 1. FC Köln, die Reform begrüßen, während sich die Kleinen wie Fortuna Köln oder auch die SG Unterrath aus Düsseldorf vor den Kopf gestoßen fühlen. Zudem darf bezweifelt werden, ob fehlender Ergebnisdruck und der ausschließliche Wettkampf unter NLZ-Teams die individuelle Qualität tatsächlich erhöhen. Bei allem Respekt, aber NLZ-Vereine wie Viktoria Köln oder Arminia Bielefeld werden nicht plötzlich Fußball zum Zungeschnalzen anbieten, nur weil sie nicht mehr absteigen können. Mauernde Gegner wie heute werden auch in Zukunft zum Alltag gehören – denn niemand verliert freiwillig und mit einem Achselzucken.
Ergebnisdruck ist keinesfalls Geschichte
Auch die angebliche Aussetzung der Abstiegsregelung ist bei genauerem Betrachten Augenwischerei. In den verschiedenen U17-Divisionen gibt es Auf- und Abstiege, und einen Sturz in die zweite Division will sicher auch ein 1. FC Köln vermeiden und wäre bei einer Niederlagenserie gegen die Konkurrenten ebenfalls unzufrieden. Der Ergebnisdruck ist also keinesfalls Geschichte. Zumal das Ziel, den Talenten jeglichen Ergebnisdruck von den Schultern zu nehmen, insbesondere im U19-Bereich fatal ist. Da spielen die neuen Jan Thielmanns oder Sava Cestics heute in der A-Jugend ohne jeglichen Ergebnisdruck, sollen aber nur wenig später vor 50.000 Zuschauern in Müngersdorf Leistung unter Druck abliefern. Wie soll dies funktionieren?
Man mag der DFB-Projektgruppe grundsätzlich noch guten Willen attestieren, die vorgelegten Wettbewerbs-Vorschläge werden den deutschen Fußball jedoch nicht entscheidend voranbringen. Stattdessen sorgt es dafür, dass die Schere zwischen Profi- und Amateurvereinen weiter auseinandergeht. Die Modifizierung der Trainerausbildung ist ebenfalls ein Bestandteil des vorgelegten DFB-Konzepts, und hier sollte vielmehr der Fokus liegen. Denn in der Regel, insbesondere im für die Entwicklung der Spieler wichtigen Aufbaubereich von der U12 bis zur U15, sind oftmals Trainer nur in Teilzeit oder gar Nebenberuf tätig. Hier braucht es, gerade in der Leistungsspitze, Übungsleiter in Vollzeit. Denn nur so kann eine ordentliche Fürsorge für die Talente gewährleistet werden, ganz ohne Revolution in den Wettbewerben.
Hier geht es zum “Pro”-Kommentar des GBK!
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