Der Vorstand des 1. FC Köln hat sich am Montagabend erstmals seit den Krawallen in Nizza ausführlich geäußert. Werner Wolf, Eckhard Sauren und Carsten Wettich schrieben in der “Post vom Präsidium” den Mitgliedern der Geißböcke. Eine E-Mail, der es an deutlichen Worten nicht fehlte und mit der die FC-Bosse klarstellten, dass sie gegen Gewalttäter in der eigenen Fankurve vorgehen wollen.
Vier Tage lang hatte nur Christian Keller als Sport-Geschäftsführer gesprochen. Der Vorstand hielt sich im Hintergrund, bis auf ein kurzes Statement via Twitter. Doch am Montagabend kam, worauf viele Fans gewartet hatten: Das Präsidium um Wolf, Sauren und Wettich bezog Stellung zu den Gewalttaten rund um das Conference-League-Spiel des 1. FC Köln bei OGC Nizza – und suchte dabei auch keine Ausreden im Versagen der französischen Behörden und des gastgebenden Vereins.
“Was wir auf den Tribünen gesehen haben, waren keine Selbstverteidigungsmaßnahmen, sondern Aktionen – teilweise mit entfesselter Gewalt. Dafür gibt es überhaupt keine Entschuldigung” – mit diesen Worten räumte der Vorstand gleich zu Beginn seines Briefes an die Mitglieder mit der Interpretation der Vorfälle auf, die Gewalttäter in FC-Outfits hätten ausschließlich auf Nizzaer Angriffe reagiert und sich und andere Vereins verteidigt. Man sei sich einig, dass der Verein “gegen diese Gewalttäter mit aller Konsequenz vorgehen” müsse.
Bemerkenswert waren die Worte des Vorstands, die indirekt an die stärksten Gruppierungen in der Kurve gerichtet waren. Der FC dürfe nicht nur auf polizeiliche Ermittlungsergebnisse und auf Stadionverbote setzen, “denn mit diesen werden wir nur einen kleinen Teil des Problems in unserer Kurve lösen”, schrieb der Vorstand. Ein Eingeständnis, dass das Problem tiefer sitzt – wie es im Brief gleich weiter hieß: Man müsse “eine Debatte darüber zu führen, wie wir mit den Gewalttätern umgehen, die wir nicht identifizieren können. Sie werden auch künftig unter uns in der Kurve stehen und weiterhin die Werte des FC mit Füßen treten”.
Der Vorstand nahm in diesem Zuge jene Teile der aktiven Fanszene in die Verantwortung, die zulassen, dass jene Gewalttäter “sich nicht identifizieren lassen”, weil sie sich “in der Masse schützen” könnten. “Diesen Schutz finden sie durch eine Mischung aus Tolerierung, Gleichgültigkeit, aber auch Angst der FC-Fans um sie herum.”
Das Führungstrio musste acht Tage vor der Mitgliederversammlung Stellung beziehen, auf der Wolf, Sauren und Wettich wiedergewählt werden wollen. “Am vergangenen Donnerstag hat der 1. FC Köln schweren Schaden erlitten”, schrieb das Präsidium und kündigte an, auch auf der MV am 20. September dieser Debatte Raum zu geben. “Es ist ein Punkt erreicht, an dem wir so nicht weitermachen können.”
Der Brief des Vorstands in voller Länge
“Gewalttäter in den Farben unseres Vereins haben in Nizza den Fokus auf sich gezogen und einen Tag voller Hoffnungen, Vorfreude und Zusammenhalt mit ihren Aktionen zerstört. Sie haben mit ihren Übergriffen Menschen verletzt, Menschen eingeschüchtert und bei vielen, die diesen Tag mit Freunden und Familie verbringen wollten, Ängste ausgelöst. Was wir auf den Tribünen gesehen haben, waren keine Selbstverteidigungsmaßnahmen, sondern Aktionen – teilweise mit entfesselter Gewalt. Dafür gibt es überhaupt keine Entschuldigung. Verstärkt wurde das Gefühl der Fassungslosigkeit beim Heimspiel gegen Union Berlin durch ein Banner, das viele als Solidarisierung mit den Gewalttätern interpretierten.
Diese Fassungslosigkeit zieht den Wunsch nach Konsequenzen nach sich, die neben der Identifikation und Bestrafung der Täter grundlegend dazu beitragen, dass so etwas auf unseren Tribünen nicht mehr passieren kann. Konsequenzen, die sicherstellen, dass niemand Angst haben muss, ins Stadion zu gehen – nicht in Köln und auch nicht bei Auswärtsfahrten.
Einig sind wir uns alle: Gegen diese Gewalttäter wird unser Verein mit aller Konsequenz vorgehen. Wir werden alles von Seiten des FC dafür tun, Täter zu identifizieren und aus dem Stadion zu verbannen. Dazu gehören neben strafrechtlichen Konsequenzen auch Stadionverbote. Unsere Aktivitäten dazu sind noch in der Nacht von Nizza angelaufen. In den kommenden Tagen wollen wir uns gemeinsam mit unserem Geschäftsführer Christian Keller mit dem Kölner Polizeipräsidenten Falk Schnabel, um das weitere Vorgehen abzustimmen. Die Polizei und wir bitten an dieser Stelle alle um Hinweise auf die Täter – ihr könnt sie unter https://nrw.hinweisportal.de/2022090908-/de/upload hochladen. Die Hinweisgeber werden natürlich anonym bleiben.
Mit diesen Stadionverboten werden wir aber nur einen kleinen Teil des Problems in unserer Kurve lösen. Denn viel wichtiger ist es, eine Debatte darüber zu führen, wie wir mit den Gewalttätern umgehen, die wir nicht identifizieren können. Sie werden auch künftig unter uns in der Kurve stehen und weiterhin die Werte des FC mit Füßen treten, zu denen neben Fairness auch der Gewaltverzicht zählt. Sie lassen keinen Dialog zu. Sie lassen sich nicht identifizieren, sie schützen sich in der Masse. Diesen Schutz finden sie durch eine Mischung aus Tolerierung, Gleichgültigkeit, aber auch Angst der FC-Fans um sie herum.
Die vielen Reaktionen aus unserem Verein seit dem vergangenen Donnerstag zeigen, wie wichtig es ist, dass wir diese Thematik offensiver angehen. Wir können das Problem nicht allein durch das Einfordern und Umsetzen von Vereinsregeln oder Stadionordnungen lösen. Wir brauchen eine gemeinsame Haltung des gesamten FC, wir brauchen den öffentlichen Druck, die Mitwirkung unserer Mitglieder und der Fanszene, um relevante Fortschritte zu erzielen.
Wir wollen diese Debatte mit unseren Mitgliedern und Fans führen, mit unseren Gremien, wir brauchen die Unterstützung von Politik und Polizei. Alle anderen Antworten sind zu einfach, nicht ehrlich und führen nicht zum Ziel. Deswegen werden die richtigen, die nachhaltigen Konsequenzen auch nicht so schnell auf dem Tisch liegen, wie sich das manch einer wünscht..
Der Debatte darüber werden den Raum geben, den sie braucht – nicht zuletzt bei der Mitgliederversammlung in der kommenden Woche. Es ist ein Punkt erreicht, an dem wir so nicht weitermachen können.
Wir wollten den Sport und die Gemeinschaft, den FC in Europa feiern, aber es kam leider anders. Viele FC-Fans haben in Nizza große Ängste ausgestanden. Wir haben von vielen gehört, dass sie sich den Bedrohungen schutzlos ausgeliefert fühlten. Auf dem Weg zum Stadion, als sie von Vermummten angegriffen wurden. Oder auf der Tribüne, als sie einen Sturm des Gästeblocks fürchteten.
Aber nicht nur diese Augenzeugen möchten wir bitten, sich aktiv an der Debatte zu beteiligen. Jeder kann sich konstruktiv einbringen, Ängste ausdrücken, Erlebnisse schildern oder Lösungsansätze beschreiben. Alle sind eingeladen, ihre Gedanken unter [email protected] mit uns zu teilen.
Wir können euch nicht versprechen, dass wir allen persönlich antworten. Aber wir werden versuchen, uns bei möglichst vielen von euch zurückzumelden.
„Wir sind Kölner – und ihr nicht!“, so hallte es in Nizza vielstimmig den Gewalttätern entgegen und machte deutlich, dass diese kleine Gruppe nicht für die FC-Fans steht. Wir haben die Gewalt gemeinsam mit der Geschäftsführung noch am Abend von Nizza sehr klar verurteilt. Aber wir müssen uns alle positionieren, solche Taten werden wir nur gemeinsam verhindern können.
Come on, FC!
Der Vorstand”
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