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Zeugnis der Geschäftsführung: Da war es nur noch einer

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Alexander Wehrle und Horst Heldt. (Foto: Bopp)

Horst Heldt mag Geschichte sein beim 1. FC Köln. Doch sein Wirken hat Folgen für die Geißböcke, positive und negative. Sein Co-Geschäftsführer Alexander Wehrle steht nun alleine an der Brücke. Welche Entscheidungen haben sie in der letzten Saison getroffen? Was war gut, was war schlecht? Ein Zeugnis für die Geschäftsführung.

Köln – Als Horst Heldt im November 2019 die Arbeit seines Vorgängers Armin Veh übernahm, lag der FC am Boden, und das ganz ohne die Corona-Pandemie. Veh hatte hochmütig erklärt: “Wir haben Visionen. Und ich meine nicht, dass man zum Arzt gehen muss, wenn man Visionen hat.” Das Problem: Als Veh ging, lag der FC wegen dessen Visionen bereits im Krankenhaus. Corona kam hinzu, inzwischen ist der FC auf der Intensivstation angekommen. Was haben Vehs Nachfolger Heldt und Alexander Wehrle seither verändert?

Horst Heldt

Transfers: Über die Transferbilanz ist lang und breit gesprochen worden. Sportlich waren seine Entscheidungen in der vergangenen Saison nicht gut genug. Was man dabei aber nicht vergessen darf: Heldt hat in seinen drei Transferperioden elf Spieler verpflichtet, davon aber nur drei gekauft und damit fest an den FC gebunden. Der Rest waren Leihspieler. Der Sportchef hat den FC also gerade perspektivisch finanziell weit weniger stark belastet als sein Vorgänger Veh. Dazu hat er bei insgesamt rund 18 Mio. Transfereinnahmen nur rund 20 Mio. für Transfers ausgegeben, also insgesamt nur ein Zwei-Millionen-Minus erzeugt. Andersson, Duda, Limnios – diese drei Spieler sind das bleibende Vermächtnis Heldts.

Trainer: Heldts größter Fehler war das Festhalten an Markus Gisdol, das zwar in Absprache mit dem Vorstand geschah, aber letztlich in seiner Verantwortung lag. Dasselbe gilt für dessen Vertragsverlängerung. Am Ende traf er gerade noch rechtzeitig die Entscheidung, den Trainer zu entlassen und Friedhelm Funkel zu installieren. Dieser Trainerwechsel geht ebenso auf Heldts Konto wie die Verpflichtung von Steffen Baumgart, Kölns womöglich wichtigster Transfer im bevorstehenden Sommer. Baumgart soll die FC-Zukunft gestalten, an der Heldt nicht mehr wird mitwirken können.

Nachwuchs: Eine Vorgabe, die Heldt umsetzte wie vorher weder Veh noch Schmadtke, war die Förderung des Nachwuchses. Wenn Heldt und Gisdol eines schafften, dann war es die Verbesserung des Verhältnisses zwischen NLZ und Profiabteilung. Noch immer mag nicht alles rund laufen, doch Heldt und Gisdol zogen konsequent Talente zu den Profis hoch, während Heldt mit ihnen die Verträge verlängerte. Noah Katterbach bis 2024, Jan Thielmann bis 2024, Ismail Jakobs bis 2024, Marvin Obuz bis 2024, Sava Cestic bis 2024, Georg Strauch bis 2024, dazu Tim Lemperle, Robert Voloder, Jens Castrop und Justin Diehl bis 2023. All diese Talente konnte Heldt halten. Einzig Florian Wirtz ging direkt zu Beginn seiner Amtszeit verloren, doch das Kind war schon in den Brunnen gefallen, weil Armin Veh und Frank Aehlig das größte Talent in der jüngeren FC-Geschichte verschlafen hatten.

Personal: Heldt vollzog zudem einen Umbruch auf mehreren Ebenen in der sportlichen Abteilung. Den langjährigen Physio-Chef Klaus Maierstein setzte er vor die Tür, ebenso Chefscout Willi Kronhardt. Der Abgang von Frank Aehlig war zwar einem Angebot aus Leipzig geschuldet, wäre aber in diesem Sommer ohnehin vollzogen worden. Als Chefscout installierte Heldt mit Martin Schulz ebenso einen langjährigen, loyalen FC-Mitarbeiter, wie mit Lukas Berg einen Mann aus dem eigenen Haus für den Aehlig-Posten. Er versäumte es zwar, Thomas Kessler frühzeitig einzubinden, wie es jetzt geschieht. Dafür brachte er mit Moritz Anderten einen festen Psychologen ins Profiteam. Die sportliche Abteilung, so heißt es, sei nun personell besser aufgestellt als unter Veh.

Strategie: Was fehlte, und das warf der Vorstand dem geschassten Sport-Geschäftsführer vor, war eine erkennbare Strategie, die zur propagierten strategischen Kaderplanung passte. Zwar wurden Gespräche geführt, z.B. mit Nachwuchs-Chefscout Martin Bülles, sodass die größten Talente im Blick behalten wurden. Doch es fehlten teils klare Vorgaben oder planerische Vorarbeiten. Dass Tolu Arokodare verpflichtet wurde, obwohl er keine U21-Spielgenehmigung haben würde, war ebenso ein Zeichen nicht vollständiger Arbeit wie fehlende Anweisungen an das Trainerteam, im Training, in den Testspielen und in der Liga auch perspektivische Entwicklungen zu berücksichtigen.

Alexander Wehrle

Corona: Die wichtigste Aufgabe von Alexander Wehrle in den letzten 15 Monaten war die Bewältigung der Corona-Krise. Wehrle erarbeitete zusammen mit dem Vorstand mehrere Lösungswege, um den FC vor der Insolvenz zu bewahren. Schlüssel dazu waren neben Gehaltsverzicht der Profis und Kurzarbeit für die Mitarbeiter die Kreditlinien bei den Hausbanken, eine Landesbürgschaft und die Mezzanine-Anleihe in zweistelliger Millionenhöhe. Wehrle hätte sich auch offen gezeigt für den Anteilsverkauf am 1. FC Köln, dem schob der Vorstand jedoch einen Riegel vor. Dass der FC die Lizenz für die Saison 2021/22 ohne Auflagen erhielt, ist ein Zeichen, dass die Rettungsmaßnahmen zumindest zunächst gegriffen haben.

Sponsoring: Wehrle musste in den letzten anderthalb Jahren in einem schwierigen Umfeld zahlreiche wegweisende Vertragsgespräche mit den Großsponsoren des FC führen. Dabei gelangen ihm durchaus bemerkenswerte Abschlüsse. Rewe verlängerte in der Krise um ein Jahr. Die Telekom löst NetCologne als Exklusivpartner ab. Die DEVK verlängerte als Hauptpartner. Zudem löst der dänische Sportartikelhersteller Hummel als Ausrüster Uhlsport ab und zahlt deutlich mehr als das deutsche Unternehmen. Diese Kontrakte geben dem FC über die nächsten Jahre Sicherheit und finanzielle Planbarkeit.

Verträge: Wehrle weiß aber sehr genau, dass nicht nur die Corona-Krise den FC in diese Situation gebracht hat, sondern auch die teuren Verträge, die der FC unter seiner Führung geschlossen hat. Spielerverträge wie mit Risse, Sobiech, Koziello, Hauptmann, Modeste oder Limnios hätten genauso wenig in dieser Form geschlossen werden dürfen wie die Vertragsverlängerung mit Markus Gisdol inklusive einer Zweitliga-Gültigkeit des Vertrags. Wehrle muss in dieser Hinsicht seine Arbeit hinterfragen, denn dass der FC vor der Corona-Krise weit über seine Verhältnisse gelebt hat, ist ein Fakt und längst nicht nur damit zu begründen, dass die Geißböcke eine leistungsfähige Mannschaft aufbieten wollten. Im Liga-Vergleich zahlt der FC überdurchschnittlich viel Geld für unterdurchschnittliche Leistungen.

Personal: Nach Armin Veh ist nun auch Horst Heldt weg und damit der zweite Vertraute, den Wehrle als Geschäftsführer Sport bei Einstellung protegiert hatte. Sein eigener Vertrag läuft noch bis 2023, in den kommenden Monaten wird der 46-jährige einen neuen Sportchef an die Seite bekommen. Es darf bezweifelt werden, dass Wehrle diese Entscheidung erneut derart wird beeinflussen können. Darüber hinaus verlor Wehrle mit Tobias Kaufmann einen engen Vertrauten. Dass die Geißböcke in nun fast einem Jahr keinen Nachfolger für den Mediendirektor finden konnten, ist ein Armutszeugnis für das Headhunting der Geißböcke. Dass nun ein weiterer führender Mitarbeiter in der Medienabteilung gekündigt hat, gilt als Hinweis darauf, dass die Stimmung innerhalb der Geschäftsstelle gelitten hat. Das muss Wehrle in den Griff kriegen.

Kommunikation: Seine eigene Kommunikation war zuletzt nicht glücklich. Auf der Pressekonferenz am vergangenen Montag bekannte sich Wehrle zwar deutlich zum FC, aber nicht ohne anzudeuten, dass er einem Wechsel zum VfB Stuttgart nicht abgeneigt gewesen sein. Auch seine emotional konträre und abweisende Haltung zum Vorstand entsprach nicht den Anforderungen an den höchsten Angestellten des 1. FC Köln. Er machte damit zwar ehrlich deutlich, wie er über die Heldt-Trennung dachte, offenbarte damit aber auch den Riss zwischen Vorstand und Geschäftsführung.

Strategie: Wehrle steht noch zwei Jahre beim 1. FC Köln unter Vertrag. In dieser Zeit muss der Finanzchef den FC wirtschaftlich wieder stabilisieren und gleichzeitig sein Langzeitprojekt endlich auf die Strecke bringen: den Geißbockheim-Ausbau. Da musste Wehrle im vergangenen Jahr eine derbe Niederlage einstecken, als die CDU dem FC in den Rücken fiel. Zudem wird er sich dafür verantwortlich zeichnen müssen, das Sieben-Jahres-Konzept, das der Vorstand auf der MV am 17. Juni vorstellen will, umzusetzen. Ob es ihm gefällt oder nicht, das wird seine Aufgabe sein. Dafür ist er der einzig verbliebene Geschäftsführer des 1. FC Köln.

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