Der 1. FC Köln geht optimistisch und voller Tatendrang in die neue Bundesliga-Saison. Steffen Baumgart hat frischen Wind und einen Hauch Euphorie zurück ans Geißbockheim gebracht. Dieses positive Gefühl ist essentiell für den Erfolg in der neuen Spielzeit. Und doch darf es nicht über eine Gefahr hinwegtäuschen: Die Abwehr der Geißböcke ist in dieser Konstellation noch nicht Bundesliga-tauglich.
Ein Kommentar von Marc L. Merten
Auch Jörg Jakobs strahlt Zuversicht aus. Der Interims-Sportchef hat “keine Bedenken”, mit dem aktuellen Kader in die neue Saison zu gehen. Man sei “schon sehr nahe” am endgültigen Aufgebot, man werde sich “nur noch punktuell verstärken”. Der Fokus liege “auf dem Angriff und der Außenverteidigerposition”. Das überrascht, denn was in dieser Auflistung fehlt, ist der dringend benötigte Innenverteidiger.
Innenverteidigung ist personell schwächer geworden
Zur Erinnerung: Der 1. FC Köln hatte in der vergangenen Saison nicht nur ein gewaltiges Stürmer-Problem, sondern auch ein ebenso gewaltiges Defensiv-Problem. Mit 60 Gegentoren stellten die Geißböcke nach Schießbude Schalke (86 Gegentore) die zweitschlechteste Abwehr der Liga.
Das ist ebenso ein Fakt wie der Umstand, dass man sich personell defensiv bislang nicht verstärkt hat – im Gegenteil. Zwar verpflichtete der FC Timo Hübers, doch dieser kam lediglich als der zusätzliche Innenverteidiger, der in der vergangenen Saison gefehlt hatte. Denn neben Sebastiaan Bornauw, Rafael Czichos und Jorge Meré war lediglich Sava Cestic aus dem eigenen Nachwuchs aufgerückt. Im Gegenzug zu Hübers verließ nun Abwehrchef Bornauw die Geißböcke – und wurde bislang nicht ersetzt.
Probleme auf den Außenverteidiger-Positionen nicht behoben
Ebenso Fakt ist, dass der 1. FC Köln seit mehreren Jahren fehlende Qualität auf der rechten Außenverteidiger-Position beklagt – aber auch hier noch nicht tätig geworden ist. Steffen Baumgart vertraut darauf, aus allen Verteidigern, insbesondere aus Kingsley Ehizibue, bislang ungeahnte Fähigkeiten herauskitzeln zu können. Doch auch links ist die Lücke groß geworden, weil Noah Katterbach in einem Dauer-Tief hängt, Jannes Horn ausfällt, Benno Schmitz nur eine Aushilfslösung sein kann und Jonas Hector eigentlich im halblinken Mittelfeld gebraucht wird.
Kurzum: Hinter allen Positionen in der Viererkette stehen beim 1. FC Köln große personelle Fragezeichen. Dazu kommt, dass der Verbleib des besten Sechsers, Ellyes Skhiri, allen anders lautenden Beteuerungen zum Trotz unwahrscheinlich ist. Wohl bemerkt: Bei einer Mannschaft, die schon in der letzten Saison 60 Gegentore kassierte, und das mit einer Spielweise, bei der man explizit auf die Verteidigung wert legen wollte, weil man um die eigene Offensivschwäche wusste.
Welche Lehren zieht Baumgart aus seiner Zeit in Paderborn?
Die personelle Besetzung der Kölner Abwehr muss also große Sorgen machen. Sie erscheint nicht Bundesliga-tauglich. Steffen Baumgart will das trotzdem hinbekommen. Mit einem deutlich aggressiveren Spielansatz, mit der Verlagerung der ersten Defensivverantwortung ins Mittelfeld und in den Angriff. Damit das gelingt, muss er jedoch die richtigen Lehren aus seinen Erfahrungen mit dem SC Paderborn ziehen.
Denn bei den Ostwestfalen stand das eigene Tor häufig deutlich offener als wünschenswert. In Baumgarts Aufstiegs-Saison 2018/19 mit Paderborn aus der Zweiten Liga in die Bundesliga glänzte die SCP-Offensive zwar mit 76 Toren, nur der FC traf häufiger. Doch dem gegenüber standen auch 50 Gegentore. Bemerke: Mit so vielen Gegentoren war zuvor 18 Jahre lang kein einziges Team auf die Aufstiegsränge geklettert. In der Bundesliga-Saison setzte sich dieser Trend fort. In der Ersten Liga kassierte Paderborn unter Baumgart 74 Gegentore und stieg, letztlich chancenlos, wieder ab.
Man kann mit 60 Gegentoren auch Neunter werden
Mut machen soll Baumgarts offensiver Ansatz insofern, als dass die Kölner Offensive deutlich besser funktionieren soll als in der vergangenen Saison. Wer 60 Gegentore kassiert und nur 34 erzielt, droht automatisch abzusteigen. Umgekehrt sind 60 Gegentore aber nur halb so schlimm, wenn man fast ebenso viele selbst erzielt. Eintracht Frankfurt machte dies 2019/20 vor. 60 Gegentore, aber 59 eigene Treffer – am Ende reichte es für Platz neun. Darüber würde sich beim FC niemand beschweren. Schlechte Abwehr hin oder her.
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