Die unglaubliche Geschichte eines ungleichen Gegners

Ein Nebenplatz des Friedrich-Ebert-Stadions in Berlin-Tempelhof, Kunstrasen, knapp über 100 Zuschauer. Alltag in der Berlin-Liga. Der BFC Preussen, einer der Aufstiegsfavoriten, spielt beim SD Croatia – und verliert 0:1. So etwas nennt man wohl einen klassischen Fehlstart in die neue Saison. Das war am vergangenen Wochenende.

Von Sebastian Schlichting, Berlin

An diesem Samstag werden die Rahmenbedingungen andere sein: Eine womöglich fünfstellige Zuschauerzahl im Stadion An der Alten Försterei (Heimstätte des 1. FC Union, 18 Kilometer entfernt vom eigenen Preussenstadion, das die hohen DFB-Anforderungen nicht erfüllt), Live-Übertragung bei sky, später ein langer Bericht in der ARD-Sportschau. Der Gegner heißt diesmal nicht Croatia, sondern 1. FC Köln. Dreimal Deutscher Meister, viermal DFB-Pokalsieger.

Das Bild von den sich übergebenden Huftieren

Es ist eine Konstellation, wie sie Pokal-typischer nicht sein könnte. Auf der einen Seite der Bundesligist, der nicht viel gewinnen, aber alles verlieren kann. Auf der anderen Seite der Außenseiter, für den es eines der größten Spiele der Vereinsgeschichte ist. Mehr Underdog geht übrigens nicht: Preussen ist Ende Mai als einziger Sechstligist in den DFB-Pokal eingezogen. Inzwischen hat der Klub aus dem Berliner Südwesten Gesellschaft bekommen. Der FC 08 Villingen aus dem Schwarzwald, der auf den FC Schalke 04 trifft, stieg am Saisonende ab und ist nun auch sechstklassig unterwegs.

Preussen-Trainer Andreas Mittelstädt, gleichzeitig 1. Vorsitzender, bemüht im Vorfeld gern das bekannte Bild von den sich vor einem Laden mit Arzneimitteln übergebenden Huftieren. Heißt: Eigentlich hat Preussen keine Chance, beziehungsweise fast keine: „Sie ist minimal“, sagt Mittelstädt. Aber manchmal ereignen sich ja die komischsten Sachen. Der 51-Jährige hat einst in der 2. Liga für den SC Charlottenburg gespielt, gemeinsam mit dem späteren Nationaltorwart Andreas Köpke. Der SCC war damals auch im DFB-Pokal aktiv, dort kam Mittelstädt jedoch nicht zum Einsatz.

Nach 90 Minuten 1:1 – nach 120 Minuten 9:2

Egal, was jetzt noch passiert, allein der Weg bis zur Partie gegen Köln war ein fast unglaublicher. Vor der vergangenen Saison ging es um Ziele. Mittelstädt – damals noch nicht Trainer – sagte der Mannschaft, dass er den Berliner Pokal holen will. Diese nahm es irritiert bis amüsiert zur Kenntnis. Dann passierten reihenweise kuriose Dinge: Gegen den SC Gatow stand es in der dritten Runde nach 90 Minuten 1:1, Endstand nach Verlängerung: 9:2. Im Viertelfinale endete das Minimalisten-Elfmeterschießen gegen das Oberliga-Spitzenteam Hertha 03 Zehlendorf 2:1 (zuvor nach 120 Minuten 1:1). Im Halbfinale stand es bis in die Nachspielzeit gegen den SC Staaken 1:2. Dann unterlief Staaken ein Eigentor. In der Verlängerung siegte Preussen 3:2. Die vorläufige Krönung war das völlig verdiente 1:0 im Finale, natürlich als Underdog, gegen Oberligist SV Lichtenberg 47. Top-Torschütze René Robben erzielte den Treffer.

Pokalsieger Preussen – das ist eine Geschichte aus der Rubrik „die Älteren werden sich erinnern“. Von 1979 bis 1981 holte man den Cup dreimal in Serie, wurde dazu 1977, 1980 und 1981 Meister in der West-Berliner Oberliga, damals die dritthöchste Spielklasse. Es war die erfolgreichste Zeit des 1894 gegründeten Vereins, der zu den ältesten in der Stadt gehört. Zum Aufstieg in die 2. Liga reichte es jedoch nie: Einmal verzichtete man aus finanziellen Gründen auf die Teilnahme an der Aufstiegsrunde, dann unterlag man Göttingen 05 in den Entscheidungsspielen und einmal gab es keine Aufsteiger wegen der Einführung der eingleisigen 2. Liga. Preussen war bereits in der zweiten Runde des DFB-Pokals, 1981/82 nach einem 2:0 gegen Schwarz-Weiß Essen. Dass nun ähnliches gelingt, ist nicht so richtig wahrscheinlich. Aber wie sagt Fred Böttcher, der die Geschäftsstelle leitet? „Auch ein Bundesligist kann mal ausrutschen.“


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