Gegen Borussia Dortmund hat Anthony Modeste seine Tor-Serie nicht fortsetzen können. Doch der 33-jährige ist fraglos die Überraschung der bisherigen Saison beim 1. FC Köln. Das sagen auch die Verantwortlichen am Geißbockheim. Ernsthaft hatte niemand mehr damit gerechnet, dass der Stürmer zu seiner alten Torgefahr zurückfinden würde. War die Kritik an der Rückholaktion im November 2018 zu hart?
Köln – Es ist fast genau drei Jahre her. Am 17. November 2018 stand Anthony Modeste plötzlich wieder im Dienste des 1. FC Köln. Auf der 70-Jahr-Feier wurde seine Rückkehr offiziell zelebriert. Alle jubelten: die Verantwortlichen, Fans und Medien gleichermaßen.
Was erst später durchsickerte, waren die Rahmenbedingungen für das Comeback. Für 28 Millionen Euro war Modeste im Sommer 2017 nach China verkauft worden. 16 Monate später kehrte er zwar ablösefrei zurück. Eigentlich also ein Schnäppchen, doch ein Schnäppchen, das sich der FC einiges kosten ließ: mit einem Fünf-Jahres-Vertrag als Spieler für rund drei Millionen Euro Grundgehalt, dazu mit einem Fünf-Jahres-Anschlussvertrag als Trainer für 120.000 Euro Grundgehalt.
60 Prozent der Rekordablöse fließen ins Gehalt
Von den 28 Millionen Euro Ablöse wurden also rund 60 Prozent in das künftige Gehalt des Franzosen investiert. Einen potentiellen Wiederverkaufswert des damals 30-jährigen gab es aufgrund der Vertragskonstruktion praktisch nicht mehr. Die beiden damaligen Mitgliederräte im Gemeinsamen Ausschuss, Stefan Müller-Römer und Carsten Wettich, hatten ihre Bedenken ob der Vertragsstruktur geäußert. Die Geschäftsführer Armin Veh und Alexander Wehrle sowie Präsident Werner Spinner hatten sich jedoch durchgesetzt.
In den folgenden zweieinhalb Jahren, vom Winter der Saison 2018/19 bis zum Saisonende 2020/21, wurde die Kritik an Modestes Rückholaktion immer lauter. In der Zweitliga-Saison konnte Modeste nach monatelangem Kampf um die Spielberechtigung noch sechs Tore in zehn Spielen erzielen. Der FC wäre jedoch dank Simon Terodde und Jhon Cordoba auch ohne Modeste wieder aufgestiegen. Die Gedanken der Verantwortlichen richteten sich ohnehin nicht auf die Zweite Liga.
Zwei Bundesliga-Jahre fast ohne Modeste-Tore
Modeste sollte ab der Saison 2019/20 neben Cordoba für die Bundesliga-Tore sorgen, weil man davon überzeugt war, dass Terodde eine Liga höher nicht funktionieren würde – obwohl man auch dem Torschützenkönig der Zweiten Liga einen Multimillionen-Vertrag für die Bundesliga gegeben hatte. Was folgte, war eine Enttäuschung für den FC wie auch für Modeste. Unter Achim Beierlorzer gelang dem Angreifer zwar ein Tor am 3. Spieltag in Freiburg, danach aber lange nichts mehr.
Heute heißt es am Geißbockheim, der Angreifer habe seit seinem China-Wechsel keine echte Vorbereitung mehr absolviert. Das stimmt freilich nicht. Unter Beierlorzer hatte Modeste 2019 die Vorbereitung nahezu vollständig mitgemacht und zuvor bereits in der Sommerpause an sich gearbeitet. Gereicht hatte es dennoch nicht. Schon gar nicht, als dann Markus Gisdol das Zepter übernahm. Eine Trainer-Verpflichtung, die dem Franzosen das Genick brach, war sein gestörtes Verhältnis zu Gisdol doch bereits aus Hoffenheimer Zeiten bekannt. Am Ende der Saison standen vier Saisontore.
Der Tiefpunkt und das Comeback
In 2020/21 ging es sogar noch weiter bergab. Modeste verpasste die Vorbereitung wegen Knie- und Rückenproblemen, fehlte monatelang und wurde auch im Laufe der Hinrunde nicht fit. Nach dem Desaster von Freiburg (0:5) im Januar folgte die Flucht vor Gisdol, aber auch vor den Kritikern nach Frankreich. Doch auch dort lief es nicht, bis Modeste im Frühjahr operiert wurde und die letzten drei Monate bis Saisonende ausfiel.
Beim FC fragte man sich zu diesem Zeitpunkt, was aus dem Topverdiener werden würde. Modestes Spielervertrag würde noch bis 2023 laufen. Die OP und ein Jahr ohne Ligator versprachen alles, nur keinen motivierten, gut gelaunten und fitten 33-jährigen. Doch Modeste überraschte alle. Obwohl der FC den gesamten Sommer über nach einem weiteren Mittelstürmer fahndete (wie nun erneut durch das Interesse an Dortmunds Tigges klar wurde), machte Modeste höchstselbst diese Suche unnötig. Acht Tore in zwölf Pflichtspielen sprechen eine deutliche Sprache. Der Franzose ist wieder die unangefochtene Nummer eins im Sturmzentrum und tatsächlich noch einmal der Stürmer, den man sich bei seiner Rückkehr ersehnt hatte.
Die Kritik war so berechtigt wie das Lob für das Comeback
War aber nun die Kritik an seiner Rückkehr zu hart? Fakt ist: Modeste ist so gut wie seit 2016/17 nicht mehr. Fakt ist auch: In dieser Form ist Modeste jeden Cent seines Drei-Millionen-Gehalts wert. Fakt ist aber auch: In den zweieinhalb Jahren zuvor hat Modeste die Geißböcke sehr viel Geld gekostet, ohne ansatzweise Leistungen zu bringen, die einen Gegenwert dargestellt hätten. Das Geld und der langfristige Vertrag blockierten die Kaderplanung und behindern diese auch noch weitere anderthalb Jahre, denn einen solchen Vertrag kann sich der FC eigentlich nicht mehr leisten.
Freilich schlägt nicht jeder Transfer sofort ein. Wenn aber ein Spieler einen Fünf-Jahres-Vertrag unterschreibt und damit zu den drei Top-Verdienern wird, muss er funktionieren – und das nicht erst nach drei Jahren, sondern praktisch sofort. Insofern war die Kritik an den Verantwortlichen ebenso berechtigt wie das heutige Lob für Modeste und Trainer Steffen Baumgart, die gemeinsam das Comeback des Stürmers möglich machten. Modeste hat eine harte Zeit hinter sich und ist eindrucksvoll zurückgekommen. Für den 1. FC Köln im Herbst 2021 zählt einzig diese Tatsache. Jetzt aber so zu tun, als sei die Kritik der vorherigen zweieinhalb Jahre überzogen oder falsch gewesen, verdreht die Tatsachen.
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